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GROSSER WIRBEL

Lehrer setzen Migranten unter Druck, um Deutsch zu sprechen?

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(FOTO: iStock/Drazen Zigic)

In Niederösterreich sorgt derzeit ein Vorstoß für kontroverse Diskussionen: Die Forderung, dass an Schulen während der Pause ausschließlich Deutsch gesprochen werden soll.

Die niederösterreichische Landesregierung verlangt nun eine Deutschpflicht während der Schulpausen, was dazu führen könnte, dass Lehrer in die Rolle von Sprachpolizisten schlüpfen müssen. Diese Forderung ist nicht neu, da bereits die türkis-blaue Landesregierung in Oberösterreich ähnliches gefordert hat. Obwohl eine rechtliche Verankerung für eine Pausensprache nicht möglich ist, wird den Schulen geraten, die Regelung über die Hausordnung zu implementieren.

Skepsis

Widerspruch und Skepsis kommt auch von Kulturwissenschaftlerin und Migrationsforscherin Dr. Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien. „Einerseits stellt sich die Frage der Durchsetzbarkeit, also wer die Einhaltung der ‚Deutschpflicht‘ außerhalb des Unterrichts überhaupt kontrolliert. Das wird bei dem ohnehin schon ausgeprägten Personalnotstand an Österreichs Schulen nur schwer zu bewerkstelligen sein, und viele Lehrerinnen und Lehrer werden das schlichtweg nicht tun wollen.“

Die Einführung einer Deutschpflicht während der ohnehin kurzen Schulpausen würde die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern belasten, da Lehrer in die Rolle von Sprach-„Polizisten“ schlüpfen müssten.

„Ob sich einzelne Schulen daran halten, wird ebenso wenig flächendeckend zu kontrollieren sein. Andererseits stellt sich auch die Frage der Sinnhaftigkeit. Denn die Sprachwissenschaft zeigt, dass das Erlernen und Sprechen der Erstsprache eine wesentliche Grundlage für das Erlernen weiterer Sprachen darstellt.“, so Judith Kohlenberger.

„Zwang“

Es ist wichtig zu bedenken, dass dies auch Auswirkungen auf Schüler haben könnte, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben, wie zum Beispiel ukrainische Schüler. Wenn Kinder während des Spiels unterschiedliche Sprachen nutzen, sollte dies als Bereicherung und nicht als Nachteil betrachtet werden. Eine solche Vielfalt kann dazu beitragen, dass Schüler die Sprachkenntnisse anderer Kinder verbessern und interkulturelle Kompetenzen entwickeln.

„Sprechen Kinder aus migrantischen Familien ihre Muttersprache gut, so hilft ihnen das auch beim Deutscherwerb. Was sicher nicht hilft, ist Druck und Zwang. Eine Deutschpflicht außerhalb des Unterrichts ist also weder administrativ noch inhaltlich zielführend.“, kritisiert Kohlenberger.