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Drosten packt aus: „Größte Fehleinschätzung“ bei Corona-Maßnahmen

Drosten Corona Virologe
FOTO: EPA-EFE/ALEXANDER BECHER

Der Virologe Christian Drosten räumt mit Mythen auf und spricht über Fehleinschätzungen während der Pandemie. Vor dem sächsischen Untersuchungsausschuss bezieht er klar Stellung.

Christian Drosten, der während der Corona-Pandemie als führender Erklärer im deutschsprachigen Raum galt, sorgte mit seinen Einschätzungen für kontroverse Reaktionen. Bei einer Anhörung im sächsischen Landtag, zu der er als Sachverständiger eingeladen war, nutzte der Virologe die Gelegenheit, seine Position während der Krise klarzustellen. Dabei wies er entschieden die Behauptung zurück, er sei der „Architekt der Corona-Strategie“ gewesen – eine Bezeichnung, die zuvor vom AfD-Politiker Thomas Prantl im Ausschuss verwendet worden war. Drosten betonte, dass er lediglich „an einer kleinen Minderheit“ von Regierungssitzungen teilgenommen habe, räumte jedoch ein, dass seine regelmäßige Medienpräsenz einen anderen Eindruck vermittelt haben könnte.

Selbstkritische Reflexion

Der Wissenschaftler sprach auch offen über Fehleinschätzungen. Besonders bedauere er eine Empfehlung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vom November 2021, die eine Impfpflicht für Pflegekräfte forderte. „Das war die größte Fehleinschätzung, an der ich beteiligt war“, erklärte Drosten selbstkritisch. Er wies darauf hin, dass die damals vorherrschende Omikron-Variante deutlich weniger durch die Impfung verhindert werden konnte. Dennoch unterstrich er die positiven Auswirkungen der Impfkampagne: Sie habe Krankheitslast und Sterblichkeit erheblich reduziert.

Grundsätzlich stehe er auch heute noch hinter seinen damaligen Einschätzungen, betonte Drosten. Er erläuterte die Schwierigkeiten, besonders zu Beginn der Pandemie, als die Datenlage oft unsicher war. Im Mai 2020 hätten die verfügbaren Informationen nahegelegt, dass die Hospitalisierungsrate bei Kindern zwischen fünf und 20 Prozent liegen könnte. „Diese Daten haben sich später als zu hoch herausgestellt – zum Glück“, erklärte er.

Untersuchungsausschuss

Dennoch mussten auf dieser Basis weitreichende Empfehlungen ausgesprochen werden. Die Befürchtung schwerer Folgeerkrankungen bei Kindern, vergleichbar mit Komplikationen bei Mumps, habe zu strengeren Maßnahmen geführt: „Diese Bedenken sind allerdings kaum in der breiten Öffentlichkeit diskutiert worden, weil man die Menschen nicht verängstigen wollte.“

Für Heiterkeit auf der voll besetzten Zuschauertribüne sorgte Drosten mit einer humorvollen Erklärung für seine regelmäßigen Auftritte im NDR-Podcast. Wie t-Online berichtet, sagte er augenzwinkernd: „Ich habe 20 Jahre steuerfinanzierte Forschung betrieben – irgendwann muss man den Steuerzahlern etwas zurückgeben!“ Der Corona-Untersuchungsausschuss in Sachsen wurde auf Initiative der AfD eingerichtet und soll klären, ob Maßnahmen wie Schulschließungen, Testpflichten oder Impfkampagnen „geeignet, erforderlich und verhältnismäßig“ waren.

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Drosten beantwortete diese Frage grundsätzlich mit „Ja“ – wenn auch mit gewissen Einschränkungen.

Bei seinem Vergleich mit anderen Ländern untermauerte Drosten die Wirksamkeit der früh ergriffenen Schutzmaßnahmen in Deutschland mit konkreten Zahlen. Er führte aus, dass bei einer Verzögerung der Maßnahmen um nur drei Wochen in der ersten Welle nicht 9.345 Menschen, sondern etwa 70.000 Personen gestorben wären – ähnlich wie in Großbritannien. Für die Zukunft plädierte der Virologe für eine klarere Trennung zwischen wissenschaftlicher Beratung und politischer Entscheidungsfindung, um die Wissenschaft vor überhöhten Erwartungen zu schützen. Die Sitzung des Ausschusses musste nach nur zwei Stunden aus Zeitgründen unterbrochen werden, wobei Drosten zu einem späteren Zeitpunkt erneut aussagen soll.