Prostitution ist wohl eines der größten Tabuthemen unserer Gesellschaft – vor allem, wenn Männer dieser nachgehen. Auf meiner Suche nach einem Interviewpartner aus dieser Szene traf ich zufällig in einem Schwulen-Café auf Dragan S.*, welcher mich an seiner Geschichte teilhaben ließ. (*Name von der Redaktion geändert)
„Ich war relativ jung, als ich mein erstes Mal hatte und wie soll ich sagen – die Lust am Sex war ziemlich groß. Mein erstes Mal mit einem Mann hatte ich als normaler User auf einer Dating-Plattform für Schwule. Es kommt dort häufig vor, dass man angeschrieben und gefragt wird, ob man Lust auf ein Sexdate hat und so hatte ich auch mein erstes Mal“, schilderte mir Dragan seine ersten sexuellen Erfahrungen.
Auf die Dating-Plattform kam er über das Internet, genauer gesagt über einen „Er sucht ihn“-Chat. Dort wurde er gefragt, ob er denn auch auf Romeo sei. Nichtwissend worum es sich handelt, googlelte er, stieß so auf Gayromeo und erstellte sich dort ein Profil.
„Es hat sich dann einfach irgendwann einmal ergeben, dass mich jemand auf Romeo angeschrieben und mich gefragt hat, ob ich Lust hätte, TG zu verdienen. Ich, neu in dieser Szene, wusste nicht was das ist. Er hat mit dann erklärt, dass es eine Abkürzung für Taschengeld ist und bedeutet, dass er für Sex bezahlt.“
Das erste Treffen mit einem Freier
„Probehalber habe ich mir gedacht, warum nicht. Beim ersten Mal habe ich 70 Euro dafür bekommen. Der erste, der mir Taschengeld angeboten hat, war um einiges älter, mit Sicherheit 40 oder 41. Wir haben uns damals im zweiten Bezirk, beim Nestroyplatz getroffen“, erzählt Dragan von seinem ersten „Date“ für sogenanntes TG.
„Dort haben wir uns auf Hallo-Hallo kennengelernt. Er hatte dann gemeint, dass es für ihn ‚gut ausschaut‘ und mich aufs Zimmer eingeladen. Wir sind dann in eine Seitengasse des Nestroyplatzes gegangen. Anfangs wusste ich nicht genau, was mich erwartet. Ist es ein Bordell, ist es ein normales Hotel? Im Endeffekt hat sich herausgestellt, dass es ein Stundenhotel war. Wir sind hinauf ins Zimmer.“
„Ich – jung – 16 Jahre alt, habe mich etwas rein gelesen und mir ein Profil als Escort erstellt“
„Wir haben uns langsam herangetastet, angefangen zu knutschen – dies ist übrigens nach Absprache, da nicht jeder Freier küssen möchte – und Sex gehabt. Es war für mich normaler Sex, nichts Anderes als bei einem Sexdate. Wir haben uns davor nicht genau abgesprochen, was wir genau machen, da ich nicht wusste, wie so ein ‚Date gegen TG‘ überhaupt abläuft. Noch bevor ich mich ausgezogen habe, hat er mir das Geld gegeben, mich also im Voraus bezahlt. Es hat nicht einmal eine ganze Stunde gedauert – vielleicht waren es 20 Minuten – er hat mir aber trotzdem die komplette Summe von 70 Euro bezahlt.“
Nach seinem ersten Treffen mit einem Freier hat er sich dann etwas schlauer über „das Ganze“ – wie er selbst sagt – gemacht. Dragan erklärte mir, dass es auf Gayromeo unterschiedliche Sparten gibt, dazu gehören normale User, Gruppen und eben auch Escorts:
„Im Profil konnte ich alles angeben, von Körpergröße, Gewicht bis hin zu sexuellen Vorlieben, Schwanzgröße, sowie was die Stunde bzw. was die Nacht kostet. Ich habe mir die anderen Escorts etwas angeschaut und abgecheckt, was die so circa verlangen. Die Preise der Anderen bewegten sich von 50 bis 500 Euro die Stunde, was auch davon abhängig war, wie deren Profil aufgebaut ist. Diejenigen, die 500 Euro verlangen sind richtig professionell aufgezogen mit Fotos von Shootings etc. Natürlich kommt es darauf an, was der Escort bietet, z.B. wie groß sein Schwanz ist. Im Profil kann man diese wie Kleidergrößen angeben, von S bis XXXL.“
Als Escort war Dragan anonymer als mit seinem „normalen Profil“ unterwegs. Dort hat er mit Absicht keine Gesichtsfotos von sich hochgeladen, sondern nur seine „Statuswerte“ angegeben:
„Fotos habe ich nur auf Anfrage verschickt. Und dann haben wir geschaut, ob es passt oder nicht. Ich hatte in meinem Escort-Profil keine Bilder von mir drinnen, damit ich mit meinem normalen Gayromeo-Account auch weiterhin normale Dates haben kann.“
„Es war einfach Spaß, verbunden mit Geld. Wenn mir der Typ optisch überhaupt nicht gefallen hat, dann habe mich auch nicht mit ihm getroffen.“
Von 70 zu 250 Euro die Stunde – „Wie man so schön sagt: Geld stinkt nicht“
„So als junger angehender Erwachsener war es ein Zuverdienst zum Taschengeld, welcher nicht von den Eltern reguliert wird. Knapp 1,5 Jahre habe ich mich im Netz verkauft. Es gab gute Wochen mit ein bis zwei Freiern, aber auch schlechte Monate, wo ich nur einmal angeschrieben wurde. Es war auch nicht so einfach, die Treffen mit den Freiern zu koordinieren, da ich ja noch jung war, zur Schule ging und auch nicht einfach mir-nichts-dir-nichts spät in der Nacht das Haus verlassen konnte, ohne den Eltern Rechenschaft ablegen zu müssen.“
„Mit der Zeit hab ich natürlich viel mehr Erfahrung im Umgang mit den Feiern gehabt und besser gewusst, was sie möchten bzw. konnte auch dann mehr anbieten und auf ihre Wünsche besser reagieren. Viele fragten mich nach meinen Lieblingsstellungen, mit oder ohne Gummi, Natursekt, Bondage, Drogen etc. Ich bin jedoch nie von meinen Idealen abgewichen und Natursekt, Sadomaso, Drogen etc. kamen bei mir einfach nicht in Frage, auch wenn er mir die zehnfache Summe bot.“
„Meine Preise sind mit meinem Angebot gestiegen. Am Anfang waren es nur Blowjob und Sex, noch keine Streicheleinheiten, leichtes Bondage, der devote bzw. dominante Part, Sexspielzeuge usw. dabei. Je mehr ich angeboten habe, desto mehr habe ich dann auch verlangt. Zum Schluss waren es dann 250 Euro pro Stunde.“
Viele werden sich natürlich fragen, warum Freier Escorts und Stricher für Sex bezahlen? Warum suchen sie sich nicht in einer Bar oder auf Gayromeo einen Sexpartner? gibt es überhaupt einen typischen Freier und was war das Ekelhafteste, was ein Freier von Dragan verlangte? – All diese Frage lagen mir selbstverständlich auch auf der Zunge…
Dragans Antworten darauf, findet ihr auf der nächsten Seite…
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