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REPORTAGE

Bosnisches Gebirgspferd: Wiener Ehepaar kämpft für den Rassenerhalt

Untersuchungen von über 600 Pferderassen ha-ben eine Verbindung zwischen dem bosnischen Gebirgs- und dem Wildpferd gezeigt. (FOTO: zVg.)

Große Pläne
Die ersten Exemplare des Bosnischen Gebirgspferdes sollten bereits bis Ende des Sommers nach Österreich kommen. Die Bekićs suchen schon nach einem Gelände für ihr Gestüt, das ihren Pferden in Österreich ein ideales Zuhause bieten soll.

„Für den Anfang wird das im kleinen Ort Bockfließ unweit von Wien sein. Dort habe ich Geschäftspartner, die über mich das erste Mal von dem Bosnischen Gebirgspferd gehört haben. Mein Hobby ist auch das Bogenschießen zu Pferde, über das ich sie kennengelernt habe. Wir sind spontan über die Bosnischen Gebirgspferde ins Gespräch gekommen, ich habe ihnen Bücher mit weiteren Informationen mitgebracht und dann haben sie unser Gestüt in B-H besucht. Sie waren sehr beeindruckt von den Pferden, ihrer Lebensart, ihren effizient aufgeteilten Rollen in der Herde und auch von ihrer Offenheit gegenüber Gästen. Meine Partnerin Kerstin Pressel sagte sofort, dass man die Bosnischen Gebirgspferde nach Österreich bringen müsste, damit die Menschen sie kennenlernen. Diese Rasse wird bei Menschen, die gerne ein Pferd haben möchten, aber nicht allzu viel Zeit haben, sich darum zu kümmern, aufgrund ihres Körperbaus immer beliebter. Im Moment haben wir keine Bedingungen für Hengste, darum werden wir für den Anfang nur drei repräsentative Stuten aus drei verschiedenen Linien mitbringen: Una, die eine charakteristische graue Färbung hat und dem Tarpan, d.h. dem Wildpferd, am meisten ähnelt, dann Morina, die etwas arabisches Blut besitzt und etwas dunkleres Fell hat, und Vidra, die ich besonders mag, weil sie so gesellig, selbstbewusst und eine geborene Anführerin ist. Sie sind perfekt für die Arbeit mit Menschen, und ich glaube, dass sie den Österreichern das Bosnische Gebirgspferd auf die richtige Weise näherbringen werden“, erklärt Azra Bekić voller Enthusiasmus.

Die junge und unternehmungslustige Dame plant die Eröffnung eines Coaching- und Trainingscenters, in dem verschiedene pferdegestützte Programme stattfinden sollen.

„Das Ziel ist, den Menschen zu helfen, im Leben etwas zu erreichen, was ihnen jetzt noch zu schwierig erscheint: Grenzen zu setzen, ihre Kommunikation zu verbessern, Beziehungen im Team aufzubauen usw. Ich muss betonen, dass meine Programme sowohl für die berufliche als auch für die persönliche Entwicklung konzipiert sind. Ich habe auch ein Programm für Frauen entwickelt, „Einfach ich“, in dem wir für 24 Stunden aus unseren Alltagsrollen als Mütter, Hausfrauen, Ehegattinnen, Geschäftsfrauen etc… aussteigen. Wir kehren in die Zeit zurück, als Frauen in Gemeinschaften lebten und miteinander die ursprünglichen Werte teilten, die sie in sich trugen. Im Rahmen dieses Programms werden wir meditieren, Coaching mit Pferden haben und gemeinsam Pita backen, für die ich bereits eine Backhaube aus B-H mitgebracht habe. Wir schlafen in Mongolenzelten, waschen uns an einer Quelle und verbringen die Zeit im Einklang mit der Natur“, erfahren wir einen Teil der ambitionierten Pläne von Frau Azra.

Wenn die Pferde dem Menschen vertrauen, werden sie neugierig und spielerisch. (FOTO: zVg.)

Wir können von den Pferden lernen
Die Bekićs haben viel Geld in ihr Gestüt investiert, aber auch viel Liebe in die Beziehung zu ihren Tieren gesteckt.

„Von den Pferden können wir viel lernen, z.B. im Hier und Jetzt zu leben, denn ein Pferd denkt nie darüber nach, was im nächsten Moment passieren wird, sondern seine Energie ist absolut auf die Gegenwart gerichtet. Zum Beispiel vergeudet ein Pferd nie Zeit damit, Plätze mit saftigerem und grünerem Gras zu suchen, sondern es weidet dort, wo es eben ist. Das Pferd empfindet den Menschen als Führer und reagiert sofort nervös, wenn eine Person, die sich in seiner Nähe befindet, nicht ganz anwesend ist. In der Herde gibt es einen Hengst, der der Anführer ist, und eine führende Stute. Der Leithengst muss seine Stellung in der Herde jeden Tag von neuem bestätigen, was Menschen, die Unternehmen führen, oft nicht verstehen. Wenn junge Hengste heranwachsen, beginnen sie, die führende Rolle anzustreben, und es kommt zum Kampf. Interessant ist, dass der Hengst, der in diesem Kampf unterliegt, die Herde verlässt, denn er hat dort nichts mehr zu suchen. Wenn die Pferde ruhen, ist der Leithengst immer irgendwo in der Mitte oder im Hintergrund, während die Leitstute und ihre Stellvertreterin ganz vorne sind. Da sie einen besonders guten Gehör- und Gesichtssinn haben und im Unterschied zum Menschen auch nachts gut sehen, geben die Pferde, wenn sie bemerken, dass sich ihnen jemand nähert, diese Information untereinander weiter. In diesem Moment verändert sich die Dynamik in der Herde blitzschnell und der Hengst übernimmt die Führung. Er ist der, der beurteilt, ob die Person, die sich nähert, freundlich gesonnen ist oder nicht. Wenn es sich um jemanden handelt, dem sie vertrauen, werden sie alle verspielt und neugierig und gehen auf ihn zu. Wenn es jedoch jemand ist, der kein Vertrauen vermittelt, dann greift der Hengst zwar nicht an, aber er zeigt, dass der Ankömmling nicht willkommen ist“, so die Gesetze in der Herde, die Azra beobachtet hat.

Azra Bekić eröffnet ein Coaching- und Trainingscenter, in dem verschiedene pferdegestützte Programme stattfinden sollen.

Interesse auch im Ausland
Einzelne Exemplare des Bosnischen Gebirgspferds leben in verschiedenen kleinen Gestüten in Europa.

„In Deutschland gibt es ein Gestüt, dessen Besitzer überhaupt keine Beziehung zu B-H haben, außer dass sie einige bosnische Pferde halten. Aber sie haben unsere Traditionen über diese Tiere so sehr lieben gelernt, dass die Besitzerin bei Feierlichkeiten gerne eine bosnische Tracht trägt, die Pferde mit Schmuck verziert, wie ihn die Pferde früher bei uns getragen haben, und das alles mit Stolz vorführt. Neben diesen Pferden in Deutschland gibt es noch einige bosnische Pferde in zwei Gestüten in der Schweiz und in Holland. Aber ich bin stolz darauf, dass wir die meisten haben“, betont Azra.

Die Züchter stehen miteinander im Kontakt, kooperieren und tauschen ihre Erfahrungen aus, und das alles im Interesse des Bosnischen Gebirgspferds.

Die ersten Pferde kommen bis Herbst nach Österreich.

„Wir sind alle miteinander vernetzt, haben einen internationalen Verband, organisieren einmal im Jahr eine Versammlung und nehmen an Ausstellungen teil. Ich muss betonen, dass wir unter den Kollegen sozusagen die Pioniere in diesem Geschäft sind. Wir haben die Staffel übernommen und versuchen, den begonnenen Prozess in den kommenden Jahrzehnten weiterzubringen, damit diese Tiere überleben und damit es sie noch lange gibt. Man muss dem Bosnischen Gebirgspferd seine Bedeutung zurückgeben, es muss zu einer Marke werden, denn es ist ein Juwel unserer Region. Wir arbeiten mit allen modernen Erkenntnissen aus der Veterinärwissenschaft, die uns bei der Zucht und Vermehrung der Pferde helfen, und ich kann mit Sicherheit sagen, dass wir auf einem guten Weg sind“, betont Herr Bekić.

Wie sehr das Bosnische Gebirgspferd geschätzt wird, davon zeugt auch die Tatsache, dass Dr. Thomas Druml, ein bekannter wissenschaftlicher Mitarbeiter der Veterinärmedizinischen Fakultät in Wien, ein Buch zusammen mit MMag. Gertrud Grilz-Seger, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Tierzucht und Genetik der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Erstautorin dieser Monografie, darüber geschrieben hat. Allerdings ist er nicht der Einzige, der sich mit diesem Thema beschäftigt.

Die australische Forscherin Sharon May-Davis hat eine Untersuchung von über 600 autochthonen Rassen aus allen Weltgegenden durchgeführt, aber die genetischen und anatomischen Besonderheiten, die sie am Bosnischen Gebirgspferd festgestellt hat und die es mit dem Wildpferd verbinden, hat sie in keiner anderen Rasse gefunden. In einer Vorlesung, die sie einige Jahre danach in Sarajevo gehalten hat, sagte sie sehr deutlich, dass sich die Fachwissenschaftler gar nicht bewusst sein, welchen Schatz wir besitzen. Leider schauen die Öffentlichkeit und die Fachwelt gleichgültig zu, wie dieser Schatz allmählich ausstirbt.

„Wir sind nur ein Glied in der Kette, und wir hoffen, dass wir irgendwann eine viel bessere Situation hinterlassen werden, als wir anfangs vorgefunden haben“, so klingen die vielversprechenden Worte von Amir Bekić.

Wissenswertes:
Das Bosnische Gebirgspferd taugt von seiner Konstitution her nicht zum Rennpferd, aber…
„Früher wurden in Butmir bei Sarajevo und im Gestüt Borike Rennen der Bosnischen Gebirgspferde veranstaltet, aber das ist lange her. Allerdings hat ein Mädchen aus Visoko eine Stute aus der Linie Una, mit der sie Springreiten betreibt und fantastische Ergebnisse erzielt. Das ist für mich ein Beweis, dass jedes dieser Tiere seine Besonderheiten hat, ebenso wie wir Menschen. Diese Stute hat in einem Bereich, für den unsere Rasse überhaupt nicht geschaffen ist, neue Standards gesetzt. Unsere Pferde sind sonst sehr ausdauernd im Tourenreiten, da macht ihnen niemand etwas vor“, erzählt Azra Bekić.