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CHILD OF RAGE

Das Psycho-Mädchen arbeitet im Krankenhaus (VIDEO)

(FOTO: Screenshot/Blic.rs/Profimedia)

Tim, ein Priester, und Julie Tennant, eine Hausfrau, hatten eine glückliche Ehe, vier Hunde und ein schönes und ordentliches Haus. Eines fehlte ihnen jedoch, um ihr Leben als erfolgreich zu bezeichnen – sie konnten keine Kinder bekommen.

Als die Adoptionsagentur ihnen im Winter 1984 mitteilte, dass sie nicht nur eines, sondern zwei Kinder bekommen,  konnten die Tennants ihr Glück kaum fassen. Sie bekamen ein eineinhalbjähriges Mädchen und seinen sieben Monate alten Bruder. Sie wussten, dass der Adoptionsprozess normalerweise Jahre dauert, aber in ihrem Fall ging es schnell. Ihnen war es bewusst, dass die Kinder, Beth und Jonathan Thomas, aus einem zerrütteten Elternhaus stammten. Ihre Mutter starb an einer Nierenerkrankung, als das Mädchen ein Jahr alt war, und ihr Vater vernachlässigte sie.

Bevor sie ins Waisenhaus gebracht wurden, lagen die Kinder in schmutzigen Kleidern, und beide waren unterernährt. Was das Paar nicht wusste, war die Tatsache, dass der monströse Vater Beth seit ihrer Kindheit regelmäßig sexuell missbraucht hatte.

Das erste Anzeichen dafür, dass mit dem Mädchen etwas nicht stimmte, waren die Alpträume. Es wachte nachts auf und schrie sich die Seele aus dem Leib. Als die Tochter ungefähr drei Jahre alt war, erzählte sie ihrer Mutter, dass sie immer wieder von einem Mann träumte, der auf ihr lag und ihr „schreckliche Dinge“ antat. Schon damals vermutete Julie, dass ihre Tochter ein sexuelles Trauma erlitten hatte, aber sie war überzeugt, dass Liebe und Aufmerksamkeit ihre seelischen Wunden heilen würden. Leider wurde es mit der Zeit immer schlimmer. Das Mädchen begann zwanghaft zu masturbieren, sogar in Gesellschaft und mit einer solchen Intensität, dass sie wusste, wie man das Genitalorgan zum Bluten bringt.

Ihre Wut, die sie zunächst auf die Mitbewohner richtete, wurde auf andere Lebewesen umgelenkt. Als sie ein Nest mit kleinen Vögeln fand, quetschte sie die unglücklichen Tiere aus, bis sie starben. Sie zog die Familienhunde am Schwanz und trat absichtlich auf ihre Pfoten. Das häufigste Opfer ihrer Aggression war ihr kleiner Bruder. Sie verdrehte seinen Arm, stach mit Nadeln auf ihn ein, kniff in seine Genitalien … Meistens „griff“ sie nachts an, wenn alle schliefen.

Als sie erkannten, dass alle wegen ihr in Gefahr sind, beschlossen die Eltern, professionelle Hilfe zu suchen. Es folgte eine Reihe therapeutischer Gespräche, und Dr. Ken Magid, ein klinischer Psychologe, widmete sich am meisten ihrem Fall. Seine mit der Kamera aufgezeichneten Therapiesitzungen mit der sechsjährigen Beth wurden 1990 Teil einer Dokumentation über sie mit dem Titel „Child of Rage“.

Diese Gespräche, die heute auf YouTube verfügbar sind, lassen Blut in meinen Adern fließen. In einem von ihnen gibt ein süßes blondes Mädchen zu, ein Küchenmesser gestohlen und versteckt zu haben, um es zu benutzen. „Warum willst du deine Eltern und deinen Bruder nachts angreifen?“, fragt der Arzt sie. „Weil ich nicht gesehen werden will. Ich will gefühlt werden.“, antwortet Beth, und zwar ohne Emotionen auf ihrem Gesicht. „Was willst du mit diesen Messern machen?“, fährt der Psychologe in seiner Frage fort. „Um John, Mama und Papa zu töten“.

Als der Dokumentarfilm veröffentlicht wurde, waren die Verurteilungen der Umwelt sehr hart. Viele schrieben über Beth als Psychopathin, obwohl es keine Psychopathie-Tests für Kinder gibt. Die richtige Diagnose, die ihr bald gegeben wurde, lautete Reaktive Bindungsstörung. Es wird von Kindern entwickelt, die von ihren leiblichen Eltern keine Liebe erfahren haben, die vernachlässigt oder missbraucht wurden. Beth hatte alle drei Fälle.

Die Störung spiegelt sich in der Unfähigkeit, Liebe zu empfangen und zu geben, der Unfähigkeit, Impulse zu kontrollieren, der Manipulierbarkeit und einem völligen Mangel an Gewissen und Reue wider – Eigenschaften, die oberflächlich denen von Psychopathen und Soziopathen ähneln.

Ende 1990 wurde Beth in eine Einrichtung gebracht, die auf die Behandlung dieser Störung spezialisiert war, und die Öffentlichkeit hatte keine Informationen mehr über ihre Fortschritte. Aber das ist noch nicht das Ende der Geschichte über sie. Ein Vierteljahrhundert später gab Beth dem Radiosender „BBS“ ein Interview, in dem sie die Details des langen Weges der Genesung verriet. Durch eine intensive Therapie, bei der der Schwerpunkt darauf lag, das Selbstwertgefühl des Kindes so zu stärken, dass es ihm zeigte, dass es der Liebe würdig war, weinte Beth zum ersten Mal bei der Erinnerung an den Schmerz, den sie ihren Angehörigen zugefügt hatte. Dann erlebte sie etwas bisher Unbekanntes – Empathie.

Nach der Rückkehr ins Elternhaus habe sie Geborgenheit und dann Liebe gespürt. Nach ihrem Schulabschluss beschloss sie, ihr Leben der Fürsorge für andere zu widmen. Heute ist Beth Krankenschwester auf der Intensivstation. Sie hat zwei Bücher über ihre traumatische Kindheit geschrieben und hält regelmäßig Vorträge über Reaktive Dissoziationsstörung.

Das „Kind der Wut“ (child of rage), wie sie genannt wurde, existiert heute nur noch in ihrer Erinnerung.