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INTERVIEW

Alma Zadic: ,,Der Westbalkan soll zusammenwachsen“

(Foto: Igor Ripak)

Wir sprachen mit der Justizministerin Alma Zadic (Grüne) über Korruption, Fachkräftemangel, zukünftige Pläne für die Justiz sowie die Zukunftsperspektiven für die Jugend.

KOSMO: Justizwachebeamte sprechen von Personalmangel und „diskriminierenden” Gehältern. Dieser Fachkräftemangel ist ein Sicherheitsrisiko. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?
Alma Zadic: Als ich ins Amt gekommen bin, hatte es noch geheißen: Die Justiz stirbt einen stillen Tod. Der Grund dafür war, dass man in den letzten zehn Jahren vor meiner Amtszeit massiv im Justizbereich gespart hatte. Deswegen habe ich mich seit meiner Ernennung als Justizministerin sehr stark für mehr Budget im Bereich der Justiz eingesetzt.

Denn die Justiz ist essenziell für den Rechtsstaat und unsere Demokratie.

Außerdem muss die Justiz als unabhängige Säule der Demokratie gestärkt werden. Somit spielt auch der Strafvollzug in diesem sensiblen Gefüge eine sehr wichtige Rolle. Wir haben sowohl mehr Planstellen in dem Strafvollzug als auch mehr Ressourcen für den Straf- und Maßnahmenvollzug erhalten. Allein im aktuellen Budget sind dafür 113 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen. Nun mussten wir jetzt aber feststellen, dass wir die Planstellen, aber nicht genügend Nachwuchskräfte haben. Daher mein Appell an alle, die sich für die Justiz interessieren: Der Beruf der Justizwache ist ein sehr schöner und auch ein herausfordernder Beruf. Mit dieser Arbeit leistet man einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit unserer Gesellschaft. Gleichzeitig hat man aber auch die Möglichkeit, Insassen und Insassinnen in ein straffreies Leben zu führen. Wir haben offene Planstellen, auf die man sich bewerben kann und wir haben auch schon eine Rekrutierungskampagne gestartet.


KOSMO: Dieses Jahr belegt Österreich im internationalen Ranking „Corruption Perceptions Index” den 22. Platz. Ist der Rangverlust dem Korruptions-Untersuchungsausschuss zu verdanken? Welche Maßnahmen gibt es in diesem Sinne noch?
Alma Zadic: Wir spüren in diesen Rankings die Auswirkungen des Ibiza-Skandals, aber auch die jüngsten Korruptionsvorwürfe gegen einige österreichische Spitzenpolitiker. Als Bundesregierung müssen wir daran arbeiten, jede Form von Korruption zu verhindern. Für mich sind vor allem drei Punkte wichtig, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie zu stärken. Erstens: Transparenz – wir müssen staatliches Handeln transparent machen. Denn die Handlungen der staatlichen Verwaltungsorgane sollten sichtbar sein. Zweitens: effiziente Strafverfolgung. Das ist deshalb so wichtig, weil wir von Experten und Expertinnen wissen, dass man Straftaten nur dann verhindern kann, wenn die Täter auch wissen, dass sie erwischt werden.

In den letzten drei Jahren haben wir über 500 zusätzliche Planstellen für die Justiz geschaffen. Drittens: Wir brauchen schärfere Anti-Korruptionsgesetze. Deswegen habe ich ein schärferes Korruptionsstrafrecht erarbeitet, mit dem wir Lücken im Korruptionsstrafrecht schließen wollen. Neu ist, dass das Korruptionsstrafrecht künftig nicht mehr nur für bereits gewählte Politiker und Politikerinnen gilt, sondern auch für all jene, die sich um ein Amt oder auch eine staatliche Fuktion bewerben. Auch sie müssen künftig die gleichen Kriterien erfüllen, wie Personen, die bereits im Amt sind. Darüber hinaus haben wir mit diesem Paket auch den Kauf eines politischen Mandats strafbar gemacht. Ich bin überzeugt, dass es uns mit Hilfe dieser Änderungen gelingen wird, letzte Lücken im bestehenden Korruptionsstrafrecht zu schließen.


KOSMO: Die Justiz bekommt mit dem Budget heuer 122 neue Planstellen und 220 Mio. Euro mehr. Was planen Sie mit dem zusätzlichen Geld?
Alma Zadic: Neben den neu geschaffenen Planstellen geht ein großer Teil dieses Geldes in den Strafvollzug. Damit werden notwendige Umbauarbeiten, sichere Gefängnisse und bessere Betreuungsmaßnahmen finanziert. Beispielsweise bauen wir gerade einige Justizanstalten um, weil wir momentan steigende Zahlen im Maßnahmenvollzug haben. Da gibt es einfach Investitionen, die wir tätigen müssen. Was mir persönlich auch sehr wichtig ist, ist der Ausbau der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung.

Für alle Menschen, die von Gewalt betroffen sind, gibt es damit die Möglichkeit, sowohl psychosoziale, als auch juristische Hilfe kostenlos in Anspruch zu nehmen. Das bedeutet, dass jede Person, die beispielsweise vom Hass im Netz betroffen ist, bei einer Opferschutzorganisation wie z.B. ZARA oder dem Weißen Ring Unterstützung bekommen kann. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Hass und Hetze im Netz wird verfolgt. Bei den Opferschutzorganisationen bekommt man einen Experten oder eine Expertin zur Seite gestellt. Und es gibt auch rechtliche Unterstützung. Diese Unterstützung ist kostenfrei. Damit wollen wir erreichen, dass sich jeder wirksam gegen Gewalt und Hass im Internet zur Wehr setzen kann.

„Alle Vereine, die mit Kindern arbeiten, sollen ein Kinderschutzkonzept haben.”


KOSMO: Welche Mechanismen werden tatsächlich verwendet, um den Kindermissbrauch zu stoppen?
Alma Zadic: Das Wichtigste ist Prävention. Kein Kind darf Opfer werden. Wir müssen alles tun, um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten. Deswegen war es mir besonders wichtig, dass flächendeckend Kinderschutzkonzepte eingeführt werden. Denn alle Vereine, die mit Kindern arbeiten, sollen ein Kinderschutzkonzept haben, dass auch entsprechenden Qualitätskriterien entspricht. Es soll eine nichtstaatliche Einrichtung eingerichtet werden, die an Vereine, die mit Kindern arbeiten und Kinderschutzkonzepte erstellt haben, entsprechende Gütesiegel ausstellt. Damit wissen die Eltern, dass ihre Kinder dort sicher sind. Und wir haben die Strafen im Bereich der Darstellung von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen deutlich nachgeschärft. Zusätzlich haben wir das Tätigkeitsverbot ausgeweitet, um hier auch zu verhindern, dass Menschen, die bereits wegen Kindesmissbrauch vorbestraft sind, in einer Einrichtung mit Kindern zusammenarbeiten können.

„Für alle Menschen, die von Gewalt betroffen sind, gibt es die Möglichkeit, psychosoziale und juristische Hilfe kostenlos in Anspruch zu nehmen.”


KOSMO: Die Auswirkungen von Straßenblockaden der KlimaaktivistInnen sind ziemlich groß. Fällt die Vorgehensweise der KlimaaktivistInnen unter das Strafrecht?
Alma Zadic: Sollten strafrechtlich relevante Beschädigungen oder Gefährdungen anderer vorliegen oder das Verwaltungsstrafrecht verletzt worden sein, dann gibt es bereits jetzt viele Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Aber diese jungen Menschen setzen sich für ihre Zukunft ein. Wenn wir jetzt nichts tun, dann sind die Auswirkungen in einigen Jahrzehnten viel schlimmer als ein Stau, der jetzt wegen einer Demonstration verursacht wurde. Ich halte es für richtig, dass man sich für seine Anliegen einsetzt. Und ich halte es für richtig, dass man sich für den Klimaschutz einsetzt und für seine Anliegen auch demonstrieren geht.

Die Versammlungsfreiheit ist ein Kernelement der Demokratie. Meiner Generation hatte man noch vorgeworfen, wir wären unpolitisch und würden uns nicht für den Klimaschutz einsetzen. Jetzt gibt es eine Generation, die es ernst nimmt und für ihre Anliegen auf die Straße geht. Dennoch: Es gibt einfach auch Grenzen, die nicht zu überschreiten sind. Und wenn sie überschritten werden, dann greift der Staat natürlich ein.

,,Hass und Hetze im Netz müssen verfolgt werden.“


KOSMO: Sie sagen immer, BKS ist Ihre Muttersprache. Viele Organisationen und Vereine fördern die Abschaffung dieser Sprache. Was ist Ihre Meinung dazu?
Alma Zadic: Als ich 1984 im ehemaligen Jugoslawien geboren wurde, war es ein einziger Sprachraum. Und daher fühle ich mich auch dem gesamten Sprachraum verbunden. Ich sage deswegen BKS, weil es mir wichtig ist, zwei Dinge auszudrücken. Erstens, die Anerkennung für die einzelnen Nationen. Weil der Westbalkan vielfältig ist und ich finde, diese Vielfalt muss man auch hervorheben. Gleichzeitig symbolisiert BKS auch Inklusion, diese Länder sind eng miteinander verbunden – eben auch sprachlich – es kann mir kein Serbe erklären, dass er einen Kroaten nicht versteht oder umgekehrt.

Das ist am Westbalkan immer sehr komplex, weil man entweder die Zusammengehörigkeit negiert oder sagt, wir sind alle gleich. Man muss aber auch anerkennen, dass es kulturelle wie auch sprachliche und religiöse Unterschiede gibt. Gleichzeitig ist es aber auch dieselbe Sprachfamilie. Und ja, ich weiß, dass am Westbalkan, der Name der Sprache politisch und ethnisch determiniert ist. Ich denke aber, dass es an der Zeit ist, dass Europa wieder enger zusammenwächst, auch aufgrund der Krisen, die auf uns zukommen. Somit macht es überhaupt keinen Sinn, wenn ein relativ kleiner Raum, wie der Westbalkan, immer weiter auseinanderdriftet, anstatt zusammenzuwachsen.