Start Magazin
REPORTAGE

Facebook-Gruppen für Frauen: Orte, die verbinden

(FOTO: iStock)

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie haben Frauen vom Balkan in Österreich Dutzende Facebook-Gruppen gegründet, die bis heute bestehen. Diese Gruppen haben viele Gemeinsamkeiten und viele Unterschiede, aber in einer Hinsicht sind sie identisch: Sie nehmen keine Männer auf.

Frauen entscheiden sich aus unterschiedlichen Gründen für die Gruppengründung im sozialen Netzwerk Facebook. Einige hatten von Anfang an fertige Konzepte, die sie bis heute umsetzen, während andere sich ihre virtuelle Welt schrittweise aufbauen und erweitern und sich dabei ständig neuen Umständen und wachsenden Mitgliederzahlen anpassen.

Der gemeinsame Nenner all dieser Gruppen sind Vernetzung, Solidarität und gegenseitige Hilfe unter Frauen. Sie alle betonen, dass neue Mitglieder willkommen sind, dass aber Männer keinen Zutritt haben. Tatsächlich versuchen immer wieder Herren sich hinter Frauennamen zu verstecken, aber die Damen haben ein fantastisches Erkennungssystem entwickelt und „liquidieren” sie sofort. Darum, meine Herren, geben wir Ihnen den wohlmeinenden Rat: Meiden Sie die virtuelle Welt der Frauen!

„Balkan Women’s Club“ – 15.623 Mitglieder

(FOTO: Printscreen, zVg.)

Diese Gruppe hat fast 16.000 Mitglieder und wurde von Danijela Maksimovic (46), der Ordinationsassistentin eines Arztes, und Milica Rajic (31), der Inhaberin einer Dekorationsfirma für Festlichkeiten, gegründet. „Die Gruppe wurde offiziell 2020 während des Lockdowns gegründet. Wir haben fünf Frauen dazu eingeladen und am 3. Dezember begann jede von ihnen, einige weitere Freudinnen in die Gruppe einzuladen. Und auf einmal explodierte die Geschichte und nach sieben Tagen hatten wir 2.500 Mitglieder. Das war eigentlich kein Wunder, denn wegen der Pandemie waren wir zu Hause eingesperrt und hatten keinen direkten Kontakt mit unseren Freundinnen. Daher kam es uns gelegen, unsere Aktivitäten in die virtuelle Sphäre zu verlegen. Wir wussten nicht, worauf wir uns da eingelassen hatten, wir hatten keine besonderen Erwartungen”, beschreibt Danijela die Anfänge der Gruppe.


Von Anfang an war die Zusammensetzung der Mitglieder vielfältig und so kam eine interessante Idee auf.
„Wir organisierten Gewinnspiele, die die Gruppe belebten und neue Mitglieder anzogen. Die Preise, von Kuchen bis zu teuren Kosmetikbehandlungen und Waschmaschinen, stifteten Unternehmerinnen, was ihnen Werbung brachte. Die Teilnehmerinnen genossen die Preise und wir das Gruppenwachstum”, erzählt Milica.

Nach der Pandemie blieb die Gruppenaktivität hoch: „Die Frauen begannen, Alltagserlebnisse zu teilen. Die virtuelle Welt wurde nach der Pandemie zu einem Zufluchtsort, der Zeit spart und wo man sich nicht für Treffen aufbrezeln muss. Zwischen Haushaltspflichten konnten Frauen vertrauen, diskutieren oder lachen – ein Vorteil unserer entspannten FB-Gruppe”, so Danijela.

Regeln gelten für alle gleich

Dennoch gibt es in der FB-Gruppe Regeln, die für alle Frauen gelten:
„Wir erlauben es den Frauen, sich in der Gruppe zu streiten, denn wir sind keine Polizistinnen oder Erzieherinnen, sondern Administratorinnen. Sie streiten sich, kritisieren einander, wenn es zu ernst wird, und alles beruhigt sich wieder. Nur selten verlässt ein einfacher Streit die Grenzen des Erlaubten. Beleidigungen auf nationaler, religiöser oder Rassenbasis würden wir nicht dulden, und das passiert auch nicht. Außerdem ist es verboten, in der Gruppe Tiere zu verkaufen oder zu verschenken. Wenn diese Regeln verletzt werden, ermahnen wir die Mitglieder mehrmals, aber am Ende müssten wir sie aus der Gruppe ausschließen”, betont Milica.

In der Gruppe gibt es täglich durchschnittlich etwa 350 Beiträge.

„Frauen teilen oft Probleme in Beziehungen, mit Männern oder Schwiegermüttern, sowie Gewalt in der Familie. Auch Sprachbarrieren beim Umgang mit Behörden, Arztbesuchen oder Gesprächen mit Lehrern sind Herausforderungen. Trotz der Vielfalt der Probleme, bemühen wir uns stets zu helfen”, fügt Milica hinzu.

Die schönste Seite der Menschlichkeit

Einige Frauen in der Gruppe sind familiärer Gewalt ausgesetzt oder haben schwere Krankheiten.
„Frauen suchten oft nachts Hilfe in unserer Gruppe. Eine junge Mutter wurde von ihrem Mann aus der Wohnung geworfen, und wir organisierten sofort eine Abholung, doch sie zog sich zurück. Eine andere Mutter, misshandelt von ihrem Partner und ohne finanzielle Mittel, erhielt durch unsere Sammlung von 2.500 bis 3.000 Euro Unterstützung und fand Zuflucht in einem Frauenhaus; heute lebt sie ruhig mit ihren Kindern. Eine alleinerziehende Mutter und Unternehmerin geriet während der Pandemie in finanzielle Not und erkrankte an Krebs. Die Gruppe zeigte enorme Solidarität, indem wir Geld für ihre Behandlung sammelten. Heute geht es ihr besser”, erzählt Danijela bewegt über die Solidarität zwischen den Frauen der Gruppe.

Milica ergänzt ein weiteres Beispiel dieser Hilfsbereitschaft: „Ein Gruppenmitglied verlor kurz vor den Feiertagen durch einen Unfall in Kroatien ein Familienmitglied. Wir organisierten Transport und sammelten Geld für das Begräbnis. Diese Aktion zeigt unseren Gruppenwert: gemeinsame Hilfe bei Problemen. Wir unterstützen transparent und gesetzeskonform Familien, vor allem Kinder, international. Trotz unterschiedlicher Herkunft unserer Mitglieder, bleibt unsere Gemeinschaft durch Menschlichkeit vereint.”

In dieser Gruppe bewerben die Frauen kostenlos die Produkte ihrer Hobbys und Firmenaktivitäten. Oft treten Firmen an Danijela und Milica heran, die Mitarbeiterinnen suchen, aber auch die Frauen selber schreiben, wenn sie wissen, dass es irgendwo einen freien Arbeitsplatz gibt. Wenn ein Mitglied seine Arbeit verliert, wird sie getröstet und man hilft ihr, eine neue zu finden, und genauso ist es auch mit Wohnungen. Bisher wurden einige Partys für die Gruppenmitglieder organisiert und auf der letzten, die Milica mit Hilfe eines Sponsors organisierte, waren mehrere hundert Damen.

Lesen Sie mehr auf der nächsten Seite!