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Sologamie

Umstrittener Trend: Warum Frauen sich jetzt selbst heiraten

(FOTO: iStock/Tatsiana Volkava)
(FOTO: iStock/Tatsiana Volkava)

Es gibt eine Frage, die Frauen ab einem bestimmten Alter häufig gestellt wird: „Wann wirst du endlich heiraten?“ Diese Frage, oft von Familie, Freunden und sogar Fremden gestellt, kann im Laufe der Zeit von einem spielerischen Zwinkern zu einem fast befehlenden Ton wechseln. Vor dem Hintergrund dieses gesellschaftlichen Drucks und der patriarchalischen Last, die er mit sich bringt, hat sich ein neuer Trend entwickelt: die Selbstheirat.

Selbstheirat, ein Phänomen, das erstmals in den 1990er Jahren in den USA aufkam, gewinnt in jüngster Zeit an Popularität. Es handelt sich dabei um eine Zeremonie, bei der eine Person sich selbst das Ja-Wort gibt, oft mit allen traditionellen Hochzeitsritualen wie Brautkleid, Junggesellinnenabschied und sogar einer Hochzeitstorte.

Neuer Lebensabschnitt

Ein frühes Beispiel ist Linda Baker aus Los Angeles, die 1993 für Aufsehen sorgte, als sie sich selbst heiratete. Ihre Geschichte diente als Inspiration für den Fernsehfilm „I Me Wed“. Auch die britische Fotografin Grace Gelder, die sich 2014 selbst das Ja-Wort gab, wurde zu einer Verfechterin der Selbstheirat und einer Art Selbstliebe-Guru.

Gelder erklärte ihre Entscheidung zur Selbstheirat damit, dass sie sich vor ihrem dreißigsten Geburtstag an einem Scheidepunkt im Leben befand. Die Hochzeit stellte für sie einen persönlichen Meilenstein dar, den Beginn eines neuen Lebensabschnitts. Gleichzeitig hoffte sie, zukünftig offener für eine Beziehung mit einem anderen Menschen zu sein.

Pseudo-Feminismus

Trotzdem gibt es auch kritische Stimmen. Die Selbstheirat wird oft als reiner Hashtag-Feminismus abgetan, eine Möglichkeit, sich selbst als emanzipierte Frau zu bezeichnen, ohne das System der Unterdrückung in Frage zu stellen. Für 230 Dollar kann man im Internet ein Selbstheirat-Set kaufen, und es gibt sogar ein zehnwöchiges Selbstliebe-Seminar, das von einem „Pastor für Selbstheirat“ geleitet wird.

Die britische Autorin Sophie Tanner, die sich selbst als „stolze Sologamistin“ bezeichnet, verteidigte die Selbstheirat aus feministischer Perspektive: „Wenn eine Frau ohne Ehepartner heiratet, ist das eine selbstermächtigende Antwort auf eine Gesellschaft, die ihr vorschreiben will, einen Mann zu benötigen, um bis an ihr Lebensende glücklich zu sein.“

Doch die Frage bleibt: Untergräbt die Selbstheirat wirklich die patriarchale und kapitalistische Machtstruktur? Oder stärkt sie sie nur weiter? Indem man sich selbst heiratet, lässt man sich vom Patriarchat vereinnahmen – und trägt damit zur Vergrößerung seiner Reichweite und Bedeutung bei. Würde es sich tatsächlich um eine Umkehrung der traditionellen Machtstrukturen handeln, gäbe es auch sich selbst heiratende Männer, von denen die Medien berichten.

Geburtstagsfeier als Alternative?

Selbstheirat scheint eine eigenartige Erscheinung zu sein, insbesondere wenn man bedenkt, dass ja auch der Geburtstag, das als eine Zeit der Selbstfeier fungiert. Die Frage, die sich dabei stellt, ist, welches spezielle Ziel mit einer Solo-Hochzeit verfolgt wird, das nicht auch durch eine ausgelassene Geburtstagsfeier, einen erholsamen Strandurlaub oder einige therapeutische Sitzungen erreicht werden könnte.

Das Hauptproblem, liegt darin, dass genau die unbedeutendsten Elemente einer traditionellen Hochzeit im Mittelpunkt stehen: die exorbitanten Kosten, die festgefahrenen Rollenklischees und der Wunsch, für einen Tag im Rampenlicht zu stehen. Sicherlich können Frauen in der westlichen Kultur mehr Selbstliebe gebrauchen, das ist offensichtlich. Selbstfeier ist grundsätzlich positiv, aber es ist weder radikal noch revolutionär, der Illusion zu erliegen, dass Selbstwert mit dem Gefühl, einen Tag lang wie ein Star zu sein, mit Geldausgaben oder sogar mit einer Heirat verbunden ist.

Die Diskussion bleibt offen. Ist die Selbstheirat eine Form der Selbstermächtigung oder nur eine weitere Form der Unterwerfung unter das Patriarchat?