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INTERVIEW

Ein Zahnarzt setzt sich für Flüchtlinge ein: „Soziales Engagement erfordert kein Talent“

Zahnarzt Jure Poglajen
Eigentlich wollte Jure Poglajen in Griechenland auf Urlaub fahren. Dann kam alles anders. (Foto: Privat)

Die größte Zeitung Sloweniens ernannte im Jahr 2015 den Zahnarzt Jure Poglajen zur Persönlichkeit des Landes. Sein Einsatz in der Flüchtlingsarbeit blieb von den Medien nicht unbemerkt. Vor drei Jahren wollten Poglajen und sein Ehepartner nach Griechenland reisen, um dort ihren Urlaub zu verbringen. Doch alles kam anders. KOSMO traf den sympathischen Zahnarzt aus Brežice, einer slowenischen Stadt nahe der kroatischen Grenze, zum Gespräch.

KOSMO: Was ist ihre Motivation, dass Sie sich aktiv für Flüchtlinge einsetzen?
Jure Poglajen: Meine persönliche Motivation liegt im menschlichen Bedürfnis anderen Lebewesen, sowohl Menschen als auch Tieren, aus ihrer Notlage zu helfen. Seit meinen Teenager Jahren setze ich mich für Flüchtlinge ein. Damals war ich Schüler im Gymnasiums Poljane in Ljubljana und Präsident des UN-Clubs (Vereinte Nationen) für das Gebiet der slowenischen Hauptstadt. Das war die Zeit des Krieges in Bosnien-Herzegowina.  In der Innenstadt hatten wir einen Stand, wo meine Kollegen und ich Spenden für die Bedürftigen sammelten. Es war vielleicht nicht viel, aber es ging ums bei der Aktion mehr darum an das Bewusstsein der slowenischen Bevölkerung zu appellieren.

„Ich stellte mir dann die Frage, ob es überhaupt möglich ist, dass man einen ruhigen Urlaub verbringen kann, angesichts der Tatsache, dass tausende Menschen vor Krieg fliehen und täglich auf Lesbos ankommen“

2015 wiederholt sich die Flüchtlingskrise. War es für Sie eine Selbstverständlichkeit sich wieder zu engagieren?
Vor drei Jahren habe ich beschlossen meinen Urlaub in Griechenland zu verbringen. Ich wählte zufällig die Insel Lesbos in der Ägäis aus. Nur wenige Tage vor der Abreise hörte ich die Nachrichten über die Flüchtlingskrise auf der gleichen Insel. Ich stellte mir dann die Frage, ob es überhaupt möglich ist, dass man einen ruhigen Urlaub verbringen kann, angesichts der Tatsache, dass tausende Menschen vor Krieg fliehen und täglich auf Lesbos ankommen. Daraufhin habe ich schnell beschlossen, dass ich mich zwar auf den Weg nach Griechenland begebe, jedoch nicht um meinen Urlaub dort zu verbringen, sondern zu helfen. In meinem Gepäck verstaute ich Medikamente, Schuhe und Hygieneartikel.

Jure Poglajen mit einer syrischen Familien im Flüchtlinsglager auf der griechischen Insel Lesbos. (Foto: Privat)

„Es gab natürlich sehr schwere Momente, wo man die Tränen zurückhalten musste, damit man den Flüchtlingen wenigstens ein wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben konnte“

Was haben Sie dort vorgefunden? Wie war die Situation damals für Sie?
Auf dem nördlichen Teil der Insel, wo ich mich aufgehalten habe, stellte sich heraus, dass es keine Ärzte, keine Krankenschwestern, keine NGOs, keine EU gab, lediglich die griechische Küstenwache, die die Flüchtlinge aus dem Wasser retteten. Ich traf eine dänische Krankenschwester Namens Maria, die ebenso als Freiwillige auf die Insel kam. So haben wir ein provisorisches Ärzteteam auf dem Teil der Insel gebildet.  Wir teilten uns die Arbeit, versorgten Kranke, belegten Brote, verteilten Wasser, Kleidung und Schuhe. Es gab natürlich sehr schwere Momente, wo man die Tränen zurückhalten musste, damit man den Flüchtlingen wenigstens ein wenig Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben konnte. Uns gingen die Vorräte aus und mit der Zeit kamen immer mehr geflüchtete Menschen dazu. Dann kam mir die Idee wieder Spenden in Slowenien zu sammeln. In nur einer Woche haben wir zehn Tonnen Hilfsgüter, von denen wir 2,5 Tonnen mit einem Adria Airways Flugzeug auf Lesbos transportieren konnten, gesammelt. Der Rest der Hilfsgüter wurde mit dem Zug auf der Balkanroute nach Serbien verteilt. Als die freiwilligen Helfer die Güter am Flughafen abgeholt haben, gab es sehr viele Tränen. Diese Aktion blieb von der slowenischen Öffentlichkeit nicht unbemerkt. Wir haben große Aufmerksamkeit in den Medien erhalten, die wir natürlich für weitere Maßnahmen genutzt haben. Ich habe vom slowenischen Medienhaus „Delo“ (größte Tageszeitung des Landes) sogar den Titel „Personality of the Year 2015“ erhalten.

„Die Situation war jedoch noch schlimmer geworden. Denn auf der Insel kamen 1200 Menschen pro Tag an“

Was haben Sie bisher erreicht?
Nach der ersten ungeplanten Aktion im August 2015 kehrte ich im November desselben Jahres nach Lesbos zurück. Diesmal jedoch als geplante Mission und als Zahnarzt. Wieder traf ich auf die dänische Krankenschwester Maria. Wir gründeten erneut ein Team. Dank der schwedischen Spende der chirurgischen Instrumente und einigen Anästhetika, die mein Kollege aus Kanada hinterlassen hat, haben wir vielen Menschen im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos geholfen. Die Situation war jedoch noch schlimmer geworden. Denn auf der Insel kamen 1200 Menschen pro Tag an. 2017 habe ich zusammen mit dem EU-Parlamentsmitglied Ivo Vajgl und dem ehemalige Präsident der Republik Slowenien Danilo Türk, 20.000 Euro Spenden für Flüchtlinge im Norden Griechenlands gesammelt.

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