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Asylpolitik

Begutachtungsphase: Familiennachzug soll schrittweise bis 2026 gestoppt werden

Flüchtlinge in Slowenien – Österreich Grenze, 19. November 2015
FOTO: iStock/vichinterlang

Österreich zieht die Notbremse beim Familiennachzug. Nach einem deutlichen Anstieg auf 17.000 Personen in zwei Jahren setzt die Regierung nun eine Beschränkung durch.

Die Bundesregierung hat am Dienstag die angekündigte Verordnung zum Stopp des Familiennachzugs in die Begutachtungsphase geschickt. Wie bereits Ende April vom Nationalrat beschlossen, setzt Innenminister Gerhard Karner nun die gesetzliche Grundlage um, nachdem die Koalitionspartner eine entsprechende Verordnung ausgearbeitet haben. Die Maßnahme soll schrittweise umgesetzt werden und ist vorerst bis September 2026 befristet.

In den vergangenen zwei Jahren verzeichnete Österreich einen erheblichen Anstieg beim Familiennachzug. Mehr als 17.000 Personen kamen auf diesem Weg ins Land, wobei es sich mehrheitlich um minderjährige schulpflichtige Kinder handelte, vorwiegend aus Syrien. Diese Entwicklung führte nach Regierungsangaben zu deutlichen Belastungen für das Bildungs- und Sozialsystem sowie für Integrationsmaßnahmen.

Rückgang durch Kontrollen

Bereits eingeleitete Maßnahmen zeigen offenbar Wirkung: Durch verstärkte DNA-Tests und intensivere Überprüfungen von Dokumenten an den österreichischen Auslandsvertretungen ist der Familiennachzug zuletzt stark zurückgegangen. Während im Jänner 2023 noch rund 1.000 Personen auf diesem Weg nach Österreich kamen, sank die Zahl im Jänner 2024 auf etwa 60 Personen.

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Parallel dazu verweist die Regierung auf einen signifikanten Anstieg bei Straftaten durch Minderjährige. Die Zahl der Anzeigen gegen Tatverdächtige zwischen zehn und 14 Jahren hat sich in den letzten Jahren verdoppelt und erreichte 2024 etwa 12.000 Fälle. Dabei liegt der Anteil nicht-österreichischer Tatverdächtiger bei 48 Prozent. Besonders auffällig: Die Anzeigen gegen syrische Tatverdächtige stiegen von 150 im Jahr 2020 auf rund 1.000 im vergangenen Jahr.

Umsetzung der Verordnung

Die neue Regelung kann durch Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss aktiviert werden, wenn eine Überlastung der Systeme festgestellt wird. Sie kann bei Bedarf verlängert werden. Während der Gültigkeit der Verordnung werden Entscheidungsfristen und Entscheidungspflichten für Einreiseverfahren nach dem Asylgesetz ausgesetzt, wobei für Härtefälle Ausnahmen vorgesehen sind.

Rechtliche Grundlage und Kritik

Am 8. Mai bestätigte der Bundesrat die vom Nationalrat beschlossene „Pause“ für die Familienzusammenführung. Die Regierung beruft sich dabei auf Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der es Mitgliedstaaten ermöglicht, bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung und inneren Sicherheit von EU-Asylrecht abzuweichen.

Menschenrechtsorganisationen äußerten bereits Bedenken. Amnesty International kritisierte die geplanten Einschränkungen als Verstoß gegen grundlegende Menschenrechte. Laut Staatssekretär Jörg Leichtfried sei jedoch eine Balance gefunden worden, die Rechtsstaatlichkeit und Europäische Menschenrechtskonvention berücksichtigt. Ausnahmeregelungen für Minderjährige und Fälle, in denen das Recht auf Privat- und Familienleben „zwingend geboten“ ist, bleiben bestehen.