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INTERVIEW

„Das Impfpflichtgesetz ist so flexibel, wie das Virus selbst”

Karl Nehammer: „Den Weg, dass christlich-soziale Politik keine Elitenpolitik ist, sondern eine Politik für alle Menschen, ist ein ganz wichtiger und nachhaltiger Weg, den es gilt, fortzusetzen.“ (FOTO: Bojan Stekić)

Inwieweit verlassen Sie sich in Ihrer Arbeit auf den bereits vorgegebenen Kurs von Sebastian Kurz?
Durch Sebastian Kurz ist es gelungen, viel mehr Menschen zu erreichen und durch diese Politik sowohl auf die „kleinen” PensionsbezieherInnen als auch darauf zu achten, dass Österreich ein interessanter Forschungsstandort für Industrie, Technologie und Wissenschaft ist. Jeder Mensch ist ein Individuum und vielfältig, daher bin ich schon aufgrund meiner Person, meiner Geschichte, meinem Lebensalter, meinen Prägungen natürlich anders als Sebastian Kurz. Den Weg, dass christlich-soziale Politik keine Elitenpolitik ist, sondern eine Politik für alle Menschen, ist ein ganz wichtiger und nachhaltiger Weg, den es gilt, fortzusetzen.

Was steht ganz oben auf Ihrer Prioritätenliste als Bundeskanzler?
Ganz oben steht das Thema Teuerung. Wir sehen es an der Inflationsrate und an dem, dass die Energiekosten jetzt sehr dramatisch angestiegen sind. Wir haben uns auf ein umfassendes Maßnahmenpaket gegen die Teuerung mit dem Koalitionspartner verständigt. Es gilt, die ökosoziale Steuerreform auf den Boden zu bringen; mit der Entlastung im Wert von 18 Milliarden Euro und der neuen Stufe der CO2-Bepreisung, damit Menschen aufgrund der Kostenentwicklung nicht verloren gehen. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Arbeitsmarkt und die Bildungspolitik. Wir haben gesehen, dass das Coronavirus in diesen Bereichen Folgen hinterlassen hat: Durch viele Lockdowns sind Bildungsdefizite bei SchülerInnen entstanden, die auszugleichen sind. Außerdem müssen wie neue Schwerpunkte in der Bildungspolitik setzen, ­z. B. auf Digitalisierung und digitale Kompetenz. Darüber hinaus haben wir den Schwerpunkt bei den Themen Wissenschaft, Forschung und Industrie. Es ist uns einfach wichtig, dass Österreich sich als Innovationsstandort weiterentwickelt und das trotz einer besonderen Situation in der Europäischen Union.

Österreich wird weiterhin Fürsprecher für den Westbalkan sein, wenn es um den EU-Beitritt geht.

Karl Nehammer, Bundeskanzler

Fehlt es Ihnen, Inneminister zu sein?
Also Innenminister zu sein, war eine besondere Ehre, weil es auch eine besondere Aufgabe ist. Sicherheit ist so unendlich wichtig und ein sehr breites Thema – von Sicherheit am Schulweg bis hin zum Kampf gegen die organisierte Kriminalität und Terrorismus. Ich hatte ein tolles Team im Innenministerium und die Aufgabe ist meiner Meinung nach eine der schönsten, die man in der Republik haben kann. Gleichzeitig ist es ein unglaubliches Privileg, Bundeskanzler sein zu dürfen. Die Verantwortung für die Menschen, die hier leben, auch tatsächlich in seiner politischen Arbeit in vielen anderen Themen verwirklichen zu können, ist auch eine besondere Aufgabe und eine große Freude. Durch die neue Position ist mein Leben noch ein Stück weit öffentlicher geworden. Es war für mich eine große und neue Erfahrung, dass mein Gesundheitszustand öffentlich ist. (lacht)

Haben Sie bereits Pläne für den Westbalkan?
Österreich wird weiterhin Fürsprecher für den Westbalkan sein, wenn es um den EU-Beitritt geht. Außenminister Schallenberg, dem der Westbalkan ein großes Anliegen ist, Karoline Edtstadler als EU-Ministerin und ich als Bundeskanzler sind starke Partner beim Thema EU-Beitritt des Westbalkans. Der Westbalkan ist für Österreich ein ganz wichtiges, strategisches Gebiet in vielerlei Hinsicht. Wir haben historische Wurzeln, wir kennen einander aus der Geschichte und haben viel Verständnis füreinander und das ist ein Mehrwert. Daher ist es auch wichtig, dass wir eine Brücke in die Europäische Union bauen. Das ist natürlich immer ein sehr anspruchsvoller Weg, verbunden mit vielen Vorgaben seitens der Europäischen Union, damit man einen einheitlichen Standard hat. Österreich ist da ein verlässlicher Partner, weil wir gut verstehen, was die beiden Seiten brauchen. Mein Interesse ist, dass die Westbalkan-Staaten Teil der europäischen Familie sind, denn sie sind Europa.