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KULTUR

Skandal – Bosnische Intelektuelle vergleichen Andrić mit Hitler

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(FOTO: zVg./Wikicommons)

Einer der größten jugoslawischen Literaten, der Nobelpreisträger Ivo Andrić, wurde kürzlich wegen seiner angeblichen nationalistischen, orientalistischen und kultur-rassistischen Einstellung gegenüber Bosnien heftig kritisiert.

Bei der Präsentation des Buches „Andrićevstvo: Protiv etike sjećanja“ von Rusimir Mahmutćehajić im Mostarer Kulturzentrum wurde heftige Kritik an Andrićs Einstellung gegenüber Bosnien geübt.

Der Politiker der SDP, Nerin Dizdar, bezeichnete Andrić als dekadenten Intelektuellen, welche in all seinen Werken nur die Türken, Muslime und den Islam unterstrich. Weiters würde der Nobelpreisträger von großen Schrifstellern unserer Zeit, wie Ivan Lovrenović und Miljenko Jergović gedeckt werden, was das Aufdecken des großen Rassismus in seinen Werken verhindern würde.

Argumente wie, Andrić wäre intelligent gewesen, weshalb er kein Nationalist sein könne, seien laut Dizdar gehaltslos, da auch Adolf Hitler, Dobrica Ćosić und Vojislav Šešelj mehr als klug gewesen seien. Nach dem Vergleich mit Hitler ging der Politiker sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnete zahlreiche der Werke Andrićs zum Ziel hätten einen „Genozid an Bosniaken“ zu betreiben.

Dieser Schlussfolgerung schlossen sich auch andere Teilnehmer der Buchpräsentation an, welche unter anderem in dem literarischen Opus des Nobelpreises als „großes antibosnisches und großserbisches Projekt“, bezeichneten in welchem Bosniaken als Störfaktor beschrieben werden würden.

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Am 10. Dezember 1961 erhielt einer der größten jugoslawischen Schriftsteller, Ivo Andrić den Nobelpreis für Literatur. Seine Rede zählt bis heute zu den zumeist zitierten Ansprachen vom Balkan.

Immerwährendes Hick-Hack
Andrić gehört zu den größten Schriftstellern des ehemaligen Jugoslawiens und ist seit dessen Zerfall immer ein großer Streitpunkt zwischen den Nachfolgestaaten Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien gewesen. Jedes dieser Länder stellt „Besitzansprüche“ an das kulturelle Erbe des Literaten und möchte es ganz exklusiv als Teil der jeweiligen Kulturgeschichte bezeichnen.

Allerdings zeigt sich die bosniakische intelektuelle Elite in den vergangenen Jahren vermehrt als großer Andrić-Kritiker, welche in dem Nobelpreisträger einen Islamo- bzw. Bosniakophoben sehen, welcher ideologisch liquidiert werden müsse.

Es ist genau die oben genannte Problematik, welche Andrić zu einem begehrten Mittel macht, mit welchem heutige politische Diskrepanzen oder Streitigkeiten ausgetragen werden.

Diese Meinung teilt auch der Universitätsprofessor Vahidin Preljević und spricht davon, dass alle Seiten Ivo Andrić durch ideologisches und „falsches“ Lesen, zu einem „phantomhaftes Monster“ machen würden. Genau jene Fehlinterpretation würde die Geschichte im Nachinein verfälschen und hätte unter anderem dazu geführt, dass die Werke des Nobelpreisträgers für die Propaganda während des Jugoslawienkrieges benutzt wurden.

Allerdings vergessen viele, dass genau jene Punkte, welche dem Schriftsteller angekreidet werden, zu seinen Lebenszeiten zum größten Teil für ihn gar kein Thema waren, dazu gehört unter anderem die Frage, ob er nun Bosnier, Serbe oder Kroate sei.