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JUGENDGEWALT

Schüler verprügeln Buben, weil er ein Roma ist

Mobbing
FOTO: (iStock/mrohana)

L. I. aus Obrenovac in Serbien wird seit seinem Eintritt in die Grundschule von einer Gruppe Jungen gemobbt, weil er ein Rom ist.

Der letzte Fall von Mobbing ereignete sich vor etwa 10 Tagen, als in der Ersten Grundschule in Obrenovac ein beispielloser Fall von Jugendgewalt registriert wurde. Dabei haben vier Mitschüler L.I. während des Unterrichts zusammengeschlagen und ihm einen Schwamm in den Mund gestopft.

Wie die Mutter des Jungen, Margita I., gegenüber Telegraf.rs äußerte, soll dies kein Einzelfall von Jugendgewalt gegen ihren Sohn sein, der Schüler leide seit sechs Jahren unter Mobbing.

Auf der anderen Seite heißt es vonseiten der Schule, dass im Zusammenhang mit diesem Fall entsprechende Maßnahmen eingeleitet wurden.

„Solche Dinge passieren immer wieder, seit er in die erste Klasse kam. Das Problem ist, dass der Klassenlehrer jedes Problem innerhalb der Klassengemeinschaft lösen möchte. Er verständigt nicht die Eltern, wenn so etwas passiert, noch trägt er den Fall an die nächste Instanz weiter. Mein Sohn leidet seelisch unter dem Mobbing. Nachts ruft er die Namen der Mobber, schreit ’Bitte schlag mich nicht’. Ich habe es aufgenommen und der Schuldirektorin vorgespielt. Es hat geheißen, dass mein Sohn mitschuldig sei. Eine Erklärung lautete, dass L. die anderen Jungs verbal provozierte, woraufhin sie ihn, ich zitiere, „verhauen“. Was ist das für ein Vokabular eines Pädagogen? Es kann doch nicht sein, dass das Opfer schuld ist“, sagte die Mutter des gemobbten Jungen gegenüber Telegraf.

FOTO: (iStock/Motortion)

Ihr Sohn sei in den vergangenen Jahren aufgrund von Verletzungen, die ihm seine Mitschüler zugefügt hätten, bereits viermal in der Notaufnahme behandelt worden. Das letzte Mal wurde der Junge so stark geschlagen, dass sein Blinddarm verletzt wurde und er beinahe operiert werden musste.

„Wir sind bestimmt an die 20 Mal in der Schule gewesen, und das war das dritte Mal, dass wir die Polizei gerufen haben. In der Schule wurde uns gesagt, dass das keine Jugendgewalt ist und dass unser Sohn Gewalt provoziert und selbst ausübt, indem er die anderen beschimpft. Falls er ihnen überhaupt etwas sagt, dann sicher nur aus Angst, verprügelt zu werden. Wenn mein Sohn jemandem ein schlechtes Wort sagt, werden wir sofort in die Schule zitiert, die Sache wird ungemein aufgebauscht. Wenn er von den anderen geschlagen wird, dann gibt es keine Reaktion. Die Mitschüler schlagen ihn während des Unterrichts auf die Nieren und auf den Hals. Er hat schon Verknotungen am Hals. Die Lehrer verwarnen ihn ohne Grund, wenn er sich umdreht, dabei macht er das nur, damit sie aufhören, ihn zu schlagen. Wir fühlen uns alleingelassen und fürchten um seine Sicherheit“, ergänzt die Mutter.

Wegen der Vorfälle haben sie und ihr Mann beschlossen, ihren Sohn aus der Schule zu nehmen und in eine andere Schule zu geben. Das betreffe auch zwei weitere Mitschüler, die ebenfalls gemobbt werden, aber nicht „so große Probleme haben“.

„Dieses Mal haben sie ihn gewürgt und ihm einen Schwamm in den Mund gesteckt. Das alles ist während der Stunde passiert. Er war aufgestanden, um die Tafel abzuwischen, weil sie ihn gezeichnet und Schimpfwörter dazugeschrieben hatten. Dann kam es zu dem Vorfall. Der Lehrer hat auf sein Handy geschaut. Wir machen ihm keinen Vorwurf, er hat es nicht bemerkt, aber jetzt versucht die Schule die Situation zu vertuschen und sagt, es sei nicht während des Unterrichts passiert. Mein Mann hat um 12:20 Uhr einen Anruf von unserem Sohn erhalten, er wollte wissen, wo er den Vorfall melden solle. Das bedeutet, dass es sehr wohl während des Unterrichts passiert ist. Als er zu der Klassenlehrerin ging, meinte sie, er soll „nicht so deppert daherreden“ und alles würde in der KV-Stunde gelöst werden. Wir wollen die Schule und die Klassenlehrerin verklagen, nicht den Lehrer, der in der Klasse war. Er ist neu, und es war ein freies Wahlfach, Schach“, sagt Margita.

Zudem erklärt die Mutter, dass ihr Mann kurz davor noch in der Schule gewesen war, weil ihr Sohn zwei schlechte Noten hatte. Da hatte die Klassenlehrerin gesagt, dass ihr Sohn ein guter Junge sei und sich verbessert habe. Trotzdem reagiere sie nicht, wenn ihm Gewalt angetan werde.

„Die Klassenlehrerin hat eine arrogante Art. Sie hat gemeint, dass solches Verhalten die Schüler seit der ersten Klasse mitschleppen und sie nichts dagegen tun kann. Mein Sohn wird die Schule wechseln, aber das Trauma wird bleiben. Wir alle erinnern uns an unsere Schulzeit zurück, und er wird sich an das Mobbing erinnern. Wir wollen nicht, dass ein anderes Kind das Gleiche durchmacht. Zwei oder drei Kinder in der Klasse werden gemobbt, manche von ihnen haben keine Eltern. Ich arbeite in einer Bäckerei, mein Mann ist in der Straßenreinigung. Wir können nicht ständig die Arbeit verlassen, um zur Schule zu gehen, wir werden gekündigt. Es war immer unser Sohn, der von der Schule angerufen hat, niemals die Schule selbst. Sie sagten ihm sogar, dass er seine Eltern mit den Anrufen belästige“, ergänzt die Mutter.

FOTO: (iStock/lakshmiprasad S)

„Wir brauchen keine Roma in der Klasse“

Bei früheren Fällen von Jugendgewalt hat L.I. Nackenverletzungen durch Strangulation und Prellungen durch Schläge auf die Brust erlitten.

„Er war so verängstigt, dass er richtig anschwoll. Plötzlich quollen seine Lippen oder Finger auf, sein Gesicht verformte sich. Wir dachten, dass er eine Lebensmittelallergie hatte, aber die Allergietests waren negativ. Wenn er nicht zur Schule ging, gingen die Schwellungen zurück. Wir hatten keine Ahnung, dass es von der Angst kommen könnte. Die Schule hatte uns ein ganz anderes Bild von der Situation vermittelt. Dann war es soweit, dass mein Sohn mich bat, nicht zur Schule gehen zu müssen, weil er solche Angst hatte. Er sagte, dass die Mobbing-Täter Messer dabeihatten“, erklärt Margita.

Zum ersten Mal wurden die Eltern des Mobbing-Opfers in die Schule vorgeladen, als ihr Sohn zurückschlug.

„Als nur einer der Jungen ihn angriff, weil die anderen an dem Tag nicht in der Schule waren, schlug Lazar heftig zurück. Dann wurden wir von der Schule angerufen und es lief darauf hinaus, dass unser Sohn als der Verursacher des Problems identifiziert wurde. Mein Mann hat eine Situation beobachtet, als unser Sohn in der Pause hinausgegangen war, um sich Jause zu kaufen. Seine Klassenkameraden hatten ihn auf einen Pfeiler hochgestellt und auf ihn eingeschlagen. Die diensthabende Lehrerin hatte gemeint, dass die Kinder nur spielten. Die Direktorin wollte die Polizei rufen, weil sich mein Mann angeblich unangemessen verhielt. Er fragte sie, wie sie sich fühlen würde, wenn jemand ihr Kind schlagen würde“, sagte die Mutter.

Das Schreckliche an der ganzen Sache ist, dass Kindern schon von klein auf lernen, andere zu hassen.

„Ich habe seine Mitschüler gefragt, warum sie ihn schlagen. Sie meinten, sie wollen ihn aus der Klasse hinausmobben, weil sie keine Roma in der Klasse brauchen können. Sie hänseln ihn, weil sein Vater eine Kehrmaschine fährt, sie sagten ihm, dass er eines Tages dasselbe tun würde. Er sagte ihnen, dass es ein ehrlicher Job ist und dass sein Vater die Verkehrsschule abgeschlossen hat. Die Mutter eines Mitschülers sagte, wir sind Roma und sie würde dafür bezahlen, dass unser Kind geschlagen wird. Wir leben nicht auf der Straße. Wir sind ehrliche Menschen, wir sind beide berufstätig“, schließt Margita.

Auf die Frage von Telegraf, ob die Schüler, die für Gewalt gegen L.I. verantwortlich sind, sanktioniert wurden und auf welche Weise, antwortete die Direktorin der Ersten Grundschule in Obrenovac, Milena Ergarac, kurz, dass „Aktivitäten im Zusammenhang mit der Prozedur eingeleitet wurden“ und dass „die Schule in nächster Zeit eine Entscheidung treffen“ würde.