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INTERVIEW

Silvana Ajdinović: „Inneneinrichtung mit viel Geld ist keine Kunst“

FOTO: Snežana Pekija

Die Landschaftsarchitektin Silvana Ajdinović (29) beschloss nach Abschluss ihres Studiums in Novi Sad, ihren Master in Wien zu machen. Neben einem Job in der Branche, verbringt sie sehr viel Zeit damit, ihre Wohnung im dritten Stock ohne Lift einzurichten, die eine Art Aushängeschild für ihren Umgang mit der Inneneinrichtung darstellt.

KOSMO: Was hat dich nach Wien verschlagen?
Silvana Ajdinović: Die Idee von Wien hat seit jeher wie eine Zündschnur in meinem Unterbewusstsein existiert, die während meines Studiums in Novi Sad vor sich hin geglommen hat. Ich habe die Möglichkeiten erwogen, die mir offenstehen, „WENN ICH GROSS BIN“. Von der Idee, dort zu bleiben, war ich nicht begeistert. Ich wollte nicht nach einigen Jahren zielloser Volontariate und Praktika, mit deren Verdienst ich nicht einmal eine vernünftige Garconniere für einen Single ohne Hund in der Stadt hätte bezahlen können, aufwachen und mich fragen: „Ist es das wirklich? Habe ich das erreicht, was ich konnte? Nein.“

Kommen wir zum Beginn der Geschichte zurück. Ich habe Wien als Stadt mit der höchsten Lebensqualität gewählt, als Stadt mit einer Million Möglichkeiten und über einer Million Menschen und als unerschöpfliche Quelle von Ideen. Am Anfang war es schwer, die richtige Art und Weise und einen Grund zu finden, warum ich gerade hier bin und wem ich etwas beweisen will. Bei der Arbeit im Tattoo-Studio, im Theater, in der Garderobe, in Restaurants, Bars, in der Küche, im Blumenladen und wieder in Restaurants merkst du allmählich, wie die Zeit vergeht, dass du schon am Ende des Masterstudiums stehst, in das du dich eingeschrieben hast, um mit Menschen in Kontakt zu kommen, und dass die Sprache keine Barriere mehr darstellt. Du beginnst, Arbeit in deinem Fachbereich zu suchen, ein paar Versuche, ein paar Überstunden, um etwas zu beweisen, und jetzt bin ich hier…

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Wie hast du dich für deine Berufung entschieden?
Das war ganz interessant. Ich komme aus einer Musikerfamilie. Meine Schwester ist Pianistin, mein Vater (Drummer) war immer mein Vorbild im Selbermachen, von der Nadel bis zur Lokomotive, und meine Mutter hat sich bemüht, unser warmes Zuhause ständig zu verändern, damit es uns nicht langweilig wird – natürlich immer im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Das heißt, mein Vater ging zu irgendeinem Auftritt, kam um vier Uhr früh zurück und verschwand sofort in einem Zimmer, wo er in der Dunkelheit nicht mehr wusste, wo er sitzen sollte und wo er seine Sachen lassen konnte (lacht).

Wir hatten interessante Erfahrungen: Kroatien, Krieg, Serbien, viele Umzüge, wieder die Wohnung, das Haus, das Zimmer, den Hof neu einrichten. Ich habe mich schon immer für Kunst, Malerei, Zeichnen, Färben interessiert, nur konnte ich mich lange nicht in eine Schublade oder irgendeine Ecke einordnen, in die ich gehörte. Als die Zeit zum Studieren kam, fand ich die Idee interessant, Grünflächen und Dächer zu gestalten. Nach der Verteidigung meiner Diplomarbeit habe ich am folgenden Tag das Land verlassen. Nach ein paar Jahren in Wien und einem Leben in verschiedenen Zimmern und Wohnungen, mit einem Mann oder mit fünf verschieden Leuten habe ich erkannt, dass ein eigenes Eckchen ein Luxus ist, der mir wichtig ist, und dass ich allein sein möchte, um alles zu beeinflussen, was um mich herum passiert, was mich am Morgen aufweckt und am Abend in den Schlaf singt.

FOTO: Snežana Pekija

Auf welche Sphäre der Raumgestaltung fokussiert sich deine Arbeit?
Es ist schwer, sich zu entscheiden. Natürlich ist es jedem Designer wichtig, seinen Stempel zu hinterlassen, aber uns ist auch bewusst, dass wir zwischen dem Budget und den Kundenwünschen nur wenig Raum haben. Ich mag Antiquitäten, Industriedesign, ich nehme Innovationen gerne an, liebe Geschichte… Wenn all das am Ende eine gemeinsame Sprache finden kann,… dann habe ich mein Resultat (lacht)!

An welchen Projekten arbeitest du gerade?
Im Moment richte ich meine Wohnung „IM DRITTEN STOCK OHNE LIFT“ ein. Mir gefällt die Idee, sie so zu nennen. Ich sammle verschiedene Dinge, restauriere Möbel, streiche, schmirgle, stelle um, zeichne, kaufe und verkaufe wieder, und jetzt bin ich schon so weit, dass ich etwas vorzuzeigen habe.

Hast du drei goldene Regeln für die Einrichtung von Räumen?
Ich lasse mich von vielen Regeln, Theorien und Vorbildern leiten. Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier haben mir eine Idee davon vermittelt, wo man anfängt und wie man einen Raum betrachtet, unabhängig davon, wo ich gerade bin und dass unsere Stile keine gemeinsame Sprache haben. Durch ihr architektonisches Werk habe ich begriffen, dass es mir wichtig ist, beim Betreten eines Raumes Ruhe zu empfinden. Mich interessiert nicht die Regel, dass ein Bild in Augenhöhe hängen muss oder dass ein Sessel genau in der Mitte der Wand unterhalb der Uhr stehen muss (was meistens eine große Rolle spielt). Wichtig ist mir, wenn ich irgendeinen Anblick oder einen leeren Raum sehe, dass ich sehen kann, wie die Ruhe in ihm aussieht. Lampen und Licht sind mir wichtig, sie geben Wärme und zumindest ein bisschen Geschichte, die einen Hauch von Emotion vermittelt.

Ist die Funktionalität eines Interieurs wichtiger oder sein Aussehen?
Da gibt es kein Schwarz oder Weiß, das kommt drauf an… Design ist nicht unbedingt funktional und umgekehrt. Ich liebe Design, ich respektiere alle und jeden, die auch nur daran denken, etwas selber zu machen oder zu entwerfen. In einem Museum kommt es mir viel mehr darauf an, wie alles zusammen aussieht, aber zu Hause muss es funktional sein, damit man dort leben mag, es muss also einen Kompromiss geben. Das Aussehen ist mir wichtig, damit beschäftige ich mich! Ich bin von Farben, Formen und Schatten besessen, aber mir ist bewusst, dass dort wirklich jemand sitzen und sich unterhalten können muss. Ein Erfolg ist es für mich, wenn sich jemand in meinem Raum wohlfühlt, wenn er gerne dort ist. Gute Musik ist ein weiterer Faktor, der einen Raum vollkommen macht.

Wie bewertest du die Gestaltung der öffentlichen Flächen in Wien?
Wien ist eine Metropole, Europa… Ich glaube, dass ich kein Maßstab bin, das zu beurteilen, aber ich kann sagen, dass ich glücklich bin, dass ich die Gelegenheit habe, durch diese Stadt zu gehen, neue Ecken von ihr zu entdecken und irgendwie auch an der Planung teilzuhaben. Man bemüht sich, dass es makellos, ordentlich und gut geplant wirkt. Wien ist ein Beispiel, wie Landschaftsarchitektur geschätzt und entwickelt werden sollte.

FOTO: Snežana Pekija

Hast du ein Lieblingsprojekt in der Raumordnung?
Da zitiere ich noch einmal Herrn Mies van der Rohe. Unter allem, was ich in Barcelona gesehen habe, ist mir vor allem der BARCELONA-PAVILLON als wichtiges architektonisches Monument in Erinnerung geblieben, über das man nachdenken sollte, genau wie Kathryn Tylers CORKELLIS HOUSE. Sie hat mit einem unwahrscheinlich kleinen Budget ein Haus vom Fundament bis zum letzten Detail des Interieurs geplant und gebaut. Ansonsten bin ich eine Fürsprecherin der Jungen. Ich bemühe mich, moderne Künstler, Kollegen und Designer zu unterstützen.

… und was ist an deiner Arbeit frustrierend?
Meistens die Menschen (lacht), die meine Arbeit nicht würdigen, die mich noch immer als junge, oder auch nicht mehr ganz so junge, aber in jedem Fall als FRAU sehen, die etwas sagen will!

Wie würde dein Traumprojekt aussehen (in dem es keine finanziellen und personellen Beschränkungen gäbe)?
Ich habe kein Problem mit finanziellen Beschränkungen, ich betrachte sie als Herausforderung, wenn ich etwas einrichten oder planen muss, bei dem ich eine Alternative suchen muss. Mit viel Geld zu bauen ist leicht. Aber daran bin ich nicht gewöhnt. Ich weiß nicht, ist das überhaupt interessant (lacht)???

Ein Traumprojekt würde sich in meinem Fall auf etwas anderes beziehen, auf die Zusammenarbeit mit Menschen, die ich mag, mit meinem Vater, der für mich bei der Umsetzung meiner Verrücktheiten Unterstützung und Motivation ist, mit Freunden und Kollegen, mit denen ich noch immer angeregt Ideen austausche und mit denen wir uns noch immer gegenseitig in dem unterstützen, was wir am Tag gemacht und gedacht haben.

Was würdest du Leuten raten, die diese Arbeit machen möchten?
Ich finde, es steht mir nicht zu, Ratschläge zu geben, vor allem nicht gezielte. Wir sind alle anders, wir besuchen Fakultäten, weil unsere Eltern Ärzte sind, wir machen Juraexamen, weil wir keine Außenseiter in der Familie sein wollen, wir suchen uns hochprofitable Berufe aus, weil wir ein sorgenfreies Leben ohne Kopfschmerzen um die Bezahlung von Rechnungen und die Aufnahme von Krediten wollen… Diese Arbeit ist MIR wichtig, ich lebe sie, sie macht mich glücklich und selbstbestimmt. Ich mache sie nicht, weil ich weiß, wie meine Zukunft aussehen wird: Die kann ich mir nur vorstellen und erträumen. Aber sie macht mich glücklich. Wenn ich etwas Schönes sehe oder mache, bekomme ich Gänsehaut, als wenn ich gute Musik höre. Meine Augen leuchten, wenn ich über Dinge rede, die ich machen will, oder wenn ich zeige, was ich bisher gemacht habe. Es kommt nicht darauf an, welchen Beruf man wählt. Wenn er Emotionen in uns weckt, dann haben nicht wir ihn gewählt, sondern er hat uns gefunden!

FOTO: Snežana Pekija

Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Ich habe Angst vor Plänen. Ich hatte eine wechselhafte Kindheit, nichts ist so gekommen, wie wir es geplant hatten. Ich schaue nur so weit in die Zukunft, wie es nötig ist, um zu wissen, dass ich mich nicht um meine Existenz sorgen muss.

Träume sind etwas anders, darüber könnte ich stundenlang reden (lacht). Mein Ziel ist es, dass ich mit der Umsetzung der Party in meinem Kopf (dem bunten Teil meines Gehirns) weitermachen kann und dass meine Ideen täglich Wirklichkeit werden. Vielleicht werden eines Tages Junge meine Thesen und Ideen nutzen oder vielleicht spricht man zumindest von der Frau, die als kleiner Fisch im großen Meer mit ihren Ideen, mit dem Bau von Häusern für andere Leute, versucht hat, – wieder ein Klischee – die Welt zu verändern (lacht).

Autor: Pavle Manojlović