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REPORTAGE

Die Beschneidung – eine Glaubensregel

(FOTO: iStock Photo)

GESUNDHEITLICH VORTEILHAFT. Seit Jahrhundert wird sie aus religiösen und traditionellen Gründen bei den allerkleinsten Buben vollzogen. Aber viele Männer unterziehen sich diesem Eingriff ausschließlich aus hygienischen und medizinischen Gründen.

Die ältesten Aufzeichnungen über Beschneidungen stammen aus dem alten Ägypten. Herodot berichtet, dass die Ägypter und andere, die es von ihnen gelernt haben, die einzigen Völker waren, die Beschneidungen durchführten. Die Griechen lehnten die Beschneidung ab, denn sie waren der Meinung, dass ein Mann nur dann ein richtiger Mann sei, wenn die Spitze seines Geschlechtsorgans sichtbar ist, und diese Haltung führte nach den Eroberungen Alexanders von Mazedonien zu einem Rückgang der Beschneidungen in den eroberten Gebieten, aber auch zu heftigen Konflikten mit den Juden.

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In der jüdischen Gemeinschaft wird die Beschneidung am achten Tag nach der Geburt vorgenommen, um eine Verbindung des Neugeborenen zu Gott herzustellen, und auch für Männer, die sich als Erwachsene zu diesem Glauben bekehren, ist die Beschneidung Pflicht. Die Tradition erfordert es, dass ein Mann dieses Ritual vollzieht, der den Titel „Mohel“ trägt. Er muss Rabbi, Arzt oder einfach Fachmann sein, der für die Ausübung dieses einfachen operativen Eingriffs ausgebildet ist. Auch Jesus Christus wurde am 1. Januar des damals gültigen Gregorianischen Kalenders beschnitten. Es ist also klar, dass die Wurzeln dieses Brauchs weit in die Vergangenheit zurückreichen und dass in all dieser Zeit Fragen nach dem Nutzen oder einem eventuellen Schaden für die Buben nicht gestellt wurden. Das ist eine Tradition, die befolgt und bis heute ausgeübt wird.

DIE SUNNA. Weg, Richtung, Brauch, Tradition und Verfahrensweise

Die Sunna bei den Muslimen
Im etymologischen Sinne bezeichnet die Sunna einen Weg, eine Richtung, einen Brauch, eine Tradition oder eine Verfahrensweise, egal ob gut oder schlecht. Im terminologischen Sinne ist die Sunna für Hadith-Gelehrte alles, was vom Gesandten überliefert ist: seine Worte, seine Handlungen, stillschweigende Billigung, moralisch-ethische Eigenschaften oder seine Biographie vor und während seiner Mission als Prophet. Die islamischen Theologen betonen, dass die Sunna die zweite Quelle des Islam ist. Aber in diesem Kontext wollen wir uns statt mit der Theologie mit dem Brauch der Beschneidung männlicher Kinder beschäftigen, der ebenfalls als Sunna bekannt ist.

Die Beschneidung der Buben ist ein besonderes Kennzeichen des Islam und, wie die Geschichte zeigt, ein Brauch, der bereits mit Ibrahim begonnen hat und vom Propheten fortgeführt wurde. Die Empfehlung lautet, ein Kind am siebten Tag nach der Geburt zu beschneiden, und so schlachtete auch der Prophet am siebten Tag nach der Geburt Hassans und Husseins einen Hammel und ordnete ihre Beschneidung an. Die Beschneidung kann auch später erfolgen, aber auf jeden Fall, bevor das Kind die Geschlechtsreife erreicht. Natürlich kann sie auch im späteren Alter vollzogen werden und im Gegensatz zum Judentum ist sie für Männer, die später zum Islam konvertieren, nicht vorgeschrieben.

Abdulmedžid Sijamhodžić: „Die Beschneidung gehört zu den elterlichen Pflichten gegenüber einem männlichen Kind.“ (FOTO: zVg.)

Das Wort hat Abdulmedžid Sijamhodžić
Militärimam der Republik Österreich und Professor für islamische Theologie
„Für bosnische Muslime bildet die Beschneidung männlicher Kinder eine religiöse Pflicht und einen integrierten Teil ihrer kulturellen Identität und ihres Traditionserbes, da muss man sich nicht auf theologisch-medizinische Diskussionen einlassen. Es gehört auch zu den Elternpflichten mit Bezug auf männliche Kinder, sie beschneiden zu lassen. Die Beschneidung männlicher Kinder ist eine Tradition, ein Weg, ein Brauch – eben Sunna – und Teil der einzigartigen Tradition und Praxis aller Gläubigen und ihrer Umma, ihrer Gemeinschaft.

Fünf Elemente umfasst die Glaubenstradition: die Beschneidung männlicher Kinder, das Rasieren des Schambereichs, das Kürzen der Bärte, das Schneiden der Nägel und das Rasieren unter den Achseln‘, erklärt der Prophet Muhammed a.s. Die Tradition und die Praxis der Beschneidung sind nicht überall in Bosnien-Herzegowina gleich, sie unterscheiden sich von Region zu Region. In der Vergangenheit spielte der ‚Berber‘ die wichtigste Rolle im Prozess der Beschneidung, er war meistens einer der Imame, der sich durch besondere Fertigkeiten auszeichnete, die bei der Beschneidung eines Kindes benötigt wurden. Heute haben Ärzte und Chirurgen, Krankenhäuser und Polikliniken diese Rolle übernommen. In einigen Landesteilen kam der Berber ins Haus, in dem die Beschneidung stattfinden sollte, vollzog die Beschneidung und sprach den Tekbir und die Fürbitte Dua. In anderen Teilen des Landes lud die Familie neben dem Berber und dem lokalen Hodža oder Imam auch einen Blutspaten oder einen entfernteren Paten ein, der das Kind hielt und dem Berber bei der Beschneidung half.

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Nach der Beschneidung wurde irgendwo der Mevlüt gefeiert und Naschid gesungen, die Familie servierte ein opulentes Essen und das Kind und der Pate wurden reich beschenkt, das Kind von der Familie und den Bekannten und der Pate von der Familie. Der Pate musste das Kind von Kopf bis Fuß bekleiden, ihm Anzüge kaufen und es mit Geld beschenken. Während der ersten Tage nach dem Eingriff empfing das Kind weitere Geschenke und wurde auf die Stirn geküsst. Man bat Gott um seinen Segen. Es gibt auch Orte, an denen die Beschneidung gemeinsam mit der Einschulung vorbereitet und gefeiert wurde. Tatsache ist, dass diese Bräuche und Traditionen in ihrer ursprünglichen Form heutzutage immer mehr verloren gehen und entsprechend den Anforderungen der Zeit und der Umstände, in denen wir leben, modernisiert werden.“

Traditionen und Bräuche auf dem Balkan
Die Bräuche und Traditionen, die mit der Beschneidung verbunden sind, unterscheiden sich noch heute innerhalb Bosnien-Herzegowinas von Region zu Region. In Tuzla und Umgebung gehen die Frauen der Familie und der Nachbarschaft nach der Beschneidung in das Haus, in dem das beschnittene Kind liegt, und beschenken es, und die Eltern bewirten sie mit Süßspeisen, Kaffee, Sorbet und anderen Spezialitäten. Menschen aus der Krajina berichten, dass der Ritus bei ihnen mit einem reichhaltigen Essen für Verwandte und Freunde beginnt. Weil das Kind liegt, schieben ihm die Gäste Geld unter das Kissen, küssen es auf die Stirn und segnen es. In anderen Regionen, in denen Muslime leben, wie Sandžak, Montenegro, Kosovo und Mazedonien ist der religiöse Charakter derselbe, aber die Bräuche sind anders. Der Sunna kommt dort eine außerordentlich hohe Bedeutung zu und an der Feier wird nicht gespart. Oft wird sogar ein Ochse am Spieß gebraten und Musiker tragen zur fröhlichen Atmosphäre bei, manchmal sogar große Bühnenstars. Der beschnittene Bub wird wie ein Prinz gekleidet und die Gäste beschenken ihn mit Geld und teuren Gaben. Die Muslime in der Diaspora sind bemüht, die Bräuche zu wahren, passen sie aber in gewissem Maße auch den Bedingungen des Lebens in der Ferne an. Die Rolle des Berbers übernimmt ein Kinderchirurg, denn so erfordert es das Gesetz, und den Eltern ist bewusst, dass der Eingriff streng sterile Bedingungen und medizinische Kenntnisse erfordert. Dies bestätigten auch die Gesprächspartner des Magazins KOSMO.

Amir Turbić: „Als meine beiden Söhne geboren wurden, stellte sich die Frage gar nicht, ob sie beschnitten werden sollten, denn das ist Teil unserer Religion und unserer Tradition. Das war einfach selbstverständlich. (FOTO: Diva Shukoor, zVg.)

Amir Turbić (32) – Bankangestellter
Er kam als Kind aus B-H nach Österreich, ist in die hiesige Gesellschaft hervorragend integriert, aber pflegt auch eine intensive Beziehung zu seinem Heimatland. Das heißt auch, dass er die Religion, die Bräuche, die Tradition und die Kultur seiner Vorfahren achtet und lebt, und dazu gehört auch die Beschneidung männlicher Kinder. „Ich wurde mit 40 Tagen beschnitten, aber meine Eltern brachten mich nicht zu einem Arzt, sondern riefen einen Berber. Als ich meine beiden Söhne bekam, stellte sich die Frage, ob sie beschnitten werden sollten, gar nicht, denn das ist Teil unserer Religion und unserer Tradition. Das ist einfach selbstverständlich und aus hygienischen Gründen auch medizinisch gerechtfertigt. Ich war traurig bei dem Gedanken, dass die Kinder krank werden könnten, denn das ertrage ich, wie alle Väter, schwer. Wir haben die Sunna im frühesten Alter vollzogen: Aldino war sieben Monate alt und Eldin drei. Den älteren Sohn brachten wir zu einem Arzt in B-H und ich weiß noch, dass er hinterher in meinen Armen schlief und im Schlaf wimmerte. Er weinte, als wir seine Windeln wechselten, hielt die Hände voller Angst über die schmerzende Stelle, aber nach ein paar Tagen war alles wieder gut“, erzählt Almir voll väterlicher Zärtlichkeit über seinen ältesten Sohn.

Über 30 % der männlichen Bevölkerung sind nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation heute beschnitten.

Wie es der Brauch vorschreibt veranstaltete Almir anlässlich des großen Ereignisses im Leben seines kleinen Sohnes für Verwandte und Freunde eine Feier. „Das haben wir nicht gleich nach der Sunna gemacht, sondern wir haben Aldinos ersten Geburtstag abgewartet. Wir haben die 150 liebsten und nächsten Freunde und Verwandte eingeladen und bei gutem Essen und Musik beide wichtigen Ereignisse gemeinsam gefeiert. Für das Geburtstagskind gab es viele Geschenke, vor allem Umschläge mit Geld. Ich betone, dass unter den Gästen viele Freunde von mir waren, die keine Muslime sind. Auch sie haben unseren Brauch richtig verstanden, so wie ich es auch verstehe, wenn die Christen ihre Kinder taufen lassen“, betont unser Gesprächspartner und fügt hinzu, dass die Beschneidung eines Sohnes für jeden Muslimen Pflicht ist und dass sie ein wichtiges Ereignis im Familienleben ist. Der jüngere Sohn Turbićs, Eldin, wurde in Österreich in einer privaten chirurgischen Ambulanz beschnitten. „Weil ich arbeiten musste, hat die Mama ihn dorthin gebracht. Er erhielt eine lokale Betäubung und es war schnell vorbei. Beide Male wollten wir, dass der Eingriff unter entsprechenden medizinischen Bedingungen erfolgt, damit unsere Söhne keine schlimmen Folgen davontrugen. Beim zweiten Mal haben wir keine große Feier gemacht, aber es gibt Leute, die bis zu 500 Gäste dazu einladen. Mir ist wichtig, dass wir alles entsprechend unserer Tradition gemacht haben, so wie es das Wesen der Beschneidung erfordert“, unterstreicht Almir.

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Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.