REPORTAGE

Geschlechtsangleichung: Ein langer und steiniger Weg zur Transition

Geschlechtsangleichung: Ein steiniger Weg der Transition_ Interview mit prof. dr Miroslav Đorđević (FOTO: iStock, zVg.)

Probleme der Geschlechtsidentität und Geschlechtsanpassungen sind keine Seltenheit. Dennoch erhält dieses Thema in der breiteren Öffentlichkeit noch immer keine hinreichende Aufmerksamkeit. Wie eine Geschlechtsangleichung aussieht und mit welchen Problemen transsexuelle Personen konfrontiert sind, haben wir den Experten für Urogenitalchirurgie aus Belgrad prof. dr Miroslav Ðorđević gefragt.

Der 31. März ist der Tag der Trans-Sichtbarkeit, der jährlich mit dem Ziel stattfindet, das Bewusstsein für das Bestehen der Transgender-Gemeinschaft zu fördern, sowie auf die Diskriminierung, mit der diese Menschengruppe noch immer konfrontiert ist, aufmerksam zu machen. Auch wenn man heutzutage viel offener über Themen sprechen kann, die einst absolute Tabus waren, sind die Probleme der Transgender-Gemeinschaft im öffentlichen Interesse noch immer ein Nischenthema.

Leider gibt es aus unterschiedlichen Gründen keine offizielle Statistik darüber, wie viele Menschen weltweit transsexuell sind. Zum einen, weil sich viele Transsexuelle dem Prozess einer Geschlechtsangleichung nicht unterziehen wollen. Daher bleiben sie außerhalb des Systems und der offiziellen Statistiken, die von staatlichen Institutionen geführt werden. Zum anderen fehlen aber auch in vielen Studien Fragen, die sich auf die sexuelle Orientierung und/oder die Geschlechtsidentität beziehen, was einen adäquaten Einblick in diesen Bereich erschwert, zu gewinnen. Allerdings gehen grobe Schätzungen davon aus, dass weltweit eines von je 3.000 Neugeborenen transsexuell ist, d.h. rund 0,3 Prozent der Weltbevölkerung Transgender sind. Neben den beiden genannten Gründen führt auch die Diskriminierung, mit der Transsexuelle konfrontiert sind, dazu, dass sich ganze Transgender-Gemeinschaften abschotten, sich in ihre geschlossenen Kreise zurückziehen und für die breitere Öffentlichkeit unsichtbar bleiben.

Identität ist das subjektive Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht.

Geschlecht, Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung
Die Begriffe biologisches und soziales Geschlecht (Gender) bzw. die darauf beruhenden Geschlechtsidentitäten werden oft verwechselt. Der Begriff des biologischen Geschlechts bezeichnet die anatomischen Strukturen, d.h. die biologischen Merkmale des Geschlechts, während der Begriff Gender sich auf das erwartete, erzwungene oder erworbene soziale Verhalten der Geschlechter bezieht. Gender wird also, anders als der Begriff des biologischen Geschlechts, meistens im sozialen und kulturellen Kontext verwendet.

Die Geschlechtsidentität ist das subjektive Gefühl der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem der biologischen Geschlechter. Diese Identität beruht nicht immer auf dem biologischen Geschlecht und auch nicht auf der sexuellen Orientierung. Der Terminus „transsexuelle Person”, kurz „Transperson” (englisch „Transgender”), bezeichnet alle Menschen, deren soziales Geschlecht von dem bei der Geburt bestimmten biologischen Geschlecht abweicht. Transpersonen können verschiedene Geschlechtsidentitäten, Ausdrucksformen und Verhaltensweisen haben, die nicht durch ihr biologisches Geschlecht und die traditionellen Vorstellungen der Geschlechterrollen in der Gesellschaft bestimmt sind.

Einige transsexuelle Personen können das Bedürfnis haben, ihren Körper physisch zu verändern, andere verspüren den Wunsch danach nicht, während sich wieder andere Transgender-Personen aufgrund nichtbinär bestimmbarer Identitäten gar nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Als Transfrauen gelten Personen, denen bei der Geburt das männliche Geschlecht zugeschrieben wurde, die sich jedoch als Frauen identifizieren, d.h. eine weibliche Geschlechtsidentität haben. Dasselbe gilt umgekehrt für Transmänner. Das heißt jedoch nicht, dass Transfrauen, die als Männer geboren wurden, sich sexuell zu Männern hingezogen fühlen müssen, weil sie sich mit dem weiblichen Geschlecht identifizieren.

Die sexuelle Orientierung ist von der biologischen oder sozialen Geschlechtsidentität unabhängig. Wenn sich Menschen, die sich mit ihrem bei der Geburt bestimmten Geschlecht nicht identifizieren können, für eine Geschlechtsangleichung, eine sogenannte „Transition”, entscheiden, durchlaufen sie normalerweise drei Phasen: eine soziale, eine rechtliche und eine medizinische Transition.

Die soziale Transition
Nachdem eine Transperson ihre Geschlechtsidentität akzeptiert hat, kann sie sich dafür entscheiden, diesen Teil ihrer Persönlichkeit auch anderen Menschen wie der Familie, Freunden, Kollegen und Bekannten zu offenbaren (Outing ). Angesichts der schwierigen Situation, in der sich Transpersonen weltweit befinden, kann ein Outing aufgrund der Furcht vor negativen Reaktionen der Umgebung, vor Ausgrenzung oder sogar vor gewalttätigen Übergriffen sehr schwer sein.

Die rechtliche Transition
Viele Transpersonen wünschen sich, dass ihre Geschlechtsidentität auch gesellschaftlich anerkannt wird, und zwar nicht nur im Alltag, sondern auch im Rechtsverkehr. Die juristische Anerkennung des Gender ist ein formaler Prozess. Dabei werden die Daten in den Ausweisdokumenten der Transperson geändert, sodass sie ihrer Geschlechtsidentität entsprechen. Dieser Prozess umfasst die Änderung des Vornamens und der Geschlechtsbezeichnung sowie die Ausstellung neuer Dokumente. Für die Namensänderung ist in den meisten Staaten der Welt nur eine Antragstellung notwendig. Die Angelegenheit wird jedoch komplizierter, wenn jemand die Geschlechtsbezeichnung in seinen Dokumenten ändern möchte. In Österreich ist dafür eine entsprechende Therapie oder ein Eingriff, durch den sich die Person dem Geschlecht annähert, mit dem sie sich identifiziert, Voraussetzung. Die reine Selbstdefinition und eine Identitätserklärung reichen vor den staatlichen Behörden nicht aus. Dasselbe gilt auch in Serbien. In Kroatien ist die Änderung der Geschlechtsbezeichnung hingegen nach dem Gesetz über die staatlichen Register und nach der Richtlinie über die Art der Beibringung medizinischer Dokumentation auch ohne vorherige Hormontherapie oder chirurgischen Eingriff möglich.

Die medizinische Transition
Die medizinische Transition bzw. die Anpassung des biologischen Geschlechts an die erlebte Geschlechtsidentität erfolgt in drei Phasen: einer psychiatrischen (psychiatrische Behandlung der Geschlechtsidentitätsstörung ), einer endokrinologischen (Hormontherapie) und einer chirurgischen.

Wie der Prozess der Geschlechtsangleichung aussieht und worauf Transpersonen in diesem Prozess besonders achten müssen, erklärt prof. Miroslav Đorđević, ein führender Chirurg für rekonstruktive Urogenitaleingriffe aus Serbien, im Gespräch mit KOSMO.

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