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BALKANROUTE

Balkan Stories: Gedenken für Hunderte, die noch leben könnten

Foto: SOS Balkanroute/Nedim Fox

In Bihać haben Einheimische und die Flüchtlingshilfsorganisationen SOS Balkanroute und LeaveNoOneBehind die Grabsteine für 18 teils unbekannte Flüchtlinge eingeweiht. Sie sind stellvertretend für knapp 700 Flüchtlinge, die in den vergangenen zehn Jahren auf der Balkanroute ums Leben gekommen sind.

18 Flüchtlinge liegen auf dem Friedhof von Bihać. Von den meisten kennt man nicht einmal die Namen.

N.N. steht auf ihren Grabsteinen. Sheraz Khan ist eine der wenigen Ausnahmen. Er starb im 25. Lebensjahr.

Den ersten hat man 2019 hier begraben. Seitdem füllt sich die Grabstätte mit den sterblichen Überresten von Menschen, die auf der Suche nach Sicherheit und einem besseren Leben ums Leben gekommen sind.

Mehrere ertranken im Fluss Una, als sie versuchten, nach Kroatien zu schwimmen. Zwei wurden von einem Lkw überfahren. Ein örtlicher Jäger erschoss einen weiteren Flüchtling.

Alle könnten sie noch leben, zeigen sich die Flüchtlingshilfsorganisationen SOS Balkanroute und LeaveNoOneBehind bei der Einweihung der Grabsteine für diese 18 Flüchtlinge überzeugt.

„Heute ist ein trauriger, aber wichtiger Tag. Diese Gräber sollten uns allen zu denken geben. Das Nicht-Existieren legaler Fluchtwege treibt die Menschen nicht nur in die Hände gewaltvoller und ausbeuterischer Strukturen, sondern auch in den Tod. Die EU trägt hier Mitverantwortung“, sagen Petar Rosandić (SOS Balkanroute) und Tilly Sünkel (LeaveNoOneBehind) in einem gemeinsamen Statement bei der Einweihung.

Die 18 Gräber in Bihać sind stellvertretend für die hunderten Flüchtlinge, die seit 2014 auf der so genannten Balkanroute ums Leben gekommen sind. Erst im August ertranken 18 Menschen, als ihr Schlauchboot im Grenzfluss Drina zwischen Serbien und Bosnien kenterte.

Im November verletzten sich vier Flüchtlinge schwer, als sie versuchten, über die Drina-Brücke von Mali Zvornik in Serbien nach Zvornik in Bosnien zu klettern.

Foto: SOS Balkanroute/Nedim Fox

Die Aktivistenplattform 4D Database hat mindestens 669 tote Flüchtlinge auf der Balkanroute registriert.

Dass sie nicht völlig vergessen werden, sollen Initiativen wie diese sicherstellen. SOS Balkanroute erneuerte in den vergangenen zwei Jahrne 62 Grabsteine für verstorbene Geflüchtete allein in Bosnien, und weihte drei Friedhöfe ein.

Unterstützt wird das von der scheidenden österreichischen Justizministerin Alma Zadić von den Grünen. Sie selbst kam während des Bosnienkriegs als Flüchtlingskind nach Österreich.

Mitgetragen werden diese Initiativen auch häufig von der lokalen Bevölkerung. Der medialen Hetze gegen Flüchtlinge in Bosnien zum Trotz zeigen sich viele Menschen nach wie vor solidarisch – wie etwa der mittlerweile legendäre Flüchtlingshelfer Baba Asim aus der Region Bihać

SOS Balkanroute-Gründer Pertar Rosandić, Foto: SOS Balkanroute/Nedim Fox

Er ist seit Jahren für SOS Balkanroute in der Region im Einsatz und hat tausende Flüchtlinge mit Essen, Kleidung und Decken versorgt oder ihnen medizinische Versorgung ermöglicht.

Aktuell sammelt SOS Balkanroute Winterspenden für Flüchtlinge auf der Balkanroute in ganz Österreich.

Sammeltermine in eurer Gegend findet ihr auf der Facebook-Seite von SOS Balkanroute – ebenso Infos, wie ihr die Arbeit der von Pero Rosandić gegründeten Organisation sonst unterstützen könnt.

Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.

Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.