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REPORTAGE

Erstklässler als politische Versuchskaninchen: Ana (6)

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(FOTO: Amel Topčagić)

Die Grundlage des Bildungssystems ist die Sprache, und seit Jahren wird darüber diskutiert, dass die Schüler in Österreich in diesem Unterrichtsfach nicht gerade brillant sind. Seit diesem Schuljahr gilt ein neues Gesetz für Erstklässler.

Die neue österreichische Regierung hat zu Beginn ihres Mandats Änderungen im Bildungsgesetz bzw. eine Intensivierung des Deutschunterrichts angekündigt, und die angekündigten Veränderungen wurden von vielen Schuldirektoren und Lehrern als unfair gegenüber den Kindern und als übertriebener Eingriff in die Schulautonomie kritisiert, und es gab scharfe politische Kommentare, für die in diesem Text kein Platz sein soll. Es ging so weit, dass 300 Direktoren eine Petition gegen die Gesetzesänderung einreichten, aber vergebens. Die Erstklässler trugen am 3. September auf ihrem Rücken auch die Last, die erste Generation zu sein, an der das neue Gesetz erprobt wird.

Im Wunsch zu erfahren, was Eltern unserer Herkunft davon halten und wie ihre Erfahrungen in den ersten Schultagen waren, hat KOSMO drei Familien besucht. Ihre Geschichten sind sehr unterschiedlich, was darauf hinweist, dass das neu verabschiedete Gesetz in seiner elementaren Form nicht in allen Schulen umgesetzt wird.

Was sagt das Gesetz?


Für Kinder, die aufgrund eines Mangels an deutschen Sprachkenntnissen dem regulären Unterricht nicht folgen können, wird zusätzlicher Deutschunterricht angeboten. Nach dem ersten Halbjahr findet eine Testung statt, und wenn ein deutlicher Fortschritt erkennbar ist, können die Kinder im Weiteren den regulären Unterricht besuchen, wobei sie mit je sechs zusätzlichen Deutschstunden in der Woche unterstützt werden können. Die übrigen Kinder wiederholen den Test am Ende des Schuljahres. Der Zusatzunterricht in Deutsch kann maximal vier Semester bzw. zwei Schuljahre andauern. Das Bildungsministerium hat Lehrpläne für die Volks- und Mittelschule erstellt, deren Ziel es ist, dass die Schüler zur Beherrschung der mündlichen und schriftlichen Kommunikation in deutscher Sprache geführt werden.

Andrea und Jakov Ugljar – Anas Eltern

In der dreiköpfigen Familie Ugljar wurde die Einschulung des süßen sechseinhalbjährigen Mädchens Ana in die erste Klasse wie ein Festtag gefeiert.

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(FOTO: Amel Topčagić)

„Sie ist mit nicht ganz 18 Monaten in den Kindergarten gekommen. Am Anfang waren das nur kurze Aufenthalte unter den Kindern, damit sie sich möglichst leicht an die Gruppe gewöhnen konnte. Außerdem wollten wir, dass sie früher anfängt, Deutsch zu lernen. Es gab Leute, die uns sagten, dass das bis zum Schulbeginn Zeit hätte, aber wir fanden, dass es so besser wäre, und haben nicht nachgegeben“, sagt die Mama Andrea, die als Beamtin arbeitet.

Das Ehepaar Ugljar:

„Wir hätten nichts dagegen, dass Ana eine zusätzliche Deutschstunde besucht. Mehr zu wissen, schadet nie.“

Zu Hause spricht die Mama mit Ana mehr Deutsch, und wenn sie manchmal einen Fehler hört, bessert sie ihn sofort aus. „Ana spricht beide Sprachen hervorragend, aber Deutsch ist ihr näher und fällt ihr leichter. Mir ist wichtig, dass sie die Sprachen nicht vermischt. Um ehrlich zu sein, forciere ich das Kroatische mehr, so wie auch unsere Familie. Ich weiß, dass unsere Tochter gut Deutsch spricht, aber ich finde, dass die Kenntnis der Muttersprache sehr wichtig ist, denn auf diese Weise verhindert man einen Assimilierungsprozess. Ich habe bemerkt, dass Ana, wenn wir über den Sommer ans Meer fahren, sehr schnell neue Wörter im Kroatischen lernt und sogar den Dialekt annimmt, der dort gesprochen wird“, betont Jakov, der Privatunternehmer ist, stolz.

Ana ist in einen privaten Kindergarten gegangen, besucht aber jetzt eine staatliche Schule, in der sie zusätzlich Musik macht. „Im Privatkindergarten unseres Kindes gab es keinen Vorschulunterricht, aber beim Schulreifetest wurde gesagt, dass sie psychisch und physisch alle Kriterien für die Einschulung in die erste Klasse erfüllte. Wie ich höre, werden viele Kinder aus Privatkindergärten in Vorschulklassen eingestuft“, fügt unsere Gesprächspartnerin hinzu.

In Anas Schule gibt es viele Kinder mit Migrationshintergrund, aber der Zusatzunterricht in Deutsch beschränkt sich auf eine Stunde pro Woche. „Auf der ersten Elternversammlung wurden wir über Gesetzesänderungen mit Bezug auf den Deutschunterricht informiert. Es wurde gesagt, dass alle Kinder getestet würden und dass die Eltern informiert würden, welche Kinder Hilfe bräuchten. Einmal in der Woche würde für sie eine Schulstunde stattfinden, in der zusätzlich Deutsch und Mathematik gelernt würden.

ZU HAUSE

Die Mama spricht mit Ana mehr Deutsch, und wenn sie manchmal einen Fehler hört, verbessert sie ihn. Der Papa forciert das Kroatische.