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INTERVIEW

Gaál: „Wohnen ist mehr als ’nur‘ ein Dach über dem Kopf“

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(FOTO: PID/Bohmann )

KOSMO sprach mit Wiens neuer Frauen- und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál über zukünftige Pläne und Maßnahmen im Bereich des Wohnens, sowie die Fortsetzung altbewährter Strategien.

KOSMO: Kürzlich übernahmen Sie die Funktion der Wiener Frauen- und Wohnbaustadträtin. Wie waren Ihre ersten Tage im Amt?
Kathrin Gaál: Sehr aufregend. Ich habe ja vor vielen Jahren die Entscheidung getroffen, mich ausschließlich der Politik zu widmen und war für die SPÖ- Favoriten als Gemeinderätin tätig. Umso mehr freue ich mich auf die Möglichkeit, mich noch mehr für unsere wunderbare Stadt einzusetzen.

Welche der bisher von Ludwig gesetzten Aspekte und Pläne werden Sie weiter ausbauen und sich für deren Umsetzung einsetzen?
Oberstes Ziel ist es, dass Wohnen in Wien leistbar bleibt. Unser sozialer, gefördeter Wohnbau in der Stadt ist die größte Mittelstandsförderung. Diesen Weg setze ich fort und konnte bereits 14.000 neue, geförderte Wohnungen bis 2020 auf Schiene bringen. So stellen wir den Wienerinnen und Wienern preiswerte Wohnungen zur Verfügung und halten gleichzeitig die Mietpreise in der gesamten Stadt niedrig. Auch die Sanfte Stadterneuerung, also die Sanierung von Stadtvierteln, werde ich fortsetzen. Maßnahmen für das gute Zusammenleben im Gemeindebau wie z.B. die wohnpartner haben sich sehr bewährt. Besonderen Wert lege ich auf die Kombination meines Ressorts mit den Frauenagenden. Hier denke ich an Bedürfnisse von Frauen beim Wohnen: In der Meidlinger Wolfganggasse haben wir bereits ein erstes Projekt auf den Weg gebracht, wo es unter 850 neuen Wohnungen, ein Stockwerk speziell für Alleinerziehende geben wird. Neben einem Gemeinschaftsraum wird es auch einen Verein vor Ort geben, der helfen soll, das Leben von Alleinerziehenden zu erleichtern.

Was sind Themenbereiche, denen bisher weniger Beachtung geschenkt wurde und auf welche Sie in Zukunft verstärkten Fokus legen werden?
Wie oben angeführt: Als Frauenstadträtin liegt eine besondere Chance darin, die Themen Frauen und Wohnbau verstärkt miteinander zu verknüpfen, also danach zu fragen, welche Bedürfnisse Frauen haben, wenn es um Wohnen geht.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Hauptstadt hinsichtlich des Wohnens?
Wien wächst. Dementsprechend müssen wir nicht nur genügend leistbaren Wohnraum schaffen, sondern auch auf behutsames Wachstum achten. Das ist die größte Herausforderung der nächsten Jahre. Die Leute wollen weiters ein schönes Wohnumfeld. Auch daran arbeiten wir flächendeckend mit Grätzelinitiativen.

Bis 2020 sollen 4000 neue Gemeindewohnungen entstehen. Wo werden diese gebaut und ist dieser Plan realistisch umsetzbar?
Die Projekte befinden sich in unterschiedlichen Planungsstadien. Am weitesten fortgeschritten sind die 120 Gemeindewohnungen in der Fontanastraße in Favoriten. Ein weiteres Projekt ist am Handelskai . Für Meidling konnten wir eben erst 100 weitere Gemeindewohnungen ankündigen.

Immer wieder belegen Studien, dass das Wohnen in Wien prinzipiell teurer wird. Was planen Sie dagegen zu tun?
In Wien machen wir unsere Hausaufgaben und setzen alles daran, den geförderten Wohnbau auszubauen. In den letzten Jahren wurden jährlich im Schnitt rund 7.000 geförderte Wohneinheiten fertiggestellt. Das ist eine internationale Spitzenleistung, die weiter gesteigert werden soll. Es ist erklärtes und ambitioniertes Ziel der Wiener Wohnbaupolitik, die Neubauleistung in Wien mittelfristig auf 13.000 Wohneinheiten pro Jahr zu steigern, 9.000 davon gefördert. Der weitreichende geförderte Wohnbau wirkt sich positiv auf das gesamte Mietnievau in der Stadt aus. Wir haben auch zeitgerecht auf die rasant steigenden Baukosten reagiert und sind den gemeinnützigen Bauträgern mit Erleichterungen entgegengekommen. Gleichzeitig ist die Bundesregierung gefordert. Es ist höchste Zeit für ein neues, transparentes Mietrechtsgesetz mit einer fairen Zuschlägen und Höchstgrenzen. Abgesehen davon kann es nicht sein, dass 4 von 5 Wohnungen nur mehr befristet vermietet werden.

Apropos „leistbares Wohnen“: Was verstehen Sie persönlich darunter und was muss dieses beinhalten?
Leistbares Wohnen heißt für mich, dass maximal ein Drittel des Einkommens für das Wohnen ausgegeben wird. Im sozialen Wohnbau in Wien liegt der Wohnkostenanteil im Schnitt überhaupt nur bei 21 Prozent des Nettoeinkommens. Wohnen bedeutet aber nicht nur ein Dach über dem Kopf oder eine Bleibe zu haben. Wohnen bedeutet mehr: Wohlfühlen, Geborgenheit und die Erfüllung individueller Wünsche und Bedürfnisse.

Wo und wie überschneiden sich Frauen- Familienpolitik und leistbares Wohnen?
Frauenpolitik betrifft alle Bereiche in der Stadt. Es geht also um eine noch bessere Vernetzung der Ressorts. Konkret im Wohnbau bedeutet es, dass man bereits bei der Entstehung neuer Wohnprojekte Frauenthemen einbeziehen sollte, vor allem, wenn es um Sicherheit geht, zum Beispiel mit Beleuchtung, belebten Erdgeschoßzonen und Durchwegungen. Ich habe kürzlich erst ein neues Wohnquartier in Meidling vorgestellt, bei dem wir als erste Neuerung der wachsenden Gruppe der Alleinerziehenden spezielles Augenmerk widmen. Als Mutter einer 12-jährigen Tochter ist mir sehr bewusst, was Vereinbarkeit heißt und wie wichtig Angebote für die Kinderbetreuung sind.

Soziale Durchmischung im Wohnbereich war für die Stadt Wien immer von hoher Priorität. Warum ist diese für die Wohnqualität von großer Wichtigkeit?
Wir wollen eine soziale Durchmischung, sowohl in der gesamten Stadt also auch in den Wohnhausanlagen selbst, weil sie der beste Garant für ein friedliches Zusammenleben ist. Daher gibt es in Wien weder soziale Brennpunkte noch Ghettos, wie wir sie aus Paris oder London kennen. Deshalb gelten bei der Vergabe von Gemeindewohnungen und geförderten Wohnungen bewusst höher angesetzte Einkommensgrenzen. Damit verhindern wir, dass nur sozial schwache Menschen in bestimmten Vierteln wohnen. Das Besondere an Wien ist, dass man an der Adresse eines Menschen nicht erkennt, wie viel er verdient.

Wien war im internationalen Vergleich hinsichtlich des Wohnens immer ein Vorbild. Was macht die Hauptstadt besonders?
Dank der vorausschauenden Wiener Wohnbaupolitik ist es gelungen, der wachsenden Bevölkerung ein entsprechend großes Angebot an geförderten, leistbaren und bedarfsgerechten Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Über 62 Prozent der Wienerinnen und Wiener leben in einer kommunalen oder geförderten Wohnung. Das durch teure Mietpreise eingesparte Geld, bleibt den WienerInnen für Urlaub und Freizeit. Während in den 1990er Jahren viele europäische Städte ihren kommunalen Wohnbau verkauft und privatisiert haben, ist Wien bei seinen Grundsätzen geblieben. Damit liegen wir richtig, wie man heute umso mehr sieht. Wien ist daher auch im internationalen Vergleich Hauptstadt des leistbaren Wohnens, weil wir uns nie vom sozialen Wohnbau getrennt haben. Und ich stelle fest: Wir werden unsere Gemeindebauten auch in Zukunft nicht privatisieren.