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PFLEGESERVICE

Gräber am Balkan: Wer kümmert sich, wenn sich niemand kümmern kann?

Grabstätte am Balkan (FOTO: iStock)

Viele von uns aus der Diaspora kennen das – wir leben Jahrzehnten lang getrennt von unseren Familien. Nicht nur, dass wir kein Teil von ihrem Lebensalltag mehr sind, sondern sehr oft können wir ihnen bei ihren Problemen und Angelegenheiten nicht helfen. So sehr wir das auch wollen… Auch wenn wir uns immer wieder selbst versprechen, uns Zeit für Besuche zu nehmen, so vergeht die Zeit schneller als man denkt.

Noch bevor wir es merken, ist bereits ein ganzes Jahr vorbei, ohne dass wir unsere Versprechung erfüllt haben. Wir trösten uns selbst, dass wir die verlorene Ziet in jedem Moment nachholen können aber, wenn das Schlimmste passiert, ist es leider zu spät. Wenn unsere Allerliebsten sterben, bleiben uns nur ihre Grabstätten, die in sehr vielen Fällen, jahrelang von keinem besucht und gepflegt werden. Wenige von uns haben Familienmitglieder in ihren Heimatländern, die sich um die Grabstätten kümmern können. Sehr oft ist die ganze Familieins Ausland, auf der Suche nach einem besseren Leben, gezogen und Bekannte darum zu bitten, die Pflege der Grabstätte zu übernehmen, ist oft sehr unangenehm.

Unsere Gesprächspartner kennen dieses Szenario leider zu gut. Ihre Eltern sind vor Jahren verstorben und aufgrund ihrer Arbeit und großer Entfernung, schaffen sie es nicht, jedes Jahr die Grabstätten ihrer Eltern zu besuchen. Und, wenn doch – ist die Grabpflege einmal jährlich einfach nicht ausreichend. Laut unserer Quelle, hätte ein Unternehmer aus Wien eine Lösung für dieses Problem. Seine Idee ist es, ein Pflegeservice ins Leben zu rufen, das die Grabstätten von Familienmitgliedern der in der Diaspora lebenden Menschen in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien pflegen würde. Und das Beste daran wäre – man kann das monatliche Entgelt für die Wartung im Inland bezahlen, ohne dass man das Geld ins Ausland senden und dafür die Provision zahlen muss. Außerdem wäre das Service nicht nur für Menschen in Österreich, sondern auch in Deutschland und in der Schweiz verfügbar. KOSMO hat sich erkundigt, inwieweit so ein Service hilfreich wäre.

Ana Grbović (59)
„Ich habe Angst, die Grabstätte meiner Eltern werden eines Tages von Unkraut übersäht.“
„Vor 30 Jahren bin ich aus Novi Sad nach Österreich gekommen. Zuerst ist mein Mann umgezogen und nach fünf Jahren bin ich ihm mit unseren Kindern gefolgt. Am Anfang war es sehr schwierig für uns in einem fremden Land Fuß zu fassen. Dafür mussten wir sehr hart arbeiten und hatten wenig Zeit für unsere Kinder und geschweige denn für unsere Eltern, die in Serbien geblieben sind. Jeder Cent, den wir verdient haben, haben wir für die Ausbildung unserer Kinder und vor allem für die Deutschkurse ausgegeben. In den ersten Jahren unseres Lebens in Wien konnten wir uns keinen Urlaub leisten. Deswegen konnten wir nicht so oft nach Novi Sad fahren und außerdem war es uns viel wichtiger, das Geld, das wir ersparen konnten, unseren Eltern zu schicken statt es für die Bustickets oder Benzin auszugeben. Später, als unsere Kinder groß(erwachsen) waren sind und als wir ein stabiles Leben aufgebaut haben, war das Geld keine Hürde mehr, nach Serbien zu fahren. Jedoch, aufgrund vieler Verpflichtungen meines Mannes in seiner Arbeit und meiner Kinder in der Schule hatten wir weniger Zeit für Balkan-Urlaube. Wir haben weiterhin das Geld an unserer Familie geschickt, an ihrem Leben konnten wir aber auch weiterhin nicht aktiv teilnehmen – immer als sie krank waren oder Hilfe brauchten, mussten sich vorwiegen ihre Nachbarn um sie kümmern. So sind viele Jahre vergangen – in dieser Kluft zwischen unserem Leben in Österreich und ihrem Leben in Serbien. Es gab nie genug Zeit. Vor sechs Jahren ist mein Vater gestorben. Er wurde auf dem Friedhof Trandžament begraben. Ich muss Ihnen nicht erklären, in welchem schlechten Zustand Friedhöfe in Serbien sind. Wir zahlen natürlich für die Wartung, aber das inkludiert nicht die Reinigung und die Pflege der Grabstätte selbst, sondern nur die Wege zwischen den einzelnen Gräbern und des allgemeinen Raums. Meine Mutter versucht regelmäßig hinzugehen und das Grab zu putzen. Aber sie wird immer älter und schwächer. Ihre beste Freundin hilft ihr dabei, weil sie ein Auto hat, aber sie hat auch ihre eigene Familie, um die sie sich kümmern muss. Ich fahre so oft ich kann nach Novi Sad, aber ich bin mir bewusst, dass das nicht genug bzw. keine Lösung ist. Da ich ein Einzelkind bin, habe ich keine Geschwister, die meiner Mutter helfen könnten. Nachdem sie stirbt, gibt es keinen mehr, der sich um die Grabstätte kümmern könnte. Ich habe Angst, die Grabstätte meiner Eltern werden eines Tages von Unkraut übersäht. Gäbe es ein Pflegeservice, das das Grab meines Vaters, und später auch meiner Mutter warten könnte, wäre ich mehr als froh, es in Anspruch zu nehmen. Wir müssen zu uns selbst ehrlich sein – wir können weder die verlorene Zeit mit unserer Familie nachholen, noch unseren Wohnort nach Jahrzehnten ändern. Aber wir können alles tun, um unserer Familie zu erleichtern. Zumindest an Geld mangelt uns nicht. Deswegen sind wir ja nach Österreich an der ersten Stelle gekommen.“

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