Priv.-Doz. Mag. Dr. Mihailo Popović, gebürtiger Österreicher serbischer Herkunft, arbeitet an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Institut für Mittelalterforschung, Abteilung Byzanzforschung). Neben seinem eigentlichen Forschungsgebiet interessiert er sich seit langem für die Geschichte der Wiener SerbInnen. Aus diesem großen Interesse ist heuer ein Projekt in Zusammenarbeit mit seinem studentischen Mitarbeiter, Zlatan Stojadinović, entstanden, das aufgrund vieler Aspekte als pionierhaft bezeichnet werden kann. Dank der innovativen, technischen Methoden stellt es einerseits einen sehr wichtigen und großen Schritt seitens der Wissenschaft Richtung Öffentlichkeit dar, andererseits leistet es einen enormen Beitrag zur Erforschung der Geschichte der Serben in Wien.
KOSMO: Wie ist die Idee für das Projekt entstanden und worum geht es?
Mihailo Popović: Das Projekt ist entstanden, weil ich an der Universität Wien unterrichte und ich immer wieder Studierende mit Migrationshintergrund habe. Sehr viele stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien, und mein Anliegen war immer, dass ich diese jungen Menschen betreue und sehe, wer welche Interessen, Qualifikationen, Sprachkenntnisse usw. hat. Dann suche ich verschiedene Sektoren, die mich wissenschaftlich auch interessieren, die nicht so gut aufgearbeitet sind, um zusammen mit den StudentInnen an ihnen zu arbeiten.
Eine solche Zusammenarbeit ist eben dieses Projekt, für welches die MA 7 der Stadt Wien eine Projektschiene bzw. Projektausschreibung ins Leben gerufen hat. Dort konnte man sich mit einem Wien-relevanten Thema bewerben.
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„Wir wollen zeigen, dass die gemeinsame Geschichte von Wien bzw. Österreich und Südosteuropa viel länger dauert und nicht erst seit der Gastarbeiterbewegung besteht. Viele vergessen oder wissen nicht, dass viele Südslawen in der Monarchie gelebt haben.“
Was sind die Hauptziele der Forschung?
Wir wollten uns zunächst auf die orthodoxen Serben fokussieren. Das heißt, dass es zunächst nicht um die gesamte Orthodoxie, sondern um die Serben in Wien oder um Wiener Serben von 1741 bis 1918 geht. Das Ziel ist, deren Spuren zu erfassen. Wir wollen zeigen, dass die gemeinsame Geschichte von Wien bzw. Österreich und Südosteuropa viel länger dauert und nicht erst seit der Gastarbeiterbewegung besteht. Viele vergessen, oder wissen nicht dass viele Südslawen in der Monarchie gelebt haben. Zusammengefasst handelt es sich um eine Spurensuche nach den Serben in Wien, vor allem des 19. Jhdts. Ich bin sehr dankbar, dass die MA 7 der Stadt Wien das Projekt bewilligt hat, weil es nicht selbstverständlich ist.
Wie gehen Sie auf die Spurensuche, anhand welcher Methoden?
Ich habe im Rahmen meiner mittelalterlichen Forschungen eine Datenbank zusammen mit drei Software Spezialisten – Herrn Watzinger, Herrn Koschicek und Herrn Eichert – erfasst. Diese Datenbank kann Personen, Ereignisse, Orte und Quellen erfassen und miteinander verlinken. Viele der Daten in diesem aktuellen Projekt stammen aus verschiedenen Archiven (Wiener Stadt- und Landesarchiv, Archiv der Republik Österreich). Der Benutzer wird auf einem Geoportal zu Projektende Informationen über die Wiener Serben abfragen können.
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Im Jahr 1781 verkündete Kaiser Joseph II das Toleranzpatent, welches die Religionsausübung innerhalb der Monarchie reformierte und Minderheiten mehr Rechte zugestand.
Menschen, die nach Wien kommen und sich für die Geschichte interessieren, werden die Möglichkeit haben, auf eine Spurensuche zu gehen und die wichtigsten Orten abzugehen, auch wenn es keine Denkmäler oder Gedenktafeln gibt.
Was kann man mit dem Geoportal über die Wiener Serben erfahren?
Bei diesem Projekt geht es nicht um eine riesige Biographie der Wiener Serben, sondern es geht darum, dass man die Beziehung zu Wien sehen kann. Wann sind diese Menschen nach Wien gekommen, was haben sie hier gemacht, was haben sie studiert, wo haben sie komponiert/gemalt etc. und, vor allem, wo haben sie in Wien gelebt? Darüber hinaus wird es Bilddaten von den Gebäuden von außen im öffentlichen Raum geben, die heute immer noch stehen. Wenn wir die genauen Adressen recherchiert haben, werden die Gebäude fotografiert und in die Datenbank miteinbezogen. So werden Menschen, die nach Wien kommen, auf eine Spurensuche gehen und alles besichtigen können, was mit jeweiligen Personen verbunden ist, auch wenn es keine Denkmäler oder Gedenktafeln gibt.
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