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INTERVIEW

Turbo Tanja: „Ehrlich und taktvoll – sowohl im Leben als auch in der Musik“

(FOTO: KOSMO)

Tatjana Ilić ist ein Star, der mit ihrem musikalischen Können am Schlagzeug und ihrer einzigartigen Energie seit Jahrzehnten selbstlos Menschen Freude bringt. Alt und Jung kennen sie und nach so vielen Jahren im Beruf ist es endlich an der Zeit, sie näher kennenzulernen.

Tanja stammt aus einer Musikerfamilie aus dem Dorf Ratari in Serbien. Das Gen für Musik hat sie von ihrem Vater geerbt, der Saxophon spielte und als Choreograf und Musiker in einer Folkloregruppe arbeitete.

„Während mein Vater und meine Schwester übten, hämmerte ich als Kind im Rhythmus auf den Saxophonkoffer meines Vaters. Der entscheidende Moment war jedoch, als wir in unserem Dorf eine Hochzeit feierten, bei der ich zum ersten Mal Trommeln sah. Da war ich noch keine zehn Jahre alt. Ein Schlagzeuger bemerkte, dass ich zum Kolo im Rhythmus schlug und lud mich ein, mich ans Schlagzeug zu setzen. Er zeigte mir kurz, wo man treten und wo schlagen muss und ich habe sofort den richtigen Rhythmus erwischt. Mir hat das so gut gefallen, dass ich meinen Vater angefleht habe, mir Schlagzeug zu kaufen. Eine Woche später ging ich mit ihm auf Auftritte”, erinnert sich Tanja an ihre Anfänge vor 40 Jahren. Ihre Liebe zur Musik und der Wunsch, Schlagzeug zu spielen, hat Tanja nie verlassen. Es gab keine einzige Phase in ihrem Leben, in der sie ihre Entscheidung bereute. In Serbien spielte sie mit ihrem Vater und ihrer Schwester, die als Orchester „Vater und zwei Töchter” bekannt waren.

Später schrieb Tanjas Schwester die Musikakademie in Sarajevo ein, und Tanja beschloss, ihr zu folgen, damit sie weiter zusammen spielen konnten. Es dauerte nicht lange, bis sie in der neuen Stadt neue Kollegen fand, mit denen sie ihren Traum weiterleben konnte. „Ich habe mich nie geschämt, bei Gigs zu fragen, ob ich ein bisschen spielen darf. So habe ich es im Restaurant ’Sarajevo’ gemacht, wo ich dann die berühmte Sängerin Hasiba Agić kennengelernt habe. Sie verband mich mit Azra, die damals Bassgitarre spielte, und wir beide gründeten eine Frauenband, bestehend aus sechs Frauen. Zuerst haben wir in Bosnien gespielt und dann in Deutschland. Wir hatten riesigen Erfolg.”

Turbo Tanja aus dem „Lepa Brena”
Kurz nachdem die durch ganz Bosnien und Deutschland tourten, begann der Zerfall Jugoslawiens. Tanja kehrte in ihr Heimatdorf zurück und spielte dort weiter. Anfang 1991 kam sie erstmals als Touristin nach Österreich. Ihr Wunsch war es, arbeitsbedingt ein Visum zu bekommen und dort zu bleiben. „Ich habe es damals leider nicht geschafft, ein Visum zu bekommen, also bin ich nach Serbien zurückgekehrt. Aber in Österreich habe ich ein paar Musiker kennengelernt und bin mit ihnen in Kontakt geblieben. Anfang 1994 bin ich wieder gekommen, diesmal nach Innsbruck, dort habe ich meine erste Arbeitserlaubnis bekommen und meinen Ehemann kennengelernt”, erzählt uns Tanja mit Funkeln in den Augen. Obwohl alle Fans von Balkan-Musik und Cafés in Wien wissen, wer Turbo Tanja ist, so wissen nur wenige, warum sie sich Turbo nennt?

„Ich möchte der jüngeren Generation zeigen, dass es Spaß auch ohne Drogen gibt“

Turbo Tanja

„Bevor ich mit meinem Ehemann zusammenkommen bin, waren wir Kollegen und gute Freunde. Er hat uns Anfang der 90er einen Turbo-Golf gekauft. Das Auto haben wir gern für interne Späßchen herangezogen. Ende 1994 kam ich alleine nach Wien und begann im ’Lepa Brena’ zu arbeiten. Dank dem Besitzer, Milenko, ist mir gelungen mein Visum zu verlängern. Unser Wort war damals ’turbo’ und so wurde ich die Turbo Tanja aus dem ’Lepa Brena’.”

Turboenergie
Tanja war damals wirklich turbo: neben dem „Lepa Brena” spielte sie noch in ein paar anderen Cafés gespielt – sowohl an den Wochenenden und wochentags. Pausen, Ruhe oder Müdigkeit von der Musik kannte sie nicht. Sie war immer voller Energie und bereit, hinter ihrem Schlagzeug zu stehen.


„1998 habe ich eine kleine dreimonatige Pause gemacht, da ich damals Mutter wurde. Ansonsten war ich buchstäblich bis zur Geburt am Schlagzeug. Und seit 1999 komm ich aus dem ’Brena’ nicht mehr heraus”, lacht die Mutter einer 23-jährigen Tochter, von der sie sagt, dass sie ihre Liebe zur Musik nicht geerbt hat – ihre Energie sehr wohl.
Was Turbo Tanja von anderen Musikern in Wien unterscheidet, ist zweifellos ihre Energie, die nicht nachgelassen hat. Tanja strahlt nicht nur auf der Bühne, sondern auch in anderen Lebensbereichen. Sie selbst sagt, dass Menschen mit solcher Energie einfach geboren werden. Neben Gigs am Wochenende arbeitet Tanja von Montag bis Freitag bei der Firma Attensam, wo sie überglücklich ist. „Ich habe keine Angst und schäme mich nicht, auch einfache Jobs anzunehmen. Mir ist bewusst, dass ich eine Person des öffentlichen Lebens bin und die Leute mich erkennen, aber bisher hat mir noch niemand etwas Negatives zu mir gesagt, weil ich neben der Musik auch putze. Ganz im Gegenteil – die Leute sind begeistert, weil ich mein Leben ehrlich und authentisch lebe”, sagt Tanja stolz.

(FOTO: KOSMO)

„Ich werde nie vergessen, wie ein Mädchen im Club auf mich zukam und sagte, dass ihre Großmutter und ihr Großvater, ihre Eltern mich kennen und sie eben jetzt auch. Meine langandauernde Karriere ist mein größter Sieg. Ich möchte meine positive Energie und meinen gesunden Geist an die jüngeren Generationen weitergeben. Ich möchte ihnen zeigen, dass gesunden und natürlichen Spaß ohne Alkohol und Drogen gibt.” Nichts kann Tanja erschrecken oder ermüden, nicht einmal eine Coronavirus-Pandemie. „Ich habe das Schlagzeug in die Wohnung gestellt und dort gespielt”, lacht Tanja.

Authentizität ist der Schlüssel
Beim Betreten des „Lepa Brena” fällt sofort auf, wie Tanja, obwohl sie hinter dem Schlagzeug sitzt, aufmerksam die Situation in der Bar beobachtet. Und sie beobachtet sie nicht nur, sondern beeinflusst sie mit ihrer Energie, ihrem Lächeln und Witzen positiv. Wir fragten uns, ob dies ihr Überlebensmechanismus in einer von Männern dominierten Welt war. „Meine Beobachtungsgabe ist phänomenal! Mein Vater hat mir beigebracht, die Menschen um mich herum zu betrachten und einzuschätzen, in welche Kategorie sie fallen. Er sagte mir auch, ich solle alle gleichbehandeln. Ich bin immer ehrlich und authentisch und deshalb hatte ich einen sehr guten Lebensweg. Ich bin, was ich bin, und habe keine Angst. Das Wichtigste für Frauen ist, natürlich zu sein und nichts vorzutäuschen. Sei einfach ehrlich und taktvoll – sowohl in der Musik als auch im Leben.”