Das weltweit bekannte Jugendtheater Mostar steht vor dem Aus. Das Theater kann die Miete für die Räumlichkeiten nicht mehr bezahlen und muss ausziehen. Von der Stadt Mostar gibt es keine Unterstützung.

„Die Frist ist abgelaufen. Eigentlich müssten wir schon raus. Aber ich denke, dass sie uns noch zehn Tage tolerieren werden“, beschreibt Sead Đulić die Situation des Mostarski Teatar Mladih (MTM, Mostarer Jugendtheater). Sead ist Leiter des Theaters.
Eigentümerin des Gebäudes ist eine islamische Gemeinschaft, sagt Sead. Der ist das MTM 20.000 Mark schuldig, das sind 10.000 Euro.
Die vergangenen Jahre konnte das MTM mehr schlecht als recht die Miete aus den laufenden Einnahmen zahlen. Das ist mittlerweile nicht mehr möglich.
Von der Stadt Mostar kommt keine finanzielle Unterstützung. Die hat dem MTM schon vor 14 Jahren jegliche Förderung gestrichen und aus dem damaligen Theatersitz geworfen, der der Stadt gehörte.
Und das bei einem der kulturellen Aushängeschilder der Hercegovina, das im Vorjahr sein 50-jähriges Bestehen feierte. Erst gegen Jahresende feierte das Ensemble mit dem Stück „Smrt je moja ljubav“ („Der Tod ist meine Liebe) eine umjubelte Premiere.
Das Ensemble wurde in die ganze Welt eingeladen, um seine Stücke aufzuführen. Und so manche jugoslawische und später bosnische Schauspielerkarriere nahm hier ihren Ausgang.
In guten Jahren wie 2020 kommt es auf mehr als 300 Aufführungen.
Dazu die pädagogische Arbeit der Einrichtung. Jugendliche bekommen hier die Möglichkeit, zu experimentieren, aus sich herauszuwachsen. Wie etwa Teo Sandžaktar Bijedić. „Das MTM hat mir die Angst vor den Menschen genommen, mir Arbeitsgewohnheiten beigebracht“, sagt er gegenüber Medien.
Die Tourismusvereinigung der Stadt wirbt eifrig mit dem Jugendtheater. Der Stadtregierung scheint das alles egal zu sein.
Im Würgegriff klerikalnationalistischer Parteien
Dass sie in dieser Notlage einspringt, ist nicht zu erwarten. Zumal es einen handfesten politischen Konflikt gibt.
Die Stadt Mostar wird von einer Koalition aus den klerikalnationalistischen Parteien HDZ und SDA regiert. Diese Parteien haben ein ohnehin gespanntes Verhältnis zu unabhängiger und manchmal experimenteller Kultur.

Und Bürgermeister Mario Kordić von der HDZ hat ein ausgesprochenes Problem mit den Antifaschisten in seiner Stadt. Mehrfach hat er sie öffentlich beschimpft und antifaschistische Gedenkveranstaltungen de facto untersagt. Gleichzeitig toleriert die Stadtregierung unter seiner Führung offene neofaschistische Umtriebe.
Das MTM sieht sich als Theater selbst in der antifaschistischen Tradition Jugoslawiens. Und sein Leiter Sead Đulić ist Vorsitzender der SABNOR BiH, das ist die Vereinigung der Antifaschisten und Freiheitskämpfer Bosniens, sowie ihres Mostarer Vereins.
„Wir haben den nationalistischen Vereinnahmungen seit dem Krieg widerstanden“, sagt Sead. „Dafür werden wir bestraft.“
Dass Kordić in dieser Krise des MTM so etwas wie stadtpolitische Verantwortung entdeckt, erwartet niemand.
Wie ihr das Mostarer Jugendtheater unterstützen könnt
Jetzt sieht sich das MTM vor die Wahl gestellt: Zusperren oder in eine andere Stadt umziehen. Aus Banja Luka gibt es ein Angebot für Räumlichkeiten, in denen das MTM weitermachen könnte, berichtet die Nachrichtenagentur Federalna.
Das wäre allenfalls die zweitbeste Lösung. Das Theater könnte weiterexistieren, für die Mitarbeiter würde das freilich größere Opfer bedeuten. Und die Stadt Mostar würde eine seiner wichtigsten kulturellen Einrichtungen verlieren.
Eine Möglichkeit gibt es, die bevorstehende Schließung abzuwenden, sagt Sead gegenüber Balkan Stories. „Ihr könnt über das Paypal-Konto von Denijal Behram spenden: denani63@hotmail.com“. Als Verwendungszweck bitte Teatar angeben.
Balkan Stories, Christoph Baumgarten

Christoph Baumgarten ist Journalist und Balkanreisender aus Leidenschaft. Seit 2015 verbindet er beide Leidenschaften auf seinem Blog Balkan Stories. Dort versucht er, Geschichten zu erzählen, für die es in größeren Medien meist keinen Platz gibt und stellt die Menschen in den Mittelpunkt.
Mehr von Christoph könnt ihr unter balkanstories.net nachlesen.
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