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INTERVIEW

„Das Impfpflichtgesetz ist so flexibel, wie das Virus selbst”

(FOTO: KOSMO/Bojan Stekić)

Wir sprachen mit dem Bundeskanzler ­­­­ Karl Nehammer (ÖVP) über die eingeführte Impfpflicht, epidemiologische Situation im Land und über seine neue Position in der Bundesregierung.

KOSMO: Herr Bundeskanzler, wie geht es Ihnen nach Ihrer Covid-Erkrankung?
Karl Nehammer: Ja, Gott sei Dank sehr gut. Ich bin der Wissenschaft sehr dankbar für die Impfung. Es war ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich durch die dreifache Impfung nicht im Spital bzw. in der Intensivstation landen werde.

Sie meinten, die Impfpflicht solle „kein Drüberfahren sein”. Für viele Menschen ist es ein „Drüberfahren”. Wie sehen Sie das?
Es ist erfreulich, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen in Österreich bereits geimpft ist. Wir liegen aktuell bei etwa 73 Prozent und brauchen einfach noch mehr. Jetzt müssen wir auf die Menschen zugehen und das passiert zweierlei: auf der einen Seite mit dem klaren Signal durch die Impfpflicht, dass das Impfen uns vor weiteren Freiheitseinschränkungen schützt. Wenn die Zahlen zu hoch sind, die Spitals- und Intensivbetten überlastet sind, dann ist das Schlimmste, was passieren kann, immer wieder einen Lockdown einzuführen. Ich halte es auch für eine solidarische Frage der Gesellschaft, gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir keine Lockdowns mehr brauchen. Die Wissenschaft bestätigt uns, dass das Impfen das geeignete Mittel dafür ist, daher ist die Einführung der Impfpflicht ein logischer Schritt.
Auf der anderen Seite sehen wir, dass ein bedeutender Teil der Ungeimpften Angst vor der Impfung hat. Deswegen haben wir auch 75 Millionen Euro für die einzelnen Gemeinden und Städte zur Verfügung gestellt, damit sie auch ihre eigenen Impfkampagnen durchführen können. Wenn wir an eine durchschnittliche Gemeinde mit bis zu 3.000 Einwohnern denken, können dann bei einer Impfquote von 90 Prozent schon 200.000 Euro Förderung für Spielplätze, Kindergartenplätze, Musikzentren, etc. investiert werden. Mit diesen Kampagnen wollen wir informieren und die Angst nehmen. Es ist also ein Paket, welches signalisiert, dass die Impfung die Chance auf Freiheit, aber gleichzeitig auch auf Sicherheit ist. Damit sie aber „kein Drüberfahren” ist, wird sie schrittweise mit einem Phasenmodell eingeführt.

Ich halte es auch für eine solidarische Frage der Gesellschaft, gemeinsam dafür zu sorgen, dass wir keine Lockdowns mehr brauchen. Die Wissenschaft bestätigt uns, dass das Impfen das geeignete Mittel dafür ist.

Karl Nehammer, Bundeskanzler

Viele JuristInnen sind der Meinung, dass die Phase 3 der Impfpflicht nicht eintreten wird, da die österreichische Justiz keine Kapazitäten für die Bearbeitung der Beschwerden hat.
Wenn wir davon ausgehen, dass alle, die jetzt nicht geimpft sind, eine Aufforderung und im Folgenden einen Strafbescheid bekommen, dann werden wir natürlich Hunderttausende Strafbescheide haben, gegen die man berufen und damit natürlich auch die Verwaltung massiv belasten kann. Das können wir jedoch durch dieses Phasenmodell vermeiden. Zuerst kommt die Eingangsphase, die ab Februar gilt. In dieser Phase wird es keine Kontrollen geben. Erst ab Mitte März bzw. in der ersten Phase kommt es zu stichprobenartigen Kontrollen. Wir erhöhen also sukzessive den Kontrolldruck und auf der anderen Seite schaffen wir immer mehr Anreize, dass das Impfen positiv ist. Ich wünsche mir, dass die Menschen die Anreize annehmen und, dass wir die dritte Phase gar nicht brauchen.

Warum wurde die Impfpflicht für Personen ab 18 Jahren beschlossen und nicht für ältere Gruppen wie das der Fall in Italien oder Griechenland ist?
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es in der Altersdifferenzierung für die Frage der Infektionsausbrüche und Infektionsketten keine Unterscheidung gibt. Wenn wir die Nachtgastronomie wieder einmal öffnen und den jungen Menschen das Feiern ermöglichen wollen, dann ist es einfach wichtig, dass diese Gruppe auch immunisiert ist.
Viele WissenschaftlerInnen gehen davon aus, dass die Mehrheit der europäischen Bevölkerung bald mit der Omikron-Variante infiziert sein wird. Wird eine Impfpflicht medizinisch gesehen noch notwendig sein?
Im Impfpflichtgesetz ist vorgesehen, dass das Gesetz alle drei Monate einem Expertengremium vorzuliegen hat, um festzustellen, ob das Impfen noch immer die verhältnismäßig geeignetste Variante ist, um gegen das Virus zu kämpfen. Das Gesetz ist nicht für die Omikron-Variante geschrieben worden, sondern für den Herbst, wo wir nicht wissen, welche neue Variante kommen wird. Das heißt, solange das Expertenremium beurteilt, dass die Intensivbettenkapazitäten nicht überlastet werden und ein Lockdown durch das Impfen verhindert werden kann, wird die Impfpflicht aufrecht bleiben. Das Gesetz ist daher sehr flexibel ist, wie das Virus selbst.

Solange das Expertenremium beurteilt, dass die Intensivbettenkapazitäten nicht überlastet werden und ein Lockdown durch das Impfen verhindert werden kann, wird die Impfpflicht aufrecht bleiben.

Karl Nehammer, Bundeskanzler

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