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INTERVIEW

Die Kultvorstellung von Zijah Sokolović wird 25!

In der Vorstellung sprechen Sie über den Glauben, die Nation… Das sind beliebte Themen in dieser Region. Wie sehen Sie all diese heutigen Trennlinien in unsere und ihre?
Ich glaube, dass die Trennungen und der Glauben etwas sind, was in jedem Menschen wunderschön ist. Diese Religion ist etwas, was an seiner Natur faszinierend ist, seine Art zu denken oder zu glauben, und die Nation selber gibt dem Menschen als solche einen Fundus an Informationen, aufgrund derer er mit der Gesellschaft kommuniziert. Das heißt, dass die Nation gewisse Regeln hat, nach denen sie funktioniert. Wir müssen davon ausgehen, dass man für die Bildung eines Staates, oder letztendlich auch einer Ehe, ein Kilogramm Salz ausgeben muss. Um die Ehe zu verstehen, braucht es Zeit. Das heißt, dass diese Menschen viel Zeit brauchen, ein System zu schaffen, das sich Staat nennt. Das ist die Organisation einer Regierung, die Organisation einer Macht, die funktionieren muss, damit die Menschen schneller und einfacher leben und schneller die demokratischen Freiheiten genießen. Ich glaube, dass wir verstehen müssen, dass diese Menschen hier nicht gerade sehr mächtig sind, denn man sagt ja, dass doch alles von denen, die irgendwo da oben zusammensitzen, entschieden wird.

Das heißt, dass alles, was wir hier so tun, umsonst ist. Aber so war es immer in der Welt, in allen Zivilisationen, so wurden Kriege geführt, Religionen gewechselt, so haben sich Religionen getrennt, so sind Städte gefallen, so sind Nazismus, Faschismus, Morde und Attentate entstanden, genau aus diesem Grund. Wir müssen das aus der Natur des Menschen heraus verstehen, um unsere Überzeugungen heute selber in Frage zu stellen. Aber wir sind gekränkt, dass wir das jetzt durchleben, doch vor uns haben die Menschen dasselbe durchgemacht. Ich will sagen, dass wir ein breiteres Verständnis von der Welt haben müssen, um uns selbst in dieser Welt zu verstehen. Mein Kabarett geht genau auf diese kleine verborgene Welt ein und zieht sie ans Licht.

„Wir haben dieses Konzept nicht, dass wir darüber nachdenken, warum wir unglücklich sind!“

Das Kult-Monodrama „Glumac je glumac“ („Ein Schauspieler ist ein Schauspieler“), das in mehrere Weltsprachen übersetzt wurde, spielen Sie schon seit 40 Jahren. Bisher haben Sie es mehr als 1.600-mal aufgeführt. Geschrieben haben Sie es in dem Wunsch, mit sich selber abzurechnen. Was ist am Ende der Ausgang, gehört Ihnen die Bühne oder gehören Sie der Bühne…
Ich gehöre der Bühne, absolut. Was faszinierend ist, ist dieses Gefühl, als ich verstanden habe, dass ich kein Recht habe, zu spielen, was ich möchte, sondern dass ich nach der Idee der Vorstellung spielen muss, die im Theater entstanden ist. Ich muss der Sklave oder das Werkzeug dieser Idee sein, die im Theater besteht. Ich kann da nicht privatisieren, ich kann nicht spielen, wie ich will, das heißt, dass jemand diese Art der Kommunikation lange vor mir erfunden hat. Ich muss nur die Regeln befolgen. Es kann mir kein Regisseur sagen, geh nach rechts, und ich sage, aber ich will nach links, wenn er der Regisseur ist. Es gibt Situationen, in denen der Schauspieler nicht richtig spielt und nicht richtig spielen will oder in denen er sich in der Vorstellung nicht engagiert, weil er zu wenig Geld bekommt oder weil das System im Staat nicht funktioniert.

Ich glaube, dass das eine fantastische Ideologie ist, die vollkommen destruktiv ist. Wenn du mit dem Staat unzufrieden bist, geh in einen anderen Staat. Wenn du mit dem Lohn unzufrieden bist, geh zu einem anderen Theater oder verlasse das Theater. Alle sind auf verschiedene Weise unzufrieden, dann gibt es ein allgemeines Chaos, dann dienen wir dem Theater nicht mehr zugunsten einer Vorstellung, sondern lassen unseren eigenen Frust ab. Und das ist dann ein Fall für den Psychologen.

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Vor genau 16 Jahren wurde das Drama „No Man’s Land“ von Danis Tanović mit dem Oscar gekrönt. Der Regisseur stellte seinen preisgekrönten Streifen „Death in Sarajevo“ im Rahmen des LET’S CEE FF vergangenes Jahr in Wien vor. KOSMO hat den Bosnier zum Gespräch getroffen.

 

 

Sie haben einmal gesagt, dass die Volksbühne in die Kunst eingetreten ist, die Tür verschlossen hat und jetzt jeden vergewaltigt, der hereinkommt. Fehlt uns die künstlerische Kreativität oder haben wir uns der allgemeinen Lethargie hingegeben?
Das gibt es, schön ausgedrückt, im Kabarett – unzufrieden mit dir selbst wirst du mit allem unzufrieden, was um dich herum ist. Damit rechtfertigst du deine Unzufriedenheit. Unzufrieden mit dir selbst, unzufrieden mit dem Wetter, heute warm, morgen kalt, usw. Wir rechtfertigen unsere Nervosität oder Frustration damit, dass die Temperatur heute zu hoch oder zu niedrig ist. Wir haben kein Konzept, um darüber nachzudenken, warum ich persönlich unglücklich bin. Und diese Unzufriedenheit, unser Glück oder Unglück übertragen wir auf andere Dinge. Der Populismus bietet dir an, zu parken, wo du willst, deinen Müll herumzuwerfen und zu furzen, all das ermöglicht dir das System, aber das ist eine Folge des Chaos, in dem du dich befindest. Es liegt an dir, Anstand zu zeigen und richtig zu wählen.

FOTO: Mediha Adrovic

Sie waren lange Professor für Schauspiel an der Bruckner-Universität in Österreich. Sie leben, schreiben und führen Regie in Wien… Wie sieht Ihr Tag aus, so weit entfernt von den Bergen des Balkans?
Ich glaube, dass alle Tage, die kommen, eine absolute Organisation haben. Die Zeit zu beherrschen, das ist ein Kapital. Man sagt oft, Zeit ist Geld. Wir wissen nicht, wie wir das hinkriegen, dass Zeit Geld ist, aber wenn man seine Zeit, die so kapital ist, organisiert, kann man in dieser Zeit verschiedene Räume erobern und verschiedene Tätigkeiten ausüben. Zeit, Raum und Arbeit, das ist die Bühne nach Aristoteles, und das ist auch unser Leben. Wenn du dein Leben gut planst, hast du eine gewisse Sicherheit, mit der du leben kannst, du hast einen Plan, dass du zu einer bestimmten Zeit nur für dies oder das Zeit hast und dass du dann lernst, dich in dieser Zeit auf diese Weise selber zu finden.

Wenn Sie einen Zauberstab hätten, was würden Sie dann als erstes machen?
Ich würde das Repertoire der Theater verändern. Das ist das, was elementar ist, dass die Menschen durch ein anderes Repertoire andere Informationen erhielten, aufgrund derer sie ihre Beziehung zu allem möglichen ändern könnten, zum Theater, zum Schauspiel und den Schauspielern und zu sich selbst. Wenn das Repertoires bescheiden und eintönig ist und sich dem anpasst, was die Menschen gerne sehen wollen, dann hat es keine Funktion mehr als Weg der Kunst und keine Funktion als gesellschaftliche Institution, die sich Theater nennt.

Autorin: Mediha Adrovic