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Traurige Kinderschicksale in den Ländern Ex-Jugoslawiens

(FOTO: iStock)

Babys, die in Wohnhäusern, auf dem Feld, in einem Container, einer Tasche am Wegrand oder neben einem Traktor liegend gefunden werden, sind nur einige der Fälle, in denen Mütter ihre neugeborenen Babys in den Ländern Ex-Jugoslawiens aussetzen. Soziale und wirtschaftliche Faktoren, Gewalt in der Familie, Vergewaltigung und Inzest sind nur einige der Gründe, aus denen sich Mütter zu diesem Schritt entschließen.

Das Schicksal „ausgesetzter“ Babys teilen nach inoffiziellen Angaben in Serbien, Kroatien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina jedes Jahr ca. 500 Kinder. „Ich war ein kleines Baby, als sie mich ablegten und gingen“, beginnt unser Gesprächspartner (Name ist der Redaktion bekannt), mit dem wir erst bei unserem dritten Treffen auf dieses schmerzhafte Thema zu sprechen kommen, das Gespräch. Dass er nicht aus einer großen Liebesbeziehung hervorgegangen war, erfuhr er erst mit 28 Jahren von einem Verwandten. Bei seinen Adoptiveltern hatte er ein Zuhause und es ging ihm gut, doch irgendetwas fehlte ihm. Was das war, erkannte er erst, als ihm die traurige Mitteilung gemacht wurde, dass er adoptiert war. „Damals fühlte ich mich erniedrigt und war wütend, dass man mir das nicht früher gesagt hatte. Ich war froh, dass wir in diesem Moment alleine waren, denn ich schämte mich. Warum, weiß ich wirklich nicht, eigentlich sollten sich diejenigen schämen, die mich ausgesetzt haben. Ich weiß wirklich nicht, warum man mir das nicht sofort gesagt hat, warum man so lange gewartet hat, bis jemand den Mut dazu aufbrachte. Die Wahrheit muss sofort gesagt werden, das ist meine Botschaft an alle Adoptiveltern und an alle, die Kinder ausgesetzt haben”, sagt unser Gesprächspartner. Derselbe Verwandte, der ihm die Wahrheit eröffnet hatte, verwies ihn auch an die Rechtsanwältin Milena Jankovic, die sich seit Jahrzehnten solcher Fälle annimmt. „Ich habe mich entschieden, dieser Arbeit mein Leben und meine Arbeit zu widmen, denn mein Baby wurde aus dem Krankenhaus gestohlen. Da ich solche Kinder wiederfinden konnte, habe ich auch Fälle angenommen, in denen Kinder ihre Eltern suchen”, erklärt Jankovic gegenüber KOSMO.

Es gibt viele Gründe, aber keiner ist gerechtfertigt

Die Gründe, aus denen Eltern ihre Kinder aussetzen, sind vielfältig, aber Jankovic betont, dass sie nicht verstehen kann, warum sie das auf so brutale Weise tun. Während ihrer mehrere Jahrzehnte umfassenden Karriere hat sie Fälle gelöst und die Eltern von Kindern gefunden, die in Amerika und Australien adoptiert wurden und dort leben. „Bei mir war ein Mädchen, das als Baby adoptiert und von den Adoptiveltern mit nach Amerika genommen wurde. In ihrem Auftrag habe ich herausgefunden, wer ihre Eltern sind. Sie ist nach Belgrad gekommen und wir haben eine kleine Feier veranstaltet. Trotz meiner Bitten ist die Mutter nicht zu diesem Kennenlernen gekommen, denn sie ist eine bekannte Richterin, und der Vater, den ich kennengelernt hatte, ist ebenfalls ferngeblieben. Ich habe ihm gesagt: ‚Wie kannst du hier herumlaufen, leben, arbeiten und reden, wo du dein Kind weggeworfen hast?’ Und ich habe ihn gefragt, ob ihm bewusst ist, was er getan hat”, sagt Jankovic und fügt hinzu, Prozentuell werden die meisten Babys in den Hauptstädten ausgesetzt, allein in Belgrad sind es nach inoffiziellen Angaben ca. 200 pro Jahr. Die Statistikbehörde führt darüber keine Evidenz. Meistens sind es Studentinnen und die legen die Babys vor Krankenhäusern, Gebäudeeingängen oder in Einfahrten gegenüber dem Institut für Neonatologie ab. „Im oben angeführten Fall war die Mutter erst 16, als sie schwanger wurde, und der Kindsvater hatte sie verlassen. Sie verbarg die Schwangerschaft vor ihren Eltern und diese bemerkten sie zu spät. Als sie es bemerkten, warfen sie das Mädchen, wie es bei uns üblich ist, wegen des Geredes und der Schande aus dem Haus. Also brachte sie das Kind in einer Geburtsklinik zur Welt und kam ohne Kind heim. So, ohne Kind, wurde sie wieder aufgenommen, und heute urteilt sie über andere Menschen“, sagt Jankovic.

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„Postnatale Depressionen, fehlender familiärer Rückhalt, oft auch schwierige wirtschaftliche Umstände, aber auch psychische Erkrankungen oder verschiedene Formen der Abhängigkeit sind Gründe für die Ablehnung eines Kindes.”

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