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Protestaktion

Schwarzenbergplatz: Festwochen-Plakat vor Heldendenkmal in Brand gesetzt

Wiener Festwochen Plakat
FOTO: Wiener Festwochen/Anna

Brennende Kunst am Kriegerdenkmal: Nach der Zerstörung eines Festwochen-Plakats mit zwei umschlungenen Männern reagiert Intendant Milo Rau mit einem nächtlichen Friedensprotest.

Ein Großplakat der Wiener Festwochen wurde am Mittwoch nahe dem sowjetischen Kriegerdenkmal am Schwarzenbergplatz heruntergerissen und in Brand gesetzt. Nach Angaben der Festwochen wurde ein russischer Staatsbürger als mutmaßlicher Täter zur Anzeige gebracht. Bereits in den Tagen zuvor hatten bekannte pro-russische Aktivisten in Wien die Werbekampagne des Festivals scharf kritisiert. Dimitri Korenev bezeichnete das Plakat auf Facebook als „Ekelerregendes am Schwarzenbergplatz“, während Natallia Netschai von einem „absoluten Skandal“ und einem „Akt grenzenloser Respektlosigkeit“ sprach. Sie kritisierte besonders den Standort des Plakats an einem Ort, der sowjetischen Soldaten gewidmet sei, die im Zweiten Weltkrieg für Österreichs Befreiung ihr Leben ließen.

Korenev und Netschai fungieren nicht nur als Administratoren einer der größten russischsprachigen Facebook-Gruppen in Österreich, sondern organisieren mit ihrem Verein „Menschen in Resilienz“ auch eine Großveranstaltung zum 80. Jahrestag des „Tag des Sieges“, die am Freitag am Schwarzenbergplatz stattfinden soll. Die Veranstaltung wird in enger Abstimmung mit der russischen Botschaft durchgeführt. In Russland wird der „Tag des Sieges“ über Nazi-Deutschland traditionell mit großen Feierlichkeiten begangen. Diese Veranstaltung ist Teil der vom russischen Außenministerium unterstützten weltweiten Kampagne „Unsterbliches Regiment“, bei der traditionell Fotos gefallener Soldaten getragen werden. Nach Einschätzung des österreichischen Verfassungsschutzes werden derartige Veranstaltungen seit Beginn des Ukraine-Krieges verstärkt für Propagandazwecke genutzt, wobei die historische Befreiungsrolle der Sowjetunion mit der aktuellen russischen Außenpolitik vermischt wird.

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Festwochen reagieren

Das zerstörte Plakat, das zwei nackte Männer in inniger Umarmung zeigt, wird am Donnerstag um 17.00 Uhr erneut aufgestellt. Das Festival, das sich heuer als „Republik der Liebe“ präsentiert, ruft im Anschluss zu einer Mahnwache mit Übernachtung auf. Die Festwochen erklären dazu: „Das Plakat, eines der Hauptsujets der diesjährigen Festwochen, zeigte zwei junge Männer, eng umschlungen und in Liebe vereint auf einem Bett. Es handelt sich dabei um ein Zitat eines der vielleicht berühmtesten Bilder der Fotografiegeschichte: des Bed-in von John Lennon und Yoko Ono gegen den Vietnam-Krieg.“ Die Veranstalter erinnern zudem daran, dass am heutigen Donnerstag mit einem „Fest der Freude“ am Heldenplatz das Ende des Zweiten Weltkriegs gefeiert wird.

Festwochen-Intendant Milo Rau äußert sich in einem Statement: „Es trifft uns natürlich, dass gerade an diesem geschichtsträchtigen Ort, der an den Kampf gegen Faschismus und die Opfer von Nazi-Gewalt erinnern soll, es zu Vandalismus kommt. Doch wir beantworten diesen destruktiven und unverständlichen Akt mit friedlichem Widerstand, hängen das Plakat einfach wieder auf und übernachten vor Ort, um es zu schützen.“ Er lädt alle, denen diese Botschaft nicht deutlich genug sei, zur gemeinsamen Diskussion ein: „Machen wir aus dem ‚Tag des Sieges‘ einen Tag der Liebe. Lasst uns, genau 80 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs, gemeinsam ein Bed-in machen: gegen Krieg, Hass und neuen Faschismus. Für Großzügigkeit, Toleranz – und eine Nacht voller wunderbarer Debatten und Träume am Schwarzenbergplatz.“

Russische Konsequenzen

In Russland würden die Organisatoren der Wiener Festwochen mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen müssen. Im Rahmen eines vom Kreml initiierten Kampfes für „traditionelle Werte“ erklärte der oberste Gerichtshof in Moskau 2023 eine „internationale LGBT-Bewegung“ als extremistisch. Die öffentliche Präsentation von Plakaten wie jenem der Festwochen würde höchstwahrscheinlich als Extremismus strafrechtlich verfolgt werden und könnte mehrjährige Haftstrafen nach sich ziehen.

Besonders seit der Verschärfung des Gesetzes gegen „LGBT-Propaganda“ im Jahr 2022 ist in Russland jede positive Darstellung nicht-heterosexueller Beziehungen in Medien, Internet und Werbung verboten. Für Verstöße drohen empfindliche Strafen von bis zu 400.000 Rubel für Privatpersonen und bis zu 5 Millionen Rubel für Organisationen. Dieses Gesetz wird vom russischen Staat als Instrument zur Unterdrückung kultureller und künstlerischer Freiheit eingesetzt.

Milo Rau darf seit seinen „Moskauer Prozessen“ 2013, einer Nachstellung des Verfahrens gegen Pussy Riot (russische feministische Punkband, die durch regierungskritische Aktionen bekannt wurde), nicht mehr nach Russland einreisen. Die heutige Mahnwache, an der er persönlich teilnehmen wird, versteht er auch als Kritik an der russischen Politik, dem Einmarsch in die Ukraine und der Unterdrückung von Kunst und künstlerischer Freiheit in Russland, wie die Festwochen gegenüber der APA mitteilten.

Nach der Wiederaufhängung des Plakats um 17.00 Uhr gemeinsam mit Mitgliedern des „Rats der Republik“ und den Models der Plakatkampagne wird Rau ab 19.30 Uhr auf der Bühne des Burgtheaters bei der von ihm inszenierten erstmaligen szenischen Lesung von Elfriede Jelineks Stück „Burgtheater“ die Regieanweisungen vortragen.

Anschließend plant er, ab 23.00 Uhr am „Bed-in der Republik der Liebe“ teilzunehmen, um „ein Zeichen der Liebe und der Versöhnung zu setzen in Zeiten des Kriegs und des Hasses“.