Ausgedehnte Diskussionen um eine Arbeitszeitverkürzung auf eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich halten Österreich in Atem. Die intensive Debatte, angeführt vom neuen SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler, teilt die Meinungen von Gewerkschaften, politischen Parteien und Wirtschaftsorganisationen. Eine jüngst durchgeführte Studie des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) beleuchtet das Thema mit neuen Perspektiven.
Andreas Babler, der neue SPÖ-Vorsitzende, hat die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich zu einer seiner Hauptforderungen gemacht. Seine Vision sieht vor, dass alle Menschen das Recht auf einen gesunden und gut bezahlten Arbeitsplatz haben sollten. Demnach könnten durch staatliche Förderung kürzere Arbeitszeiten für 600.000 Menschen ermöglicht werden, wenn die Regierung das Geld, das sie für die Senkung der Konzernsteuern ausgibt, in die Hand nehmen würde, so Babler in seinem internen Wahlprogramm.
Vier-Tage-Woche
Wichtig zu erwähnen ist dabei die klare Position Bablers gegen eine eng gestrickte Vier-Tage-Woche, in die 40 Stunden gepfercht werden. Er plädiert für eine schrittweise Einführung einer 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. In seiner Sicht könnten durch kürzere Arbeitszeiten unzählige neue Arbeitsplätze geschaffen und die Löhne für hunderttausende Teilzeitbeschäftigte erhöht werden. Zugleich würde die Lebensqualität erhöhen, was zu mehr Zufriedenheit und Gesundheit und somit weniger Krankenständen und Ausfällen führt.
Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer (AK), stimmt mit Babler überein und sieht in „einer neuen, gesunden Vollzeit ein wesentlicher Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und Männern“. Vor allem Mütter, die aufgrund unbezahlter Care-Arbeit vor einer Mehrfachbelastung stehen, könnte durch eine Arbeitszeitverkürzung entlastet werden.
Arbeitszeitverkürzung
Jedoch sind nicht alle Stimmen in Österreich wohlwollend. Gegner der Arbeitszeitverkürzung wie die Wirtschaftskammer und Vertreter der ÖVP behaupten, dass eine generelle Arbeitszeitverkürzung den Arbeitskräftemangel weiter verschärfen würde. Gerald Loacker, der NEOS-Wirtschafts- und Sozialsprecher, bezeichnete etwaige Arbeitszeitverkürzungen in einer Phase, in der Österreich zunehmend an Produktivität verliert, als „geradezu verantwortungslos“.
Dem schließen sich auch die Worte der freiheitlichen Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch an, die festhielt: „Es gibt wohl keinen Arbeitgeber, der einen vollen Lohnausgleich bei weniger Arbeitsleistung bezahlen kann.“ Sie sprach bei Arbeitszeitverkürzung gar von „wirren Ideen“.
Wirtschaftsforschungsinstitut
Eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) im Auftrag der AK deutet jedoch auf geringe wirtschaftliche Folgen einer Arbeitszeitverkürzung hin. Eine Reduktion der Arbeitszeit um 3,5 Prozent würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur marginal (um 0,9 Prozent) senken. Laut dem WIFO-Modell würde sich ein unmittelbarer Anstieg der Beschäftigung ergeben, ein Rückgang der Arbeitslosenquote und eine Zunahme der Arbeitsproduktivität. Die Stundenlöhne wären real um bis zu 3,3 Prozent höher, das Budgetdefizit würde um 0,3 Prozent sinken.
Produktivität
Laut WIFO-Studienleiter Stefan Ederer und AK Chefökonom Markus Marterbauer, wären die gesamtwirtschaftlichen Effekte vernachlässigbar. „Etwas höhere Beschäftigung und Produktivität, etwas höhere Preise und geringere Produktion“ – damit sei eine Arbeitszeitverkürzung mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gut kombinierbar, fasst Marterbauer zusammen.
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Aktuell liegt die durchschnittliche Arbeitszeit der unselbstständig Beschäftigten in Österreich bei 36,1 Stunden pro Woche. Die Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich demnach im Schnitt eine Arbeitszeitreduktion um 1,2 Stunden pro Woche (minus 3,3 Prozent). Eine weitere Entwicklung der Debatte bleibt abzuwarten.
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