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INTERVIEW

„Wir sind eine hybride Kultur. Wer das nicht versteht, ist nicht ‚on the right track‘“

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„Kunst ist eine essentielle Ausdrucksform. ? Es gab immer Jobs die mehr Geld eingebracht haben als Kunst“, erklärt die Wiener Stadträtin für Kunst und Wissenschaft Veronica Kaup-Hasler. (FOTO: KOSMO)

Geboren in Dresden als Tochter eines österreichischen Schauspielers und einer deutschen Sängerin zog die heutige Wiener Stadträtin für Kunst und Kultur im Alter von zwei Jahren nach Wien. Vor ihrem Mandat leitete sie das Festival „Steirischer Herbst“.

KOSMO: Die Kunstinstallation am Wiener Rathaus sorgte für zahlreiche Schlagzeilen und hat in der Öffentlichkeit eine Diskussion über die Notwendigkeit losgetreten. Warum ist solch ein öffentlich sichtbares Projekt von großer Wichtigkeit?
Veronica Kaup-Hasler: Ich glaube, dass Kunst Zeichen setzen kann. Kunst darf Fragen aufwerfen, muss keine klare Botschaft haben und darf ambivalent sein. In diesem Fall finde ich die Botschaft aber ziemlich eindeutig und klar. Dafür spricht die Tatsache, dass der Bürgermeister mit mir entschieden hat, das nicht zu vermarkten und Geld damit zu machen. Dann habe ich Künstlerinnen eingeladen, einfach nachzudenken was das heißt, ein Zeichen zu setzen – in einer Stadt, an diesem zentralen Ort, der natürlich auch für Politik steht, aber wo auch Gemeinschaft verhandelt wird. Wie regeln wir unsere Gemeinschaft und wie schaffen wir es, die Stadt gut zu führen? Die Künstlerinnen haben ein Zeichen geschaffen, welches für mich generationenübergreifende Solidarität bedeutet. Einer trägt den anderen und ist fest geerdet.

Generell wird nicht selten über den „Nutzen von Kunst und Kultur“ diskutiert. Gleichzeitig haben viele – vor allem junge – Künstler Angst, nicht von ihrem Schaffen leben zu können. Ist Kunst also wirklich „brotlos“, wie es die Redensart besagt?
Leider ist es für sehr viele so. Gleichzeitig gibt es aber so viele Menschen, die sagen, dass es für die selbst ein existenzieller Ausdruck ist. Warum schreiben Leute Gedichte, warum beginnen Leute zu komponieren, warum hat Mozart jemals gesagt, dass er Musik machen möchte? Es gab immer Jobs die mehr Geld eingebracht haben als Kunst. Ganz wenige – und das ist meistens im Bereich der bildenden Kunst – verdienen exorbitante Summen. Wie sich herausgestellt hat ist Kunst die absolut sicherste Anlage, auch besser als Gold. Gerade in der Kunst gibt es oft einen unappetitlichen Zusammenhang zwischen Markt und Kunst. Dann gibt es aber auch eine Masse an Künstlern und Kunstschaffenden, die viel zu wenig haben. Diese bilden die Avantgarde eine Gesellschaft, wo sie viel zu wenig haben und von einem zum nächsten Einzeljob hüpfen, um gerade zu überleben. Um Geld auf die Seite zu legen, dafür ist viel zu wenig da und das wird in der Zukunft, glaube ich, ein großes Problem werden. Wir stehen vor der Altersarmut vieler Künstler und wir müssen uns rechtzeitig dagegen wappnen. Wir können auch nicht zu viele Künstler fördern, denn wir müssen schauen, dass wir weiterhin ein Exzellenzkriterium haben.

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„Die Leute wollen nicht unter Ex-Jugoslawien in einen Topf geworfen werden, sondern sind sehr stark darauf bedacht, dass sie individuell als Künstler wahrgenommen werden“, unterstrich Veronica Kaup-Hasler. (FOTO: KOSMO)

Die Anzahl an Kulturschaffenden in den verschiedenen Migrantencommunitys steigt stets, vor allem aus dem ex-jugoslawischen Raum. Oftmals werden diese jedoch unter dem Schirm der „Migrantenkunst“ präsentiert. Wie stehen Sie zu dieser Einordnung?
Nach dem Krieg gab es Ländershows. Diese geografische Vereinnahmung und die damit einhergehende Erwartung bestimmter Inhalte finde ich grundsätzlich problematisch. Die Leute wollen, zum Beispiel, nicht unter „Ex-Jugoslawien“ in einen Topf geworfen werden, sondern sind sehr stark darauf bedacht, individuell als Künstler wahrgenommen zu werden. Wir wissen, wir sind in Zeiten des Marketings, für viele Förderer und Förderinstitutionen ist es schon leichter „Ja“ zu sagen, aber die wirklich guten Institutionen achten überhaupt nicht mehr auf diese Origin-Geschichte. Zum Beispiel Suzana Iveković. Ich weiß nicht, ob sie Serbin oder Kroatin ist und das ist auch gut so, denn das zeigt, ihren Stellenwert, ungeachtet ihrer Herkunft.

Es gibt zum Beispiel Schriftsteller, die sich spezifisch mit Migration auseinandersetzen. Saša Stanišić lebt und arbeitet in Deutschland und schreibt seine Romane auf Deutsch. Wie wichtig ist es, dieses Thema dennoch künstlerisch aufzugreifen?
Sehr wichtig, jedoch muss dies von den Künstlern selbst kommen. Wir Österreicher sind viel zu arrogant. Wir wissen gar nicht was für wunderbare und großartige PhilosophInnen und Denkerinnen, bzw. was für tolle Leute in diesen Ländern sind und welche schriftstellerische Kultur es dort gibt. Ein weiteres Beispiel ist Dževad Karahasan, der aus Sarajevo kommt. Mich hat diese Thematik immer interessiert, aber ich finde die Leute müssen selbst mit Themen kommen, die ihnen unter den Fingernägeln brennen. Wir sind eine hybride Kultur und wer nicht erkennt, dass dies ein Reichtum ist, der ist leider nicht „on the right track“. Unsere DNA ist Migration. Europas DNA ist permanentes Austauschen. Wir sind leider in Zeiten, in denen man dem mit Angst begegnet und das ist falsch.

ZEICHEN SETZEN

Kunst darf Fragen aufwerfen und ambivalent sein.

Das Budget der Stadt Wien für Kunst und Kultur wurde für 2019 auf 258 Millionen erhöht. Wofür werden die zusätzlichen finanziellen Mittel verwendet?
Eigentlich vor allem für „Repair and Care“. Also um Unterdotierungen aufzufangen, aber auch die Entschuldung vom Konzerthaus. Es ist auch eine Initiative in die Bezirke hineinzugehen. Es ist ein großes Anliegen nicht nur alles im Zentrum zu bündeln, sondern auch in die Bezirke zu gehen. Zum Beispiel gibt es eine Clubförderung von uns. Wir setzen in vielen Bereichen Initiativen für eine Kunst, die auch für andere Generationen und Schichten öffnet.

Die Wiener Festwochen laufen noch bis zum 15. Juni. Traditionell wurde das fünfwöchige Kultur-Festival vor dem Rathaus eröffnet, ein Teil jedoch in die Donaustadt verlegt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Die Rathauseröffnung ist traditionell der Auftakt. Jelena Popržan hat hier gespielt, das war fantastisch. Das erste Wochenende war ganz, oder vorwiegend in der Donaustadt. Es ist ein wichtiges Zeichen zu sagen, dass diese Festwochen sind ein Festival der Stadt. Das war also schon bewusst. Ich habe das aber nicht angeordnet, sondern der Christop Slagmuylder, der neue Direktor der Wiener Festwochen. Er hat gesagt, ein Festival müsse in der Stadt spürbar sein und solle sich nicht nur auf die traditionellen Orte beschränken.

Parallel tourt ab erstem Juni das „Wir Sind Wien. Festival“ durch die Hauptstadt. Worauf dürfen sich die Bürger dieses Jahr freuen?
Da lebt die Bezirkskultur in Reinform. Das sind viele kleine Initiativen und viele Künstler der jeweiligen Bezirke, die etwas gemeinsam machen. Die Wiener Festwochen bringen das Internationale in den Dialog mit der Stadt. Es geht hier um die mikrokosmische Erkundung.

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„Die neuen kulturellen Stadtlabore verstärken die kulturelle Arbeit in den Bezirken. Sie sind ein Versuch, Impulse zu setzen und ein niederschwelliges Kulturangebot für alle Menschen.“ (FOTO: KOSMO)