Das postjugoslawische Erlebnis auf den Punkt gebracht
Dass „Mamula All Inclusive“ bei seiner Weltpremiere so hohe Wellen schlägt, liegt nicht nur daran, dass die Idee für die Doku sozusagen hier geboren wurde.
Es liegt vor allem daran, dass diese Geschichte die allgemeine postjugoslawische Erfahrung auf den Punkt bringt.
Kapitalistische Restauration und blutiger Zerfall des Landes zerstörten nicht nur auf der KZ-Insel Mamula Geschichte, Natur oder Kultur dank willfähriger Behörden und Politiker, die sich dem Willen fragwürdiger Investoren beugten.
In Beograd wurde das halbe, historische, Savamala-Viertel für das ähnlich obszöne Luxusprojekt Belgrade Waterfront abgerissen und man zerschlug einen guten Teil der serbischen Bahninfrastruktur für das Projekt.
Am Trebević über Sarajevo entsteht ein gigantisches Apartment-Hotel von ähnlicher ästhetischer Fragwürdigkeit wie die Belgrade Waterfront – und zerstört ein beliebtes Naherholungsgebiet der bosnischen Hauptstadt.
Neue Wohnhausanlagen verstellen den Strand von Budva in Montenegro. Die Wohnungen gehören einem guten Teil wohlhabenden Russen und Ukrainern, die sich hier in den vergangenen 15 Jahren eingekauft haben.
Die Liste ließe sich endlos lange fortsetzen.
Nach Jugoslawien die Sintflut, könnte man die Annäherungsweise der Verantwortlichen in der gesamten Region beschreiben.
Nicht immer muss man davon ausgehen, dass die Rücksichtslosigkeit, mit der lokale Politik und lokale Behörden solche Projekte genehmigten, für die Investoren kostenlos war.
Regisseur rechnet mit starken Reaktionen
Kaum jemand, der mit wachen Augen durch die Region geht, kann sich nicht mit der Geschichte identifizieren, die „Mamula All Inclusive“ erzählt.
So pointiert ist sie freilich vielleicht noch nie geschildert worden.
„Der Film zeigt Dinge, die nicht zusammengehen sollten“, sagt Regisseur Aleksander Reljić.
Die nächsten Stationen der Doku werden das Free Zone Film Festival in Serbien im November und das Fast Forward Film Festival ab 10. Dezember in Montenegro sein.
„Ich gehe davon aus, dass die Reaktionen ähnlich stark sein werden“, zeigt sich Aleksander zuversichtlich. Am stärksten voraussichtlich in Montenegro.
Den – wohl berechtigten – Optimismus gibt ihm nicht nur äußerst positive Reaktion von Publikum und Kritik am SFF.
Kurz vor der Premiere hat er Teile des Films bei einer Diskussion in Kotor in Montenegro vorgestellt – der Stadt, die der Bucht ihren Namen gegeben hat, in der die KZ-Insel Mamula liegt.
„Es war eine sehr emotionale Diskussion“, erzählt Aleksandar.
Einer breiten Öffentlichkeit wird die gefeierte Doku auf Al Jazeera Balkans zugänglich.
Ein Termin für die Erstausstrahlung steht nicht fest.
Balkan Stories, Christoph Baumgarten
Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.
Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.
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