Start Magazin
INTERVIEW

Leonore Gewessler: ,,Erneuerbare Energien und Klimaschutz sind die Antwort auf Krisen“

(Foto: Amel Topcagic)


Wir haben mit der Klimaministerin Leonore Gewessler, über die Projekte gesprochen, die die Regierung in letzter Zeit umgesetzt hat, die Kosten für Energie sowie die zukünftigen Pläne der Bundesregierung.

KOSMO: In einer Welt, in der wir derzeit mehrere parallele Krisen haben: viele Menschen haben ihre Jobs verloren, die Preise klettern weiter in die Höhe. Finden Sie es richtig, dass derzeit das Thema Klimaschutz im Mittelpunkt der Medienbühne aber auch bei den vom Staat zugeteilten Finanzen steht?

Leonore Gewessler: Klimaschutz ist die Antwort auf die aktuellen Krisen und ist auch eine Antwort auf die aktuelle Teuerung. Warum? Wir haben gerade im letzten Jahr schmerzlich erfahren müssen, was es heißt, von fossilen Energieträgern wie Öl und Gas abhängig und erpressbar zu sein. Wir müssen aus dieser Abhängigkeit und Erpressbarkeit raus kommen. Das ist für uns als Land sehr wichtig. Somit werden wir weniger importieren müssen, um sicherer und unabhängiger zu werden. Das hilft dem Klimaschutz und sorgt für günstigere Preise. Denn die Antwort auf die Krisen ist der Ausbau von erneuerbaren Energien, der Ausbau von Windkraft, Sonnenenergie, Biomasse, Wasserkraft und alles, was man zu Hause zur Verfügung haben wird. Die Sonne schickt uns keine Rechnung. Wir sehen aber momentan: Wladimir Putin schickt uns eine teure Rechnung. Das haben wir gerade alle gemeinsam erfahren müssen. Raus aus dieser Abhängigkeit zu kommen, ist für Österreich ein Kraftakt. Wir wollen unser Ziel Unabhängigkeit und die Klimaneutralität bis 2040 erreichen. Deswegen unterstützen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien. Und haben als Bundesregierung sehr viel Geld in die Hand genommen, um die von der Teuerung betroffene Menschen und Haushalte in der Krise zu unterstützen z.B. mit der Stromkostenbremse und dem Heizkostenzuschuss der Bundesländer. Die Energiewende und Klimaschutz sind auch eine Antwort auf die Teuerung, und sie bedeuten ein Ende der Abhängigkeit.

KOSMO: Jetzt sieht man, dass sich der Gaspreis wieder an die Preise von vor der Krisenzeit annähert. Trotzdem haben die Menschen nicht das Gefühl, dass jetzt alles wieder billiger geworden ist. Wie erklären Sie diesen Umstand?

Leonore Gewessler: Wir sehen, dass durch die vielen Maßnahmen, die wir getroffen haben, in Österreich, aber auch in Europa die Gaspreise wieder gesunken sind. Sie sind noch immer höher als vor dem Krieg, aber deutlich gesunken. Das wird nach und nach auch bei den Rechnungen ankommen. Aber das dauert immer ein bisschen. Weil das Gas, das wir jetzt verbrauchen im letzten Jahr und noch zu anderen Preisen eingekauft worden ist. Wofür ich kein Verständnis habe ist, wenn Gas- oder Energieversorger beim Weitergeben von hohen Preisen sehr schnell reagieren aber bei Vergünstigungen nicht“, so die Ministerin. Deswegen hat die Wettbewerbsbehörde gemeinsam mit der E-Control – das ist die Regulierungsbehörde für den Strombereich – eine Taskforce gegründet, die eine Marktmanipulationen verhindern soll.

(Foto: Amel Topcagic)

KOSMO: Was schätzen Sie, wie lange wird es dauern bis wir auf die alten Preise zurückkommen? Was sagen Experten dazu?

Leonore Gewessler: Wir haben jetzt für dieses Jahr die Teuerung z.B. mit der Stromkostenbremse und dem Heizkostenzuschuss abgefedert und das sollte auf den Rechnungen der Menschen seit 1. Dezember auch sichtbar und spürbar sein. Bei der Stromkostenbremse war es uns sehr wichtig, dass sie unmittelbar wirkt. Ich erwarte, dass eine Erleichterung auch bei den Preisen im Laufe des heurigen Jahres und ins nächste Jahr hinein auf den Rechnungen spürbar sein wird. Unabhängig von der Stromkostenbremse. Aber wie gesagt, das Weitergeben der Preise nach unten muss dann genauso schnell gehen wie das Weitergeben nach oben. Aber auch Expertinnen und Experten meinen, dass die Kosten für fossile Energien nicht mehr so billig sein werden wie vor dem Krieg.

KOSMO: Für das Klimaschutzministerium gibt es ein zusätzliches Budget-Plus von 42,5 Millionen Euro beziehungsweise 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Was planen Sie mit dem zusätzlichen Geld?

Leonore Gewessler: Wir investieren das Geld dort, wo es sinnvoll ist. Klimaschutz ist eine Investition in eine gute Zukunft – in eine bessere Zukunft und in eine Zukunft, wo alle, die heute Kinder sind, in unserem Alter noch gut leben können. Und deswegen investieren wir wirklich flächendeckend in alle sinnvollen Förderungen und Investitionen. Ein paar Beispiele: Ausbau der Sonnenenergie und Photovoltaikanlagen. Die Menschen wollen in eine eigene Photovoltaikanlage investieren, damit sie unabhängiger sind. Wir wollen sicherstellen, dass jeder, der die Förderung beantragt, auch eine bekommt. Deswegen hat man das Geld dafür deutlich aufgestockt. Das zweite ist die Investition in den Tausch von Heizkesseln. In diesem Bereich stehen uns bis 2026 rund 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Der Austausch von dreckigen alten Öl- und Gasheizungen auf moderne erneuerbare Systeme wird damit unterstützt. Mit einer Zusatzförderung für einkommensschwache Haushalte mit bis zu 100%. Die Investitionen in den öffentlichen Verkehr sind auch sehr wichtig. Unser Ziel ist die Infrastruktur zu verbessern und die Preise günstiger zu machen. Das KlimaTicket mit 3 Euro pro Tag ist sicher die günstigste Art und Weise der Fortbewegung. Das Vierte ist: Wir wollen auch Industrie und Wirtschaft bei der Energiewende unterstützen, damit man auch in Zukunft gute und zukunftsfähige Arbeitsplätze in Österreich hat. Ein Teil vom Budget geht auch in Elektromobilität. Auch dort haben wir die Förderungen aufgestockt. Beim Kauf eines Elektro-PKW kriegt man 5.000 Euro für die Investition.

Wofür ich kein Verständnis habe ist, wenn Gas- oder Energieversorger beim Weitergeben von hohen Preisen sehr schnell reagieren aber bei Vergünstigungen nicht“, so die Ministerin.

KOSMO: Der Lithium-Abbau steht schon lange in der Kritik: Wegen des Elektroauto-Booms steigt die Nachfrage nach Lithium rasant an, doch für den Abbau von Lithium fehlen ökologische Standards. Was ist Ihre Meinung dazu?

Leonore Gewessler: Wir müssen beim Abbau der Rohstoffe ökologische und soziale Standards einhalten, also für die Arbeiterinnen und Arbeiter vor Ort umweltverträgliche und sozial gute Standards haben. Wir haben in der EU ein Gesetz geschaffen, das genau das kontrolliert. Auch entlang der Lieferkette, also bis hin zum Abbau. Wir wollen auch eine nachhaltige Bergbau-Initiative schaffen. Dabei ist Kreislaufwirtschaft ein ganz großes Thema: Die Rohstoffe, die wir haben, und jene, die schon verbaut sind, in Batterien oder in anderen Gegenständen, sind wertvoll und wir müssen schauen, dass wir sie wieder nutzen können. Bei all dem geht es mir darum, dass wir die laufenden Naturschäden wie durch die Erdölförderung oder Tankerunglücke durch die Umstellung auf E-Mobilität vermeiden.

KOSMO: Einer Ihrer zukünftigen Ziele wird es sein, eine Kreislaufwirtschaft zu schaffen. Wie werden Sie das Ziel erreichen? Denn es scheint, als ob gewinnorientierte Betriebe keinen Anreiz haben ihren Abfall zu reduzieren. Diese Reduzierung wäre aber für das Schaffen der Kreislaufwirtschaft notwendig.

Leonore Gewessler: Der Weg zur Kreislaufwirtschaft ist immens wichtig, denn wir müssen wegkommen von der Ausbeutung wertvoller Rohstoffe hin zum Recycling und zur Wiederverwendung. Deswegen haben wir auf europäischer Ebene aktuell für die Batterien eine Strategie entwickelt. Das strenge neue Gesetz verpflichtet dazu, dass man Recyclinganteile in einer neuen Batterie haben muss. Und wir haben in Österreich mit der Kreislaufwirtschaft-Strategie ein sehr ähnliches Ziel, nämlich sicherzustellen, dass wir die Dinge, die wir bereits nutzen, so lange wie möglich in Gebrauch haben und weiter nutzen. Dafür ist eines der ganz wichtigen Meilensteine, dass wir auf europäischer Ebene die Unternehmen auch dazu verpflichten, dass sie schon mit dem Design der Produkte daran arbeiten, damit die Produkte länger und weiter zu benutzen sind bzw. ihre Bestandteile wieder genutzt werden können. Letztlich wird sich das auch ökonomisch rechnen, immer mehr Betrieben wird bewusst wie kostenintensiv es ist Rohstoffe zu vergeuden.

,,Wir haben in Österreich mit der Kreislaufwirtschaft-Strategie ein Ziel, nämlich sicherzustellen, dass wir die Dinge, die wir bereits nutzen, so lange wie möglich in Gebrauch haben und weiter nutzen.“

KOSMO: Gibt es schon Erfahrungswerte mit dem Reparaturbonus?

Leonore Gewessler: Der Reparaturbonus ist sehr beliebt. Mit dieser Initiative unterstützen wir die Menschen mit der Hälfte und bis zu 200 Euro der Reparaturkosten, sodass man Elektrogeräte wieder reparieren kann. Wir wollen so das Reparieren wieder attraktiv machen. Seit der Einführung letzten Jahres wurden bereits über 440.000 Reparaturen bei Partnerbetrieben in ganz Österreich durchgeführt. Das zeigt: Die Menschen in Österreich wollen ressourcenschonend leben. Ich freue mich sehr, dass wir sie mit dem Reparaturbonus dabei unterstützen können.

KOSMO: Wie sieht es derzeit mit den ganzen Baugeschichten aus rund um Wien, wie Lobautunnel, der sehr viel diskutiert wurde, vor allem in den letzten zwei Jahren.

Leonore Gewessler: Ende 2021 haben wir mit der Evaluierung des Asfinag-Programms geschaut, ob Projekte, die man im Straßenbau geplant hat, wo die Planungen dafür teilweise 40 Jahre zurückliegen, heute noch zeitgemäß sind oder ob man nicht gescheitere und bessere Lösungen für diese Projekte hat. Die Evaluierung betraf auch das Lobau-Projekt. Vorhaben wie ein Tunnel, eine Autobahn durch ein Naturschutzgebiet die sind 2023 einfach nicht mehr sinnvoll. Deswegen verfolgen wir das Projekt jetzt nicht weiter. Das Projekt ist derzeit in der strategischen Prüfung Verkehr, in der mit allen Beteiligten gemeinsam Alternativprojekte entwickelt werden. Dieses Verfahren ist auch die Voraussetzung dafür, dass das Projekt aus dem Bundesstraßen-Gesetz rausgenommen werden kann. Wir brauchen im Straßen-Bereich zukunftsfähige Lösungen. Wir brauchen gute Infrastruktur, vor allem auch bei den Öffis, das ist für den Klimaschutz sehr wichtig.