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ATOMKRAFT

AKW Mochovce: Eine tickende Nuklearbombe für ganz Europa

STOPP MOCHOVCE
STOPP MOCHOVCE (FOTO: Facebook/GLOBAL 2000)

MOCHOVCE. Das verschriene Atomkraftwerk befindet sich nur rund 150 km von Wien entfernt. Aufgrund technische Mängel droht eine Wiederholung des furchtbaren Szenarios von Tschernobyl aus dem Jahre 1986.

In den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entschied sich die Tschechoslowakei, vier Atomreaktoren des sowjetischen Typs VVER 440/213 unweit des Ortes Mochovce zu erbauen. Mit dem Bau wurde 1985 begonnen und bereits 1993 wurde er aus wirtschaftlichen Gründen pausiert. Danach folgte die Fertigstellung der Reaktionen 1 und 2, die 1998 bzw. 1999 in Betrieb gingen. Die Reaktoren 3 und 4 sind bis heute unvollendete Baustellen.

Erweckte Ruinen
Insgesamt zehn Jahre standen die Bauarbeiten an den Reaktoren 3 und 4 still, bis im Jahr 2008 die Entscheidung zur Fertigstellung getroffen wurde. Diese Entscheidung erschütterte die Öffentlichkeit und viele Experten stellten die Frage, wie man zwei komplett verwahrloste Reaktoren mit veralteter Technologie überhaupt weiterbauen könne. Die Inbetriebnahme war zuerst für 2012 und später für 2018/19 geplant. Die Kosten für das „Wiederbeleben“ der Ruinen explodierten von 2,8 auf 5,7 Milliarden Euro und übertrafen aufgrund schlechten Managements in kürzester Zeit alle Erwartungen.

Korruption und Affären
Die Fertigstellung der veralteten Reaktionen, die Prolongierung der Bauarbeiten, Proteste durch die Bevölkerung – all dies lässt vermuten, dass hinter den Plänen für die Zukunft dieses AKW Verschleierungen, Lügen und Korruption stecken. Mit der Zeit kamen immer mehr Affären ans Licht. Alles Begann im Jahr 2004 als die Privatisierung des einzigen Stromanbieters in der Slowakei, Slovenské elektrárne in die Wege geleitet wurde. Das italienische Unternehmen Enel kaufte 66 Prozent der Anteile am slowakischen Unternehmen mit dem Versprechen, im Gegenzug die zwei verbleibenden Reaktoren in Mochovce fertigzustellen – ungeachtet der Tatsache, dass eine Erfüllung moderner Sicherheitsstandards mit solch veralteter Technologie unmöglich ist.

Die Technologie in den Reaktoren ist dermaßen veraltet, dass es sogar keinen Strahlenschutz (Containment) gibt.

„Das Management von ENEL ist erwiesenermaßen inkompetent, zwei frühere Top-Manager wurden im April 2019 wegen Korruptionsverdacht über 23 Millionen Euro festgenommen. Durch mangelnde Baukoordination und regelrechtem Pfusch am Bau kam es zu immer neuen Verzögerungen und Kostensteigerungen, wie auch die – ebenfalls atomfreundiche – Vereinigung der Atomkraftwerksbetreiber WANO in einem an uns geleakten Report 2017 feststellte“, erklärte uns Dr. Reinhard Uhrig, Teamleiter und Anti-Atom-Campaigner von GLOBAL 2000, österreichischer Umweltschutzorganisation.

Der Bericht der World Association of Nuclear Operators (WANO MO34/PRZ-10/2017) zeugt von der systematischen Vernachlässigung der Sicherheit bei der Errichtung der Blöcke 3 und 4 des AKW Mochovce, die zu unkalkulierbaren Unfällen führen kann. Die Vereinigung der Betreiber von Nuklearanlagen stellt sich in der Regel gegenseitig öffentlich wirksame Zeugnisse höchster Betriebssicherheit aus; der geleakte kritische Bericht, ist aber die absolute Ausnahme. Allein die hohe Anzahl von 47 Empfehlungen im geleakten WANO-Bericht ist außerordentlich, sowie auch deren Inhalt. Generell werden Schritte empfohlen, die seit Baubeginn völlig selbstverständlich seine sollten. Besonders brisant wird in Empfehlung 1 festgestellt, dass es durch nicht klar definierte Verantwortlichkeiten unter anderem zu unerwarteten Fehlern von Komponenten und deren verkürzter Lebensdauer kommen kann. „Das bedeutet im Klartext Komponentenversagen mit einer Kette von nachfolgenden Konsequenzen bis hin zum Ausfall von kritischer Infrastruktur und zu schweren Unfällen, bei einem Reaktortyp ohne modernes Containment, auf technischem Stand der 1970er-Jahre“, resümierte Dr. Uhrig.

STOPP MOCHOVCE:
Warum GLOBAL 2000 das Aus für Mochovce fordert?
– Der Ausbau des AKW Mochovce vergrößert das atomare Risiko für die ganze Region – also auch für Österreich.
– Die vorgesehenen Reaktorkonzepte stammen aus den 70er-Jahren und sind völlig veraltet.
– Ein Volldruck-Containment, das bei einem Unfall radioaktive Stoffe zurückhalten kann, fehlt.
– Die Anlage ist unzureichend gegen Flugzeugabstürze und Erdbeben gesichert.
– Eine Lösung für die Lagerung des anfallenden Atommülls gibt es, wie weltweit, auch in der Slowakei nicht.
– Die Öffentlichkeitsbeteiligung beim Inbetriebnahmeverfahren zu Mochovce 3 & 4 war eine reine Farce, da die relevanten Informationen in den benötigten Dokumente für eine objektive Bewertung großteils geschwärzt wurden.
– Wassertests ergaben 2017 eine 13-fache Grenzwertüberschreitung von radioaktivem Wasserstoff im Fluss nahe des AKWs, verursacht durch die beiden alten Reaktoren 1 & 2.
– Ein geleakter WANO Bericht und Whistleblower bestätigten uns schwere Mängel auf der Baustelle.

Neben Korruption und dem Verfolgen von persönlichen Interessen muss man zudem anmerken, dass Enel bis 2004 kein einziges AKW betrieb. Zudem kam es zu keiner Kontaktaufnahme zwischen dem italienischen Unternehmen und jenen Firmen, die bis zur Privatisierung die Bauarbeiten an den Reaktoren durchführten. Anstatt dessen heuerte Enel eine Baufirma an, die bis dato keine Erfahrung im Bau von Atomkraftwerken vorzuweisen hatte. Währenddessen ignorierte die slowakische Atomaufsichtsbehörde UJD diese Situation stillschweigend. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich bei der Fertigstellung der Reaktoren 3 und 4 um interne und schmutzige Abmachungen handelt, die die Bereicherung von Einzelpersonen zum Ziel hat. Von den erwähnten Summen in Milliardenhöhe konnte jeder eine Scheibe für sich abschneiden – auf Kosten der Umwelt und der Sicherheit aller umliegenden Staaten und deren Bevölkerung.

Reaktor 3 und 4 – ein nukleares Roulette
Die Technologie aus den 70er-Jahren ist heute mehr als nur überholt. Die Reaktoren verfügen nicht einmal über eine adäquate Dämmung, die im Falle eines Unfalles die radioaktive Strahlung aufhalten würde. Zudem ist die Anlage nicht ausreichend gegen Flugzeugabstürze, Terrorangriffe und Erdbeben geschützt und bis heute weiß man nicht wohin mit dem Atommüll. „Das Sicherheitskonzept der sowjetischen Reaktoren in Mochovce stammt aus den 1970er-Jahren, sie sind z. B. nicht gegen den Absturz eines großen Verkehrsflugzeugs geschützt oder gegen Terrorismus.“

„Ein Super-GAU in Mochovce würde Zentral- und Südeuropa verseuchen, darunter natürlich auch Österreich.“

„Bei einem Super-GAU z. B. aufgrund von Ausfall der Kühlung wäre ganz Mitteleuropa betroffen – Tschernobyl war über 1000 Kilometer von Österreich entfernt und hat massive Mengen von radioaktiven Stoffen als Fallout in Österreich deponiert, Mochovce ist nur 100 Kilometer von Österreich entfernt“, warnt Dr. Uhrig und erwähnt eine Studie der BOKU Wien aus dem Jahr 1995, in welcher Professoren und Studenten einen Supergau in allen AKWs simulierten. Diese ist öffentlich HIER abrufbar. „Ein Fallout in Mochovce würde gesamt Zentral- und Südeuropa verseuchen, darunter natürlich auch Österreich“.

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