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GESCHICHTE

Balkan Stories: Zehn Hektar Kosovo

(Foto: Balkan Stories)

Kragujevac in Serbien hat einen herrlichen kleinen Markt, das Marktcafe eine misstrauische Kellnerin. Nicht alle Zigaretten sind versteuert. Ich werde für einen Griechen gehalten. Irfan hat einen schwarzen Vater, Liljana einen weißen. Reportage.

Die Kellnerin kassiert im Vorhinein ab bei mir.

„Entschuldige“, sagt sie, „dass Gäste gehen ohne zu bezahlen.“

Sie hat knallrote, mittellange Haare.

Es ist gegen halb acht in der Früh und ich trinke am Markt in Kragujevac einen türkischen Kaffee und ein Mineralwasser.

Im Zastava-Kombi bringt ein Mann seiner Frau Rosenstöcke.

In welchem Auto soll er auch sonst kommen?

Die Fabrik ist von hier keine 250 Meter entfernt.

Einst war sie der größte Arbeitgeber in der 150.000 Einwohner-Stadt Kragujevac.

Einige Händler huschen an mir vorbei ins gleiche Gebäude, wo das Marktcafe untergebracht ist.

Sie haben ihre Lager im ersten Stock des Hauses.

Der Kaffee und das Mineralwasser kosten 60 Dinar. Das sind etwa 50 Cent.

Ein alter Mann breitet seine Ware am Ende des Marktes am Boden vor den Mülltonnen aus. Es ist Kleidung.

Gegenüber dem Cafe sind zwei offizielle Markststände mit Bekleidung.

Der Markt wacht auf, die Tomate bleibt heil

Einer gehört einem älteren Paar.

Sie packen die Ware aus.

Jede Bluse, jedes Hemd, jede Jacke hängen sie auf einem Kleiderbügel aus.

Sie breitet den Rest sorgfältig am Verkaufstisch aus, meist sind es T-Shirts und etwas Unterwäsche sowie Socken.

Das machen die beiden jeden Morgen.

Wahrscheinlich ein Zuverdienst zu einer kargen Pension.

Anders als der alte Mann mit seinem improvisierten Stand können sie sich die Marktgebühren leisten.

Der Stand daneben sieht etwas fertiger aus. Hier arbeiten Vater und Sohn.

Der Vater ist ein Rom, Mitte bis Ende 30. Er holt sich und seinem halbwüchsigen Sohn Nescafe im Plastikbeacher aus dem Cafe.

Ein Mann zwischen 40 und 50 marschiert mit einem Kübel Erdbeeren vorbei.

Der Henkel hüpft auf einer Seite aus dem Loch.

Der Inhalt des Kübels ergießt sich auf die Straße.

Er flucht nicht einmal.

Nur seiner Frau entschlüpft ein „Ah ja der Kübel. Musste ja passieren“.

„Was hast du nichts gesagt“, gibt er unwirsch zurück.

Unter die Erdbeeren hat sich eine große Tomate gemischt. Sie bleibt heil. Nicht alle Erdbeeren haben dieses Glück.

Nachdem der Kübelbesitzer die heil gebliebenen Erdbeeren und die heilgebliebene Tomate zurück in den Kübel geschaufelt hat, bleibt ein großer roter Fleck am Asphalt.

Kerzen, Kirche und eine schweigsame Kellnerin

Die Standlerin gleich neben dem Schanigarten des Cafes wartet auf ihren ersten Kunden.

Sie hat Kerzen im Angebot. Kerzen für die Kirche, um genauer zu sein.

Gläubige entzünden sie hierzulande, wenn sie in eine orthodoxe Kirche gehen. Seit dem Ende Jugoslawiens tun sie das in großer Zahl.

(Foto: Balkan Stories)

Weniger Gläubige tun das auch, wenn sie aus welchen Gründen auch immer in eine orthodoxe Kirche gehen.

Es schadet nicht, wenn man im heutigen Serbien gesehen wird, wenn man bei religiösen Ritualen mitmacht.

Die Kirchenbesucher brauchen immer mehrere Kerzen für ihre Besuche. Mindestens zwei sollten sie mithaben.

Sie stecken sie in Becken, die in Nischen beim Eingang sind.

Die Kerze im oberen Becken ist für die Lebenden. Die im Unteren für die Toten.

Vielleicht ist es auch umgekehrt.

Für die Kerzenhändlerin ist die neue Machtstellung der orthodoxen Kirche in Alltagsleben und Politik ein guter Teil ihrer Geschäftsgrundlage.

Die teuersten Kerzen kosten bei ihr 2,5 Euro. Sie sind gut 30 Zentimeter lang.

Die meisten Händler haben ihre Ware auf den Ständen adrett hergerichtet, auch auf den nicht angemeldeten.

Zeit für einen kurzen Kaffee, bevor die Kunden nicht mehr einzeln hereintröpfeln sondern in größerer Zahl kommen.

Die Kellnerin ist nicht übermäßig kommunikativ.

Die allermeisten ihrer Gäste sind Marktverkäufer. Die wollen in ihren kurzen Pausen nicht plaudern. Das färbt ab.

Im Inneren des Lokals hängt Draža Mihailović zwischen alten Werbeplakaten für Moretti, Zaječarsko und Laško.

Bei den Gästen drinnen kassiert sie nicht ab.

Auch Marktstandler, die sich drinnen einen Kaffee für den Stand holen, müssen nicht sofort zahlen.

Man kennt einander.

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