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KÄRNTEN

100 Jahre Volksabstimmung: Jugoslawen für Österreich, Deutschsprachige für Jugoslawien

(FOTO: Wikimedia Commons/Naturpuur)

Heute, am 10. Oktober, feiert Kärnten 100 Jahre Volksabstimmung. Eine knappe Mehrheit der Kärntner Slowenen stimmte nach dem Ersten Weltkrieg  für den Verbleib in Österreich, fast ein Viertel der deutschsprachigen Bevölkerung hingegen für Jugoslawien.

Nach dem Ersten Weltkrieg sind die Grenzen in ganz Mitteleuropa neu gezogen worden. In Südkärnten wurde die Bevölkerung am 10. Oktober 1920 gefragt, ob sie zum Königreich Jugoslawien gehören oder bei Österreich bleiben wolle. Dabei entschied sich in Unterkärnten auch eine Mehrheit der slowenisch-sprachigen Bevölkerung bei der Volksabstimmung für den Verbleib bei Kärnten. Das hat viele Gründe: Ein Faktor war auch die Rolle, die serbische Truppen bei der Besetzung Kärntens durch südslawische Einheiten in den Jahren 1919 und 1920 spielten.

Misstrauen gegen Serben in Kärnten
Ein wichtiges Faktor, weswegen sich die damaligen Jugoslawen für einen Verbleib Kärntens in Österreich entschieden, war das große Misstrauen gegenüber den Serben: „Die serbischen Einheiten erwiesen sich als nicht gerade gut, weil sie Gefangene oder Geiseln nahmen. Über sie beschwerte sich die lokale Bevölkerung. Sie verstanden einander nicht und es kam keine Verbindung zustande. Dieses Misstrauen gegenüber den Serben spielte eine große Rolle bei der Abstimmung“, erklärteDragan Matic, Archivar im Staatsarchiv in Laibach, bei einem Interview mit dem ORF.

Propaganda vor dem Votum
Dieses Misstrauen, spiegelt sich auch in den Kampagnen wider, die vor der Abstimmung mit Flugschriften und Ansichtskarten geführt wurden. Der Kampf wurde mit allen Mitteln der Propaganda geführt: 60 Prozent der Stimmberechtigten waren Frauen. Sie sollten ihre Söhne nicht für den serbischen König in den Krieg ziehen lassen, hieß es auf den Plakaten.

Plakate vor der Abstimmung, die in einem slowenischen Museum hängen: „Mama, stimmen Sie nicht für Jugoslawien, weil ich sonst für König Peter kämpfen muss“
(FOTO: Wikimedia Commons/Naturpuur)

Rund 37.200 Männer und Frauen – Letztere zum ersten Mal überhaupt – waren am 10. Oktober 1920 wahlberechtigt und sollten über die Zugehörigkeit Südkärntens entscheiden. Das Resultat ist bekannt: Über 59 Prozent stimmten für Österreich, knapp 41 Prozent für das Königreich Jugoslawien. Was jedoch erst kürzlich in der Historienforschung bekannt wurde: Rund 13.000 der Kärntner Slowenen – also eine knappe Mehrheit von 51 Prozent – stimmten nicht für die Zugehörigkeit von Kärnten zu ihrem Heimatland Jugoslawien, sondern für den Verbleib in Österreich.

Dieser „Bruch“ mit dem eigenen Land mag zwar die auf beiden Seiten der Karawanken teilweise noch immer nationalistisch gefärbte Geschichtsbetrachtung erschüttern, für den Wahlforscher Guido Tiemann wird der „ethnische Aspekt“ bei dieser Abstimmung aber weit überschätzt: „Der ethnolinguistische Aspekt spielte bei der Abstimmung natürlich eine wichtige Rolle. Sein Einfluss wird aber überschätzt.“

Erklärungen jenseits von „Blut“ und Sprache
Es gebe jedoch noch eine Reihe anderer Erklärungen für das Abstimmungsverhalten jenseits von „Blut“ und Sprache, sagte Tiemann. Allen voran wirtschaftliche: Für slowenisch-sprachige Bauern sprach das Argument für Österreich, dass der Markt in Klagenfurt leichter zu erreichen war als jener in Ljubljana. Dazu sei laut Tiemann das Motiv gekommen, am Status quo nichts ändern zu wollen, sowie der traditionell starke Einfluss der Sozialdemokratie, die deutlich für Österreich plädierte. Aus Sicht deutschsprachiger Eliten sprach wiederum für den SHS-Staat, dass sie dort große Besitztümer hatten.

Landesregierung gab Versprechen ab
Kurz vor der Abstimmung gab die Kärntner Landesversammlung das Versprechen ab, dass sie die „sprachliche und nationale Eigenart (der Slowenen) jetzt und alle Zeit wahren will“. Die rund 10.000 Kärntner Slowenen, die für Jugoslawien gestimmt hatten, wurden hingegen als Verräter gehandelt: „Nur ein Menschenalter haben wir Zeit, diese Verführten zum Kärntnertum zurückzuführen“, schrieb der damalige Kärntner Landeschef, Arthur Lemisch, am 20. Oktober 1920.

Im Jahr 2020 schlug der Kärntner Heimatdienst versöhnlichere Töne an. Obmann Josef Feldner sagte, man versuche, von einer ausschließlich heroisierenden Sichtweise dieser Ereignisse wegzukommen: „Das darf es nicht mehr geben. Jeder, der damals für Jugoslawien gestimmt hat, hatte das Recht darauf“.