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GESCHICHTE

Balkan Stories: Eine, die gekommen ist, um zu bleiben

Ein zweites Standbein

Juliet hat in Sarajevo ihre künstlerische Ader zum zweiten Standbein gemacht. Die Absolventin einer australischen Schule für Metallkunstwerk entwirft unter dem Label „Monster And Lizard“ Schmuck.

Sie kombiniert klassische bosnische Motive mit zeitgenössischem Design. Dem selben Prinzip folgt eine von ihr entworfene T-Shirt-Kollektion, die sie unter dem gleichen Namen in der Wäscherei verkauft. Die T-Shirts haben sich zu beliebten Souvenirs entwickelt.

Eine neue Leidenschaft sind Džezve, die Kännchen, in denen türkischer Kaffee zubereitet wird. Juliet dekoriert Rohlinge und will sich bald daran machen, die Kännchen ganz selbst herzustellen. Händisch, versteht sich. „Die meisten Rohlinge, die man hier zu kaufen kriegt, sind maschinell erzeugt, die Džezve werden nur händisch mit Stempeln und durch Hämmern dekoriert. Es gibt nur mehr ganz wenige Handwerker in der Stadt, die die Kupferkännchen tatsächlich selbst herstellen“, erzählt sie.

Große Probleme und kleine Verbesserungen

Fürs Auswandern nach Bosnien hätte Juliet sich freilich einen besseren Zeitpunkt aussuchen können. Bosnien hat sich immer noch nicht von der Wirtschaftskrise 2008 erholt. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mehr als 40 Prozent.

Die Politik trage wenig bei, die Lage zu verbessern, sagt Juliet. „Ich denke, dass sich politisch gesehen viel verändern muss. Sinnlose nationalistische Rhetorik behindert den Fortschritt und Korruption scheint es auf jeder Ebene zu geben. Es wäre schön, wenn es zum Beispiel bessere Verkehrsinfrastruktur geben würde, vor allem bei der Bahn. Das würde Reisen für uns viel einfacher machen und natürlich auch für Touristen.“

Allerdings, es gibt kleine, langsame Verbesserungen. „Gerade bei den Kleinunternehmen gibt es mehr Vielfalt und es gibt ein größeres Warenangebot, vor allem beim Essen. Es gibt auch Anfänge eines gesellschaftlichen Wandels, aber das ist ein langsamer Prozess.“

Vielleicht wird Juliet die Früchte dieses Wandels einmal genießen können. Sie ist gekommen um zu bleiben. Und will auch die letzte Formalität erledigen, die sie von ihren Mit-Bosnierinnen und -Bosniern trennt. „Noch habe ich keinen Anspruch auf die bosnische Staatsbürgerschaft. Aber wenn es soweit ist, werde ich sie sicher beantragen.“

Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.