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INTERVIEW

Dejan Petrović: Der ungeschlagene Guča-Meister

FOTO: NVP

TALENT. Der Klang der Trompete lässt niemanden unberührt. Und besonders, wenn auf diesem Instrument authentische Meisterwerke gespielt werden, wie dies der mehrfache Gewinner der weltbekannten Guča, Dejan Petrović, tut. Der Botschafter der serbischen Trompete, wie ihn viele zu Recht nennen, kommt mit seiner Big Band am 17. Juni nach Wien, um zu zeigen, dass der „Moravac“ auf der Trompete ebenso schön klingt wie auch viele internationale Hits.

KOSMO: Sie stammen aus einer musikalischen Familie, wo das Talent und die Liebe zur Trompete von Ihrem Urgroßvater bis zu Ihnen weitergegeben wurden. Und Sie hat zusätzlich das Schicksal getroffen, wahrzumachen, was Ihnen ihr Vater, der berühmte Trompeter Mića Petrović, in seinem Vermächtnis aufgetragen hat, nämlich ihn nicht zu blamieren…?
Dejan Petrović:
Ja, zusätzlich zu allem anderen war das eine zusätzliche „Bürde“, um es so auszudrücken. Über jede Entscheidung mit Bezug auf die Musik und den Beruf habe ich unzählige Male nachgedacht. Ich habe mich bemüht, die Dinge aus allen Blickwinkeln zu betrachten, und mein Gedanke war immer: „Was hätte mein Vater in dieser Situation getan?“

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MITTEN INS HERZ.Sieger des Wettbewerbs „Erste Harmonika“ des ehemaligen Jugoslawien, Leiter eines eigenen Orchesters bei „Grand Produkcija“ und erster Harmonikaspieler bei Konzerten der größten Namen unserer Musikszene.

 

 

Sie haben Ihren Vater früh verloren, schon mit 12 Jahren. Was hat das für Sie bedeutet?
Nichts Gutes, auf jeden Fall. Das ist etwas, das ich niemandem wünschen würde… Ich war noch ein Kind, als das passiert ist, ich habe die ganze Situation gar nicht richtig verstanden. Klar war nur, dass sich meine ganze Welt in einer einzigen Nacht verändert hatte und dass manche Dinge nie wieder sein würden, wie sie waren. Er später, als ich größer wurde, habe ich durch die Arbeit und andere, ganz alltägliche Dinge begriffen, wie sehr mir mein Vater fehlt und wie viel einfacher viele Dinge gewesen wären, wenn er da wäre. Aber gut… es musste trotzdem weitergehen, ich wollte das, was er gemacht hatte, bewahren und fortsetzen und die Erinnerung an ihn pflegen. Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass er bei mir ist. Daraus habe ich die Kraft für alle Anforderungen des Lebens gezogen und … wer weiß, vielleicht wäre ich gar nicht da, wo ich bin, wenn das alles damals nicht so gekommen wäre.

Sie hatten auch die Belastung, finanziell für die Familie sorgen zu müssen, und konnten niemals eine Musikschule besuchen, aber trotzdem haben Sie es geschafft, eine Ausbildung als Elektrotechniker abzuschließen. Wie haben Sie damals Geld verdient?
Es stimmt, dass ich niemals in eine Musikschule gegangen bin, aber ich habe Privatstunden bekommen, und zwar aus den Einnahmen aus meinen Auftritten. Mein Bruder und ich haben in einem Orchester gespielt und unsere ganze Familie hat davon gelebt.

Der Balkan, als Wiege des bekannten Trompetenfestivals in Guča, ist dafür bekannt, dass er gegenüber dem Klang der Trompete überhaupt nicht gleichgültig ist. Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht Trompeter wären?
Ehrlich gesagt hatte ich nie irgendeinen anderen Gedanken. Seit meiner Geburt sind die Trompete und die Musik Teil meines Lebens und ich hatte wirklich nie irgendeinen Zweifel daran, was ich in meinem Leben machen würde.

FOTO: NVP

Sie sind aber dennoch kein klassischer Trompeter der (nur) den „Moravac“ und den „Užicer Reigen“ spielt. Sie haben Ihre Big Band, mit der Sie verschiedene Stücke aufführen: von den Klängen der Šumadija bis zu verschiedenen internationalen Pop- und Rock-Hits. Woher stammt die Idee, traditionelle und moderne Klänge miteinander zu verbinden?
Auch hier liegen die Wurzeln der Idee wieder in der Arbeit meines Vaters. Er hat mit seinem Orchester schon ähnliche Sachen gemacht. Mitte der 90-er Jahre hat er ein Album (damals noch eine Kassette) mit Bearbeitungen ausländischer Nummern, Filmmusiken etc. aufgenommen. Ich war damals noch sehr jung, aber es hat mir sehr gefallen. Später, als ich mein Trompetenorchester gegründet habe, waren all diese Nummern in unserem Repertoire und die Menschen haben es immer genossen, uns zuzuhören. Schon damals wusste ich, dass ich in diese Richtung tiefer eintauchen wollte. Und wie Sie gesagt haben, dies ist der Balkan, darum gab es demgegenüber auch viele Vorurteile, aber ich hoffe, dass wir gezeigt haben, dass der „Moravac“ auf der serbischen Trompete ebenso gut klingen kann wie jede beliebige Nummer irgendeines anderen musikalischen Genres.

Sie sind mehrfacher Gewinner der Guča, aber auch Träger anderer angesehener Auszeichnungen. Welche ist (oder war) Ihnen die wichtigste?
Mir sind wirklich alle wichtig, jede birgt irgendeine Erinnerung, aber vielleicht ist eine meiner liebsten ein Preis aus dem Jahr 2010. Damals wurde in Guča zum ersten Mal ein „internationaler Wettbewerb“ ausgetragen und ich hatte bereits beschlossen, dass ich in diesem Jahr zum letzten Mal an dem Wettbewerb teilnehmen wollte. Wir traten in der „einheimischen“ Konkurrenz an und am folgenden Tag in der Konkurrenz der ausländischen Orchester und wir gewannen die Preise für das „beste Orchester“ und für die „erste Trompete der Welt“, sodass mir diese beiden Auszeichnungen besonders am Herzen liegen, denn sie kamen gerade in dem Moment, in dem ich beschlossen hatte, mit den Wettbewerben aufzuhören.

Stimmt es, dass Sie als Teenager erklärt haben, es würde Ihnen nicht leidtun, in dem Moment zu sterben, in dem Sie ein Konzert mit Ceca geben würden? Das ist dann ja schon bald geschehen, aber Sie sind noch immer äußerst lebendig…
Mehr oder weniger stimmt das (lacht)! Damals war ich 17 und hatte mein Trompetenorchester. Ich weiß noch… Es war mitten im Sommer und Cecas Konzert in Makarska wurde groß beworben. Ich saß im Zlatibor mit einem Freund und wir sahen diese Ankündigung und begannen im Gespräch zu schätzen, wie viele Menschen dorthin kommen könnten. In jedem Fall wussten wir, dass es 100.000 Leute oder mehr sein würden, und ich habe mir das tief in mir vorgestellt, dieses Bild, wie es genau aussehen würde, wenn du so viel Publikum vor dir hast. Und damals habe ich auch gesagt, dass es mir nicht leidtäte zu sterben, wenn ich vor so vielen Menschen spielen könnte.

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Mit 21 Jahren haben Sie geheiratet. Viele würden sagen, dass das sehr früh ist. Immerhin sind Sie Jahrgang 1985. Was sagen Sie dazu?
Ich glaube nicht, dass das zu früh ist, zumindest nicht in meinem Fall. Auch wenn ich Jahrgang 85 bin, war ich bei meinem 21. Geburtstag aufgrund der Umstände bereits eine reife Persönlichkeit, und zwar eine sehr reife. Ich wusste, dass Branka die Richtige war… Woher? Das lässt sich schwer beschreiben. Solche Dinge spürt man einfach. Sie erkennen, dass das die eine ist, die sie ergänzt und besser und wertvoller macht. Das haben wir beide gespürt und daher haben wir nicht gezögert, unser gemeinsames Leben zu beginnen.

Im Juni kommen Sie zum ersten Mal in die österreichische Hauptstadt. Was erwarten Sie vom Wiener Publikum?
Zu meiner großen Freude, ja! Wir erwarten nur gute Energie und Liebe zur Musik, und das werden wir verdreifacht zurückgeben.

Sie sind ständig von Musik umgeben, entweder beim Spielen oder beim Komponieren. Was hören Sie gerne, wenn Sie nicht (Ihre) Musik hören: andere Musik, das Rauschen der Meereswellen, (vielleicht) das Schimpfen Ihrer Frau oder das Lachen Ihrer Tochter…?
Meine Musik höre ich am wenigsten, und wenn ich mich wirklich entspanne, bin ich gerne in der Natur und höre alles, was man in der Natur so hören kann. An anderer Musik höre ich zu viele verschiedene Dinge und Stile, um sie jetzt hier aufzuzählen, aber alles ist von der Situation abhängig und davon, wie ich mich in dem jeweiligen Moment fühle.

Kurz & knackig
Wenn ich nicht Trompeter wäre, wäre ich… Trommler.
Die Aufgabe des Musikers ist es, … seine Arbeit zu lieben.
Das beste Antidepressivum ist … das Spielen mit Kindern.
Mein unerfüllter Traum ist … eine Welttournee.
Der Moment des größten Glücks… die Geburt meiner Tochter Jovana.
Der Moment der größten Trauer… der Tod meines Vaters.