Die Journalistin Una Hajdari hat mir ihr Prishtina gezeigt. Reportage einer kritischen Führung durch vergessene Utopien, verwehte Träume und neue Mythen.
Der neue Kosovo muss sich zeigen. Mit Symbolen. Mit Gründungsmythos. Es darf kein Zweifel bestehen, dass die ehemalige serbische Provinz ein eigener Staat ist.
Ein Staat mit neuer politischer Elite. Ein Staat der Albaner, nicht der Slawen. Gleichwohl letztere – nach offizieller Darstellung zumindest – gleichberechtigt an ihm teilhaben dürfen.
Neuer Gründungsmythos mit Übervater Ibrahim Rugova und Nationalistenkitsch gehen fast nahtlos ineinander über, territoriale Ansprüche und der Appell an europäische Brüderlichkeit werden gleichzeitig und am gleichen Ort formuliert.
Die großalbanische Landkarte am Skenderbeg-Monument und der Legostein, der den Kosovo als Baustein eines neuen Europa darstellen soll, liegen keine hundert Meter voneinander entfernt.
Mit diesem Paradoxon unterscheidet sich der Kosovo freilich wenig von den anderen Nachfolgestaaten Jugoslawiens.
Auch in Wien, Berlin oder Paris gibt es haufenweise historische Symbolik von National- und Machtbewusstsein. Nur sind diese Städte größer und der Kitsch meist besser verteilt.
Der Boulevard der Geschichte
Skenderbeg, Rugova und Legostein liegen am Anfang des Bulevardi Nënë Tereza.
Benannt ist er nach Anjezë Gonxhe Bojaxhiu. Sie ist die neue Stadt- und Landesheilige, Katholiken und Muslimen gemein als Projektionsfläche und vielleicht auch als Ablenkung.
Auf dieser Straße ballt sich die Geschichte des Kosovo. Schattenseiten inklusive.
Neben dem Nationaltheater steht das ehemalige Hotel Union. Heute ist dort eine Filiale der italienischen Bekleidungskette Benetton untergebracht.
Während des Zweiten Weltkriegs war das Hotel Treffpunkt der faschistischen Kolloborateure, erzählt mir Una.
Auch das Andenken an Anjeze Bojaxhiu dient der nationalen Selbstvergewisserung. Am Boulevard, der ihren Künstlernamen trägt.
Und in der Kathedrale, die am Tag vor unserer Tour offiziell eröffnet wurde. Auch sie wurde nach der Nonne mit dem bitteren Gesichtsausdruck benannt.
Die nationalistische Symbolik dieser Kirche ist eine eigene Geschichte wert, die später hier erscheinen wird.
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