Ein Grazer Ehepaar sorgte für Aufsehen in der österreichischen Justiz, nachdem ein vermeintlicher Sozialversicherungsbetrug im Dezember 2024 aufgedeckt wurde. Das Paar hatte über einen Zeitraum von 35 Jahren zwölf Eheschließungen und ebenso viele Scheidungen vollzogen, um wiederholt Witwenpensionen zu beziehen.
Der Ursprung lag im Tod des ersten Ehemanns der Frau vor mehr als vier Jahrzehnten. Nach polizeilichen Ermittlungen belief sich der entstandene Schaden auf etwa 326.000 Euro. Dennoch stellte die Staatsanwaltschaft Graz das Verfahren ein.
Auf Nachfrage bezüglich eines Berichts der „Kleinen Zeitung“ verwies die Staatsanwaltschaft auf die Ediktsdateien (öffentliche Bekanntmachungen der Justiz) des Justizministeriums. Dort wurde die Einstellung der Ermittlungen juristisch begründet: Der Betrugstatbestand erfordere, dass getäuschte und verfügende Personen identisch sein müssen. Da der Schaden erst durch weitere Handlungen eintrat, fehle die für Betrug notwendige Unmittelbarkeit. Lediglich die Scheidungsrichter seien getäuscht worden. Das Paar hatte der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) stets ordnungsgemäß die Scheidungsdokumente vorgelegt.
Zwölf Eheschließungen
Die Landespolizeidirektion hatte den Fall im Dezember 2024 publik gemacht. Die heute 73-jährige Witwe heiratete ihren zweiten Mann erstmals 1982 und ließ sich sechs Jahre später von ihm scheiden, wodurch sie erneut Anspruch auf Witwenpension erhielt. Das Paar, das durchgehend in einem gemeinsamen Haushalt lebte, wiederholte dieses Vorgehen bis 2022 weitere elf Male. Nach jeder Scheidung und Einhaltung einer zweieinhalbjährigen Wartezeit erhielt die Frau abwechselnd die gesetzliche Witwenpension oder eine Abfertigung in Höhe des 2,5-fachen Jahresbezugs.
Nach der letzten Scheidung im Mai 2022 lehnte die PVA die erneute Gewährung der Pension ab. Die Betroffene focht diesen Bescheid bis zum Höchstgericht an, das jedoch die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigte.
Rechtsmissbräuchliches Verhalten
Die polizeilichen Untersuchungen ergaben, dass das Paar eine vorbildliche Ehe führte und nie getrennt lebte. Eine tatsächliche Zerrüttung der Beziehung lag nicht vor. Bemerkenswert ist, dass das soziale Umfeld der beiden von den wiederholten Eheschließungen und Scheidungen offenbar nichts mitbekommen hatte. Die Polizei hatte das Ehepaar wegen Verdachts auf schweren gewerbsmäßigen Betrug angezeigt.
Laut Einstellungsedikt machten die Beschuldigten von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern.
„Das wenn auch ohne Frage jahrelange rechtsmissbräuchliche Verhalten der beiden Beschuldigten vermag demnach keinen strafrechtlichen Tatbestand zu erfüllen, sodass das Ermittlungsverfahren gemäß Paragraf 190 der Strafprozessordnung einzustellen war.“
Rechtliche Grauzone bei Witwenpensionen
Pensionsrechtsexperten weisen darauf hin, dass der §264 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) den Witwenpensionsanspruch geschiedener Partner grundsätzlich auf die Höhe des zuvor geleisteten Unterhalts begrenzt. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Scheidung ausschließlich wegen Verschuldens des verstorbenen Ex-Partners erfolgte.
Obwohl der Fall des Grazer Paares einzigartig erscheint, verdeutlicht er eine problematische Rechtslücke. Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) prüft zwar regulär Scheidungsdokumente auf ihre formale Korrektheit, kann jedoch ohne konkrete Hinweise auf Täuschungsabsicht kaum präventive Maßnahmen ergreifen.
Juristen betonen die Schwierigkeit, bei formal korrekten Dokumenten einen vorsätzlichen Betrug nachzuweisen – selbst bei offenkundigem Systemausnutzen wie in diesem Fall. Diese rechtliche Grauzone könnte den Gesetzgeber zum Handeln zwingen, um ähnliche Fälle künftig zu verhindern.
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