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Pseudoreligiös: Auf Social Media halal im Real Life haram

FOTO: iStockphoto

Selma Tahirović ist eine aufstrebende junge Bloggerin, die auf dem Portal „nichtnochein0815blog“ zu verschiedensten Alltagsgeschichten schreibt – und das auf eine unverfälschte, ehrliche und irrsinnig unterhaltsame Art und Weise. Grund genug, unsere Leser von nun an regelmäßig mit ihren Blogeinträgen zu versorgen…Reinlesen lohnt sich!

Ich möchte diesen Blog mit einer prägenden Erfahrung aus meiner Schulzeit einleiten: Als ich in der ersten Handelsakademie war, hatte ich mich dazu entschlossen den islamischen Religionsunterricht zu besuchen. Anfangs total aufgeregt und neugierig, war mir schon nach der ersten Einheit klar, dass ich dort nicht mehr hingehen will. Abgesehen davon, dass jede Unterrichtsstunde ein und dasselbe behandelt wurde: Gott ist großartig und nur, wenn du betest, kommst du in den Himmel.

Homosexuell wird man nur dadurch, weil man eine schreckliche Kindheit hatte – außerdem sind das sowieso Sünder, mit denen man absolut keinen Kontakt haben sollte und es gehört sich nicht, die Dinge zu viel zu hinterfragen. So wie ich zum Beispiel gefragt habe, ob mein schwuler bester Freund nur aufgrund seiner sexuellen Präferenzen in die Hölle kommt, für die er ja eigentlich nichts kann. Die Antwort war natürlich ein Ja und ein entgeisterter Blick dazu. Nach den ersten Einheiten hatte ich mich mit der Frage beschäftigt wie man ein guter Mensch sein kann und, ob ich denn wirklich nur durch Beten oder Fasten „gut“ werde.

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Selma Tahirović ist eine aufstrebende junge Bloggerin, die auf dem Portal „nichtnochein0815blog“ zu verschiedensten Alltagsgeschichten schreibt – und das auf eine unverfälschte, ehrliche und irrsinnig unterhaltsame Art und Weise. Grund genug, unsere Leser von nun an regelmäßig mit ihren Blogeinträgen zu versorgen…Reinlesen lohnt sich!

 

Stolz und Fasten
Ich kann mich erinnern, dass am Ende des Semesters die Frage gestellt wurde wer von uns Schülern im Ramadan fastet. Alle Schüler zeigten auf – alle bis auf mich. Danach begann ein regelrechtest „Fastenshaming“.

„Wieso fastest du nicht?“ – „Weil bei mir niemand in der Familie fastet und ich Kreislaufprobleme habe.“ – „Ahja, aber, wenn du anfängst, dann wird es dir deine Familie gleichtun!“ – Stille meinerseits.

Abgesehen davon, dass man aus gesundheitlichen Gründen auf das Fasten verzichten darf, wurde ich von den anderen Mitschülern wie ein Alien angestarrt. Doch das war noch lange nicht das Schlimmste an dieser einen Unterrichtsstunde.

Es war, als alle Schüler die Klasse verlassen durften, alle außer ich. Mir hatte mein damaliger Lehrer nach Unterrichtsschluss noch einreden wollen, dass ich so schnell wie möglich anfangen soll zu fasten, um ein guter Mensch zu werden und damit meine Eltern ENDLICH einmal in ihrem Leben richtig stolz auf mich sein können. Ich glaube genau in diesem Augenblick hatte ich den Glauben an Religion und Gebeten endgültig verloren. Ich weiß noch, dass ich verheult zu meinem Spind gelaufen bin, da ich mir sicher war, dass ich ein schlechter Mensch bin. Heute weiß ich, dass das nicht ganz richtig ist.

Lästern, Saufen, Beten
Denn es gibt wesentlich schlimmere Personen als mich und genau hier beginnt mein Grant: Mein Grant gegen all‘ diese selbsterkorenen „Supergläubigen“, die denken, dass sie durch ihren Verzicht auf Essen und Trinken im Fastenmonat automatisch ins Paradies kommen. Die denken, dass der in Arabisch verfasste Satz „Gott ist groß“ in ihrer Instabio jeden vergessen lässt, dass sie zwei Wochen davor in ’nem Club auf die Tanzfläche gekotzt haben. Sie kein Schweinefleisch essen, „weil „Bruder, ich bin Moslem“, aber jede zweite „Ungläubige“ auf ihrer Autorückbank weghauen.

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Selma Tahirović ist eine aufstrebende junge Bloggerin, die auf dem Portal „nichtnochein0815blog“ zu verschiedensten Alltagsgeschichten schreibt – und das auf eine unverfälschte, ehrliche und irrsinnig unterhaltsame Art und Weise. Grund genug, unsere Leser von nun an regelmäßig mit ihren Blogeinträgen zu versorgen…Reinlesen lohnt sich!

 

„Gute Leute“, die alles mit „mashallah“ und „inshallah“ kommentieren, aber in der Arbeit mal 50 Euro aus der Kasse klauen. Personen, die mir weismachen wollen, dass ich ein schlechter Mensch bin, weil ich nicht faste, Alkohol trinke oder nicht bete, aber über jeden urteilen und hinterrücks reden, sobald sich ein „Freund“ auch nur zwei Meter entfernt hat. Ganz genau solche Experten sind für mich die größten Sünder überhaupt. Ja, ich bin ebenfalls absolut nicht in der Position, über andere urteilen zu dürfen, aber warum dürfen dann solche Menschen über mich urteilen? Dieses ewige Religionsgequatsche in den letzten Jahren – egal, ob es sich auf den Islam bezieht oder nicht – ist einfach nur mehr lächerlich.

Ganz ehrlich: Ein religiöses Tattoo, einmal fasten im Jahr oder der Besuch des Gebetshauses macht es nicht besser, dass du den Rest der 365 Tage ein heuchlerisches Arschloch bist.

FOTO: Selma Tahirovic

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