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„UMETNOST SEĆANJA“

Eine Lehrstunde mit dem Film „Die Kunst der Erinnerung“ (GALERIE)

FOTO: KOSMO

Organisiert von KOSMO in Zusammenarbeit mit Ega Frauen im Zentrum wurde erstmals in Wien der Dokumentarfilm „Umetnost sećanja“ (zu Deutsch Die Kunst der Erinnerung) der jungen Belgrader Regisseurin Dr. Jelena Radenović gezeigt.

Ein Publikum aus verschiedenen Generationen war erschienen, um mit großer Aufmerksamkeit auf der Leinwand Bilder der grandiosen Denkmäler zu betrachten, die nach dem Zweiten Weltkrieg im ehemaligen Jugoslawien errichtet wurden. Geschaffen wurden diese Denkmäler von den größten Bildhauern der damaligen Zeit, deren schöpferische Kraft bis heute unübertroffen ist: von Dušan Džamonja in der Kozara und in Zagreb, von Miodrag Živković in Tjentište, Kadinjača und Šumarice, von Bogdan Bogdanović in Jasenovac und Mostar, von Boško Kućanski an der Neretva, von Antun Augustinčić auf Vis, von Vojin Bakić in Bjelovar und auf der Petrova Gora etc.

Alle ihre Skulpture leben freistehend unter der Sonne als integrierter Teil des Raums, als Teil des Lebens freier Menschen. Jedes ihrer Denkmäler ist als Ausdruck der Identität, als allgemeines Erkennungsmerkmal im Kulturraum eines Volkes konzipiert, der ohne Denkmäler auch ohne Erinnerung wäre.

Schulexkursionen, Belegschaftsausflüge und Märsche auf den „Wegen der Revolution“ bildeten in Jugoslawien eine ganz eigene Art von Tourismus, denn die Orte des Leidens, die mit den Denkmälern markiert wurden, wurden jährlich von bis zu vier Millionen Menschen besucht. Sie alle wandelten auf den Spuren der Geschichte und sangen: „Kamerad Tito, wir schwören auf dich“. Dies verstärkte die Kraft und das Gemeinschaftsgefühl des Volks und natürlich auch die Ideologie des jugoslawischen Modells des Kommunismus. Aber dann kamen die neunziger Jahre, der Zerfall des Systems, Kriege und Hass sowohl zwischen den Nationen als auch gegenüber Tito und der Zeit, die er geprägt hatte.

Zu Opfern des Krieges und der Entstehungsprozesse der neuen Staaten auf dem Boden Jugoslawiens wurden auch die Denkmäler. Vielleicht glaubten die Menschen, dass sie mit dem Versuch, die kollektive und individuelle Erinnerung auszulöschen, leichter in die Welt der Demokratie eintreten könnten, die so verführerisch lockte.

Alle diese Denkmäler und die Zeit, die in die Vergessenheit gedrängt wurde, behandelt der Film „Umetnost sećanja“, und an der Diskussion nach dem Film beteiligten sich neben der Autorin auch der Filmkritiker Duško Dimitrovski, der berühmte Bildhauer Dr. Dragan Radenović und der akademische Bildhauer Professor Miodrag Živković, der trotz seines hohen Alters zur Vorführung des Films aus Belgrad nach Wien gekommen war. Er erinnerte sich an die Zeit, in der die gigantischen Denkmäler der Erinnerung entstanden:

„Die Denkmäler wurden bei uns über öffentliche Ausschreibungen errichtet, an denen alle Künstler Jugoslawiens teilnehmen konnten. Die Wahl der besten Lösung traf eine Kommission aus den besten Experten. Die Politik hat sich da nicht eingemischt. In diesen öffentlichen Wettbewerben für Skulpturen und Denkmäler hatten Künstler Gelegenheit, ihre Arbeiten zu zeigen und ihre Idee mit den Ideen anderer Teilnehmer zu vergleichen, denn allen wurde dasselbe Thema gestellt. In diesem edlen Wettstreit konnte man immer viel lernen, und das hat zur Entwicklung der Kunst beigetragen.“

GALERIE (10 FOTOS)

Gleich nach seiner ersten Vorstellung wurde dieser zweite Film von Dr. Jelena Radenović auf dem Festival Slobodna Zona in Belgrad mit einem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet. Gegenüber KOSMO stellte die Regisseurin fest:

„Das gemeinsame Thema, das meinem ersten und meinem zweiten Film zugrunde liegt, ist die Identität. Im ersten Film ,Kuda dalje, (,Wie soll es weitergehen’) wird die Identität im Lichte des Lebens im Ausland betrachtet: Wer sind wir, wenn wir das Land verlassen, in dem wir geboren und aufgewachsen sind. Im Film ’Umetnost sećanja’ geht es nicht um Identität im Falle einer Veränderung des Raums (der Umgebung), sondern um Identität im historischen Kontext, im Kontext unserer Vorfahren und unserer ererbten Erfahrungen. Um zu verstehen und zu begreifen, wer wir sind, müssen wir uns an das erinnern, was in der Vergangenheit geschehen ist, und uns dem Vergessen, dem Revisionismus und der Auslöschung entgegenstellen.“

Jelena hat diesen neuen Film fast ohne Budget fertiggestellt, obwohl sie bei vielen Kulturinstitutionen in Serbien angeklopft hat. Leider ist auch die Kunst heute stark politisch gefärbt.

„Genau wie es der Kunsthistoriker Dr. Branko Dimitrijević im Film sagt, ist jede Äußerung über Jugoslawien ein politischer Akt, denn jede Erinnerung an das, was Jugoslawien war, ist ein Akt des Widerstands gegen das organisierte Vergessen. Es besteht noch immer kein einheitliches Urteil darüber, was dieser gemeinsame Staat für die Völker der Region bedeutet hat. Um die Geschichte auf Identitäts- und nationaler Grundlage zu rekonstruieren, was ein charakteristisches Bemühen aller post-jugoslawischen Länder ist, müssen sämtliche Spuren des aufgeklärten Sozialismus ausgelöscht werden.

Mir scheint, dass das einige der Gründe sind, warum wir von keiner einzigen Institution Unterstützung erhalten haben, obwohl wir uns in dem Film vorwiegend aus kultureller Sicht mit dem Kultur- und Denkmalserbe auseinandergesetzt haben.

Vera Marjnaovic
Meine Berufung zur Journalistin entdeckte ich bereits als Sechzehnjährige während meiner Gymnasialzeit in Montenegro. Diesem Berufszweig bin ich seither treu geblieben. Nach meiner Ankunft in Wien widmete ich mich der Arbeit mit Mitgliedern der BKS-Gemeinschaft, wodurch ich tiefgreifende Einblicke in die Lebensgeschichten und sowohl die Triumphe als auch die Herausforderungen verschiedener Generationen gewann. Diese vielfältige Palette an Persönlichkeiten prägte meinen journalistischen Weg und festigte mein Engagement für soziale Themen.