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„Heasd Brate geh ma‘ Fitinn“: Ein Erlebnisbericht

FOTO: iStockphoto

Selma Tahirović ist eine aufstrebende junge Bloggerin, die auf dem Portal „nichtnochein0815blog“ zu verschiedensten Alltagsgeschichten schreibt – und das auf eine unverfälschte, ehrliche und irrsinnig unterhaltsame Art und Weise. Grund genug, unsere Leser von nun an regelmäßig mit ihren Blogeinträgen zu versorgen…Reinlesen lohnt sich!

Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass es Dinge in meinem Leben geben wird die ich nicht gerne tun werde, aber eben tun MUSS. Sport war da ganz oben auf meiner Liste. Besonders, da ich der unsportlichste Mensch auf der Welt bin. Glaubt mir das ist absolut nicht gelogen, hatte ich mir doch in der Volksschule beim Rolle-vorwärts lernen das Schulterblatt geprellt. Ein traumatisches Erlebnis, welches mich bis heute noch verfolgt.

2015 wagte ich jedoch ein verrücktes Selbstexperiment und meldete mich tatsächlich für ein Gratis-Monat im Fitnesscenter meiner Stadt an. Trotz meines Traumas konnte ich es kaum erwarten fit und sexy zu werden. Doch obwohl ich zu Beginn vor lauter Motivation strotzte, war der Zauber schon bald verflogen.

In der ersten Woche bin ich dreimal in der Muckibude gewesen, hatte mich mit einigen Pensionisten auf den Gerätezirkel geschwungen und schon nach zwei Minuten begonnen zu schwitzen. Ich fragte mich, ob das für meine damaligen 22 Jahre normal war, fühlte regelmäßig meinen Puls und erinnerte mich an meine zwei Erste-Hilfe-Kurse zurück.

Verstauchte Knöchel mit Flashbacks
Der Horror begann erst richtig als ich realisierte, dass mich fremde Leute tatsächlich beim Sport sehen konnten. Ein paar Grannys zum Beispiel, die mich vorwurfsvoll mit Blicken aufspießten, weil ich anscheinend mal wieder ein Gerät falsch benützte. Oder sie meine orange-pinken Shorts als einen eindeutigen Hilfeschrei auffassten. Ich fühlte mich daraufhin immer unwohler und wurde regelmäßig von sämtlichen Flashblacks meines verpfuschten Purzelbaums gequält.

Nach zwei Wochen gab ich auf, da ich dem mentalen Druck weiterhin nicht mehr standhalten konnte. Allein die Tatsache, dass ich mit einem neuen durchtrainierten Körper in Kombination mit meinem unglaublich verwerflichen Humor die Männerwelt total in Rage gebracht hätte, wollte ich definitiv nicht auf mich nehmen. Ich kontaktierte meinen Trainer und erzählte ihm, dass wir kein Endgespräch bräuchten, um meine sportlichen Erfolge zu besprechen. Abgesehen davon, dass ich:

1. Anstatt fünf Kilo abzunehmen zwei zugenommen hatte und
2. mir nach meinem letzten Training auf dem Weg zum Auto meinen Knöchel verstaucht hatte,

war die Sache für mich erledigt. Ich schmiss wortwörtlich das Handtuch.

Der Weg einer Kriegerin
Die darauffolgenden Jahre verliefen ruhig. Hier und da konnte ich mich dazu überreden joggen zu gehen. Während ich mir total sporty und elegant vorkam, wurde mir schnell klar, dass ich wie ein Pinguin auf Heroin herumlief. Zusätzlich war ich dauernd aus der Puste, weil ich alle Lieder meiner Spotify-Run-Playlist mitsang. Ein unüberwindbarer Teufelskreis.

Doch Anfang des Jahres kam mir ein erneuter Geistesblitz, der mich wieder über die Türschwelle eines Fitnesscenters treten ließ. Nur diesmal ging ich nicht alleine, nein, ich hatte meinen sportlichen Freund E. mit. Als mentale und körperliche Stütze quasi. Er erklärte sich bereit mir alles zu zeigen und mir dabei zu helfen die Liebe zum Sport zu finden. Außerdem hatte das Fitinn ein Neujahrsangebot – sonst hätte ich meinen Arsch und noch wichtiger mein Geld eh nicht dorthin verlegt.

Das Problem hierbei war, dass E. mich noch nicht gut genug kannte. Er wusste also nicht, dass ich meine Entscheidungen in Bezug auf unangenehme Dinge sehr oft wechsle. Eigentlich genauso oft wie Leonardo Dicaprio seine Modelfreundinnen. Meine unausstehlichen Launen und meine Ja- mal Nein-Argumente zum Fitnesscenter haben E. in den Wahnsinn getrieben. Außerdem war ich oft genug vor der ultimativen Entscheidung lieber Schluss zu machen als mit ihm ins Fitinn zu gehen.

Nach ewigem Hin und Her bin ich daraufhin tatsächlich in die Goldschmiede aller Instagram-Stars und -Bitches eingetreten. Als ich dann im Studio stand und wieder meine beklemmenden Angstzustände bekam, hätte ich mich am liebsten sofort aus lauter Scham mit einer Langhantel stranguliert. Gleichzeitig fing ich innerlich an zu lachen – als ob ich jemals eine Langhantel heben würde.

Was zur Hölle mach ich hier?!
Nachdem mich sämtliche Mädels bereits in der Umkleide sau deppat angestarrt hatten, wollte ich schon wieder schreiend rauslaufen. Ich überlegte mir sämtliche Ausreden, um mir die Tragödie und Peinlichkeiten vor E. zu ersparen, doch mehr als die Tatsache, dass meine Turnschuhe drückten, fiel mir nicht ein.

Ich betrachtete meine Füße und überlegte mir, ob es möglich war genau an so einer ungewöhnlichen Körperstelle fett zu werden. Obwohl ich zu keiner eindeutigen Antwort kam, wusste ich zumindest, dass ein Heulanfall die letzte Möglichkeit war mich vorm‘ Sport zu drücken.

Während E. gelangweilt im Flur auf mich wartete, hatte ich mich endlich dazu überwunden aus der Umkleide rauszukommen. Nachdem er mich fragte, ob ich bereit sei, wollte ich am liebsten theatralisch am Boden sinken und einen Kreislaufkollaps vorspielen – natürlich passiert sowas nie, wenn man es wirklich braucht. Er zerrte mich zu den ersten Geräten und wir „wärmten“ uns auf. Während ich die Lederrolle mit meinen Pudding-Beinen nach oben drückte, schaute mir E. konzentriert zu.

Nach der Aufwärmphase verlagerten wir unser „Training“ in den hinteren Teil des Fitnesscenters, um ein paar Übungen mit Gewichten zu probieren. Ich fühlte mich jedoch so als ob ich auf dem Weg nach Mordor wäre, um Sauron meine Seele zu verkaufen. „Vielleicht gibt’s halt paar hübsche Typen zum Anschauen“, dachte ich mir während ich E. wie ein Küken nachlief, um nicht in den unglaublichen Weiten des Fitinns verloren zu gehen.

Dort angekommen war es eher ernüchternd zu sehen wie viele Typen vorm Spiegel standen und sich beim Gewichtheben bewunderten. Die Arroganz, der Schweiß und die Instagram-Likes, die in der Luft lagen, waren kaum zu ignorieren. E. zeigte mir ein paar Übungen und verschwand daraufhin ebenfalls kurz vor dem Spiegel. Im Augenwinkel konnte ich ihn endlich in seinem natürlichen Habitat beobachten und auf seinen Hintern starren. Dies beruhigte mich zumindest ein wenig.

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