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JUBILÄUM

Die legendäre Tschuschenkapelle feiert 30 Jahre!

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FOTO: www.tschuschenkapelle.at

JUBILÄUM. Vor 30 Jahren wurde eine Band gegründet, die ein echtes Beispiel dafür ist, dass die Musik eine internationale Sprache spricht, die alle verstehen. Mit der Tschuschenkapelle ist es Slavko Ninić in hervorragender Weise gelungen, die Balkankultur an die österreichische anzunähern.

Der Soziologe und Übersetzer Slavko Ninić ist mit 19 Jahren nach Wien gekommen, um in einer Beratungsstelle für jugoslawische Arbeiter zu arbeiten. Dort hatte er Kollegen, die in ihrer Freizeit Musik machten und sangen, was auch unseren Gesprächspartner dazu anregte, erstmals seit seinen Studententagen wieder eine Gitarre in die Hand zu nehmen. Und damit schuf er nicht nur Musik, sondern auch eine neue Legende der österreichischen Musiklandschaft. Die Tschuschenkapelle besteht seit 17 Jahren aus fünf hervorragenden Musikern und ständigen Bandmitgliedern, die ganz Österreich in Begeisterung versetzen.

KOSMO: Wie haben Sie sich als Ausländer beim österreichischen, und später auch bei unserem Publikum etablieren können?
Slavko Ninić: Wir wurden vom ersten Tag an hauptsächlich von Österreichern gehört. Wir waren niemals in irgendeinem Ghetto oder ausschließlich in unseren Clubs unterwegs, sondern sind sofort auch außerhalb unserer Lokale aufgetreten. Wir haben unsere Konzerte in den bekanntesten Wiener Häusern gespielt. Wir haben uns nicht in unserem eigenen ethnischen Milieu isoliert. Unsere Landsleute haben uns erst später entdeckt und eigentlich erst über die Österreicher von uns gehört. Inzwischen ist unser Publikum ganz gemischt und jetzt sind alle unsere Landsleute (lacht). Ich moderiere überwiegend auf Deutsch und versuche, den Österreichern die Thematik näherzubringen, die in unseren Liedern, so wie ich sie interpretiere, behandelt wird, d.h. ich gebe etwas von mir hinzu, das es im Lied nicht gibt, das aber einfach dazu passt. Ich glaube auch, dass wir gute Musik machen und dass das der Grund ist, aus dem wir da sind, wo wir sind. Wir sind niemals irgendwelchen Modetrends nachgelaufen, haben uns niemals kommerzialisiert, sondern nur das gespielt, was wir wollten. Wir sind unserem Stil treu geblieben.

„Wir haben uns nicht in unserem eigenen ethnischen Milieu isoliert, sondern haben in den bekanntesten Hallen gespielt.“

Wie schwer war es für Sie als Mensch, der nicht aus Österreich stammte, auf Deutsch bzw. „Wienerisch“ zu singen und zu moderieren?
Wienerisch habe ich bis heute noch nicht gelernt (lacht). Für einen Dialekt muss man in einer bestimmten Region geboren oder gelernter Schauspieler sein, der das jeden Tag übt. Ich habe nie sehr auf meinen deutschen Dialekt geachtet. Vielleicht ist das irgendwie mein innerer Protest, denn ich glaube, ich würde meine Identität verlieren, wenn ich so schön sprechen würde, wie jemand aus Ottakring. Bei mir hört man immer, dass ich Tschusch bin. Ich glaube, dass ich mich verändern würde, wenn ich wie ein Österreicher spräche. Natürlich bemühe ich mich, richtig zu sprechen, aber ich will meine Aussprache nicht verändern, denn dann würde ich mich selber aufgeben.

Wie wichtig ist die Identifikation mit dem Herkunftsland für einen Menschen? Bedeutet eine stärkere Identifikation eine schwächere Integration?
Nein, das würde ich nicht sagen. Man muss seine Tradition und seine Herkunft bewahren und darf nicht in einer anderen Kultur untergehen, denn eine einseitige Akkulturation bringt nichts. Keine Kultur gewinnt, wenn die andere verloren geht. Kulturen müssen sich gegenseitig bereichern und ergänzen. Die Tschuschenkapelle macht genau das und nähert die Balkankultur an die österreichische an und gleichzeitig lernen wir, da wir ja hier sind, über die österreichische Kultur. Darum bin ich auch gegenüber den Wienerliedern offen geblieben, die immer zu unserem Repertoire gehören. Bin ich jetzt Wiener? Das weiß ich selber nicht (lacht). Ich liebe diese Stadt, ich lebe hier, hier sind meine Freunde und meine Kinder. Aber ich fahre auch gerne zu uns aufs Dorf und ans Meer und bereise gerne andere Länder.

Wie schaffen Sie in Ihren Liedern eine Balance zwischen dem ausländischen und dem balkanischen Sound?
Die Balance kommt von selber. Was wir im Augenblick spielen, und die Lieder, die wir im letzten Moment entdeckt haben, kommen immer auf die neue CD. Früher haben wir mehr Türkisches gespielt, jetzt mehr Griechisches.

Wie hat sich in diesen 30 Jahren das Wiener Publikum verändert?
Ich glaube, dass uns das Publikum treugeblieben ist, aber dass es auch gealtert ist. Bei uns gibt es kaum Jugendliche. Unser Publikum ist mit uns gewachsen.

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„Bei mir hört man immer, dass ich Tschusch bin. Natürlich spreche ich richtig, aber ich will meine Aussprache nicht verändern, denn dann würde ich mich selber aufgeben.“ (FOTO: KOSMO)

Was unterscheidet Ihr musikalisches Vorgehen von einem Crossover?
Das ist alles eine Frage der Definition. Ich mag keine Eklektizismen. Wenn wir Lieder aus unserer Heimat interpretieren, dann sollen das Lieder unserer Tradition bleiben. Die muss man nicht verjazzen oder verrocken. Das sind fremde Einflüsse, die wir nicht nötig haben. Ein Lied, das aus unserer Tradition entstanden ist, muss man so bewahren und pflegen. Wenn ein Künstler etwas Eigenes hinzuzufügen hat, ist das in Ordnung, aber man muss nichts Fremdes hineinmischen und das Lied verderben. Das mag ich nicht. Wenn du es schaffst, ein Lied so zu formen, dass sein künstlerischer Wert und seine Botschaft erhalten bleiben, und dann etwas Eigenes hinzufügst, hast du es geschafft. Wenn du nur etwas Neues machen willst, aber nicht verstanden hast, wie schön das Alte ist, dann hast du das Lied vernichtet. Zum Beispiel kann man nicht ein Sevdah-Lied nehmen und es wie Jazz singen. Dann ist es besser, nur Jazz zu singen und die Sevdah in Ruhe zu lassen.

Welche Momente würden Sie als die wichtigsten in Ihrer Karriere herausgreifen?
Es gab viele schöne Momente. Jede Tournee und jedes Konzert ist mir in Erinnerung geblieben. Wir waren in Afrika (Zimbabwe, Mosambik) und Amerika (New York, Rio de Janeiro). Dennoch erinnere ich mich besonders gerne daran, wie wir bei einer Aufführung der Operette „Die lustige Witwe“  in der Wiener Oper Tamburica gespielt haben. Sir John Eliot Gardiner, der bekannte Dirigent, der die Operette damals dirigierte, forderte, dass die Tamburicas in der Partitur den originalen Klang haben sollten, genau wie es der Komponist Lehár geschrieben hatte. Und so kam man auf uns zu, denn wir waren damals angeblich die einzigen, die das ausführen konnten. Wir haben es an einem einzigen Tag geschafft, die Passagen einzustudieren, und haben uns hervorragend in das Orchester hineingefunden.

Ihr letztes Album heißt „Die Patriotische“ und ist der einheimischen österreichischen Musik gewidmet…
Es war mein Wunsch, etwas explizit Österreichisches aufzunehmen, aber ich wollte unsere Minderheiten auch nicht vernachlässigen. Einige Leute haben mir gesagt, dass ihnen das Album nicht sehr gefällt, weil unsere Elemente darin fehlen. Mir gefällt es sehr, denn es ist voller klassischer, schöner Dinge. Die Auswahl der Lieder war mehr oder weniger zufällig. Je nachdem, welche Stücke den einzelnen Bandmitgliedern gefielen. Aber es war sehr schwer, eine Auswahl zu treffen, denn Österreich besitzt so einen großen musikalischen Schatz.

Was planen Sie noch für die Zukunft?
Im kommenden Jahr planen wir, in den Osten zu gehen – in die Ukraine, nach Russland und nach Aserbeidschan.