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REPORTAGE

Wahre Helden: Das sind die Balkan-Tierärzte mit Herz

Familie Jašarević (von links nach rechts): Emin mit dem Kater Kenzo, Zerina, Mirsad und Edin mit der Katze Emma. (FOTO: KOSMO)

Mirsad Jašarević:
„Es darf nicht zur Routine werden”

Es kommt nicht jeden Tag vor, dass man eine Ordination betritt, die von einer ganzen Familie geführt wird. Aber genau das ist der Fall in der „Tierambulanz Prater”, die Mirsad Jašarević mit seiner Frau Zerina, den Söhnen Emin und Edin und der Tochter Enida betreibt. Auch wenn sie nicht alle Tierärzte sind, ist ihnen eines gemeinsam: eine große Liebe zu Tieren.
„Meine Frau und ich sind 1992 mit unseren beiden Söhnen Emin und Edin als Flüchtlinge aus Brčko nach Österreich gekommen. Wie für alle Flüchtlinge war es auch für uns in den ersten Jahren schwer, aber wir haben unsere Kraft zusammengenommen, Deutsch gelernt und uns an die neue Kultur und Umgebung angepasst. Die veterinärmedizinische Fakultät hatte ich schon 1979 in Sarajevo abgeschlossen und habe bis zum Beginn des Krieges in der Tierarztstation in Brčko gearbeitet”, erzählt uns Mirsad.

An der Vetmeduni in Wien nostrifizierte er Ende 1994 sein Diplom von der Fakultät in Sarajevo. Anschließend schrieb er sich zum Doktoratsstudium an der Wiener Veterinärmedizinischen Fakultät ein, das er 1997 mit dem Titel Dr. med. vet. erfolgreich abschloss.
„Mein professioneller Weg begann mit der Arbeit im Wiener Tierschutzhaus 1998. Das war ein Heim, in dem sehr viele Tiere wie Katzen, Hunde, Hasen, Kaninchen, exotische Vögel und Reptilien untergebracht waren. Wir hatten sogar einen Leoparden, einen Tiger und einige Affen (Schimpansen). Dort war ich fast neun Jahre. In dem Heim hatten wir sehr viel Arbeit, sodass ich Seite an Seite mit sehr kompetenten und erfahrenen Kollegen enorme Erfahrung gewonnen habe. Ich habe als Ordinationsassistent begonnen, bin aber schnell aufgestiegen und war nach ein paar Jahren Leiter des tierärztlichen Dienstes in derselben Ordination, die ich dann vier Jahre lang erfolgreich führte. Diese wertvolle Erfahrung bildete die Grundlage, um 2007 ganz problemlos meine Privatordination (Tierambulanz Prater) zu eröffnen, die noch heute zahlreichen Patienten hochwertige Leistungen bietet.”

In die „Tierambulanz Prater” kommen Hunde, Katzen, Kaninchen, Ratten, Mäuse, Hamster, aber auch Schildkröten und Reptilien. Unsere Tätigkeiten sind: innere Medizin (innere Krankheiten bei Kleintieren), Chirurgie (Kastrationen, Operationen von Tumoren, Hernien, korrektive Operationen usw.), bildgebende Diagnostik (wir besitzen ein modernes Ultraschallgerät und das modernste Röntgengerät) und wir führen auch Blutdiagnostik durch. Zu Beginn dieses Jahres hat mein jüngerer Sohn Edin mit der Pflege, dem Waschen und Frisieren von Haustieren (Katzen und Hunden) begonnen, sodass wir unseren Patienten auch diesen Service anbieten können.”

Emins (links) engeres Fachgebiet sind die innere Medizin und die bildgebende Diagnostik. Edin (rechts) hat WU abgeschlossen und hilft in der Ordination, in dem er Hunde und Katzen wäscht und frisiert. (FOTO: KOSMO)

Am Anfang waren die Klienten noch überwiegend Österreicher, aber als sich herumgesprochen hatte, dass hier ein Landsmann von uns als Tierarzt arbeitete, kamen auch Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Uns hat interessiert, ob es Unterschiede zwischen den Österreichern und den Balkanesen gibt, was die Beziehung zu ihren Tieren betrifft. „Dieser Unterschied in der Beziehung zu den Tieren verliert sich allmählich. Heute ist die Situation mit der vor zehn Jahren nicht mehr zu vergleichen. Viele unserer Klienten sagen, dass sie es nicht geglaubt hätten, wenn ihnen vor ein paar Jahren jemand gesagt hätte, dass sie einmal einen Hund haben würden, der mit ihnen im Bett schläft. Manchmal nimmt es die Klientel vom Balkan mit den Kontrollen nicht so genau wie die Österreicher, aber auch das wird langsam besser.”
Nach der Nostrifikation ihres Diploms an der juristischen Fakultät entschied sich auch Mirsads Frau Zerina, der Kinder und der Familie wegen in der Praxis ihres Mannes mitzuarbeiten, und auch Mirsads Sohn Emin schloss 2017 die Vetmeduni in Wien ab.

Das Einschläfern eines Tieres muss ein Akt sein, der es von Qualen befreit, und es darf zu diesem Zweck nur eingesetzt werden, wenn es kein anderes Mittel mehr gibt.

Mirsad Jašarević

„Mein engeres Fachgebiet sind die innere Medizin und die bildgebende Diagnostik. Außerdem gebe ich sowohl in der Ordination als auch auf meinem YouTube-Kanal „Tierisch gesund” praktische Ratschläge für die Gesundheit, Ernährung und Pflege unserer Haustiere. Die innere Medizin ist ein großes Gebiet, das permanente Weiterbildung und Auffrischung des Stoffs erfordert. Manchmal kommt es vor, dass der Grund einer Krankheit oder eines Symptoms sehr schwer zu finden ist. Wenn wir in die Situation kommen, dass wir nicht weiterwissen, dann schicken wir die Patienten zur Analyse in eine Fachklinik“, erklärt Emin, dessen Kanal ca. 16.000 Follower zählt und der die Liebe zur Tiermedizin von seinem Vater geerbt hat. „Ich hatte in meiner Jugend verschiedene Interessen, von Technik bis zu Mathematik. Aber als ich meinem Vater bei der Arbeit geholfen habe, habe ich begriffen, dass die Tiermedizin alle meine Interessen vereinigt und ich so außerdem die Möglichkeit habe, Tieren zu helfen”, fügt Emin hinzu.

Unsere Tiere sind uns ausgeliefert, und wenn wir uns nicht um sie kümmern, geht es ihnen nicht gut.

Mirsad Jašarević

Emin und Mirsad sind sich einig, dass es der schönste Teil ihrer Arbeit ist, einem Tier zu helfen, das krank oder verletzt ist, und der schwerste, wenn sie ein Tier einschläfern müssen.
„Ein Tier einzuschläfern, muss ein Akt sein, um das Tier von Qualen zu befreien. Er darf auch nur dafür angewendet werden. Wenn ein Tier leidet und wir ihm nicht anders helfen können, dann ist das gerechtfertigt. Und dann machen wir es schweren Herzens. Aber es kommt manchmal vor, dass Besitzer denken, dass es Zeit sei, ein Tier einzuschläfern, die Situation aber eigentlich noch keine Einschläferung erfordert. Dann lehnen wir das Einschläfern ab, wenn es nicht die einzige Lösung ist”, sagt Mirsad und fügt hinzu, dass es auch Situationen gibt, in denen es Missverständnisse mit den Besitzern gibt: „Wichtig ist, dass die Besitzer wissen, dass bei uns Tiere und ihr Wohlergehen an erster Stelle stehen. Die Hunde und Katzen sind uns ausgeliefert. Nicht sie haben sich uns ausgesucht, sondern wir sie, und wenn wir uns nicht um sie kümmern, wie es sich gehört, dann können sie gesundheitlich und emotional gefährdet sein.”

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