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Kind fast gestorben

„Hundebox-Prozess“: Geschworene beraten über Urteile

(FOTO: X/@StehaufmannWien)
(FOTO: X/@StehaufmannWien)

Im Landesgericht Krems ist die Beratung der Geschworenen über die Urteile im Fall einer niederösterreichischen Mutter und ihrer vermeintlichen „Anweiserin“ in vollem Gange. Beide Frauen, einst als „Seelenverwandte“ bezeichnet, stehen vor Gericht, da sie beschuldigt werden, den 12-jährigen Sohn der Mutter fast zu Tode gequält zu haben. Während des Prozesses, der sich über drei Verhandlungstage erstreckt, wiesen sich die beiden Waldviertlerinnen gegenseitig die Schuld zu.

Die 33-jährige Erstangeklagte und ihre 40-jährige Komplizin wurden von der Staatsanwältin Anna Weißenböck der abscheulichen Tat beschuldigt, den Jungen monatelang in einem Hundekäfig eingesperrt, unterernährt und bei Minusgraden mit kaltem Wasser übergossen zu haben. Die Folge: Chronische Erfrierungen an den Füßen des Kindes.

Die Frau wurde Ende November 2022 festgenommen und seitdem in Untersuchungshaft gehalten. Die Beweise gegen sie sind erdrückend. Doch die Frage, die alle beschäftigt, bleibt unbeantwortet: Warum? Warum hat eine Mutter ihren eigenen Sohn auf solch grausame Weise misshandelt? Warum hat die zweite Angeklagte sie dazu angestachelt, wenn die Anschuldigungen zutreffen? Und warum hat niemand eingegriffen, um das Leiden des Jungen zu beenden?

Mutter bricht in Weinkrämpfe aus

Die Angeklagten, die sich während des Prozesses keines Blickes würdigen, sitzen in identischer Körperhaltung nebeneinander auf der Anklagebank. Mit gekreuzten Beinen und verschränkten Armen fixieren sie starr die Richterin Monika Fasching-Lattus. Während die Mutter des Opfers, eine vierfache Mutter, immer wieder in Weinkrämpfe ausbricht, bleibt die 33-jährige Mitangeklagte emotionslos. Opferanwalt Timo Ruisinger kritisiert in seinem abschließenden Plädoyer die Reaktion der Mutter: „Die Weinausbrüche sind nicht aus Reue. Die Tränen sind der Angst vor Konsequenzen geschuldet.“

Beinahe zu Tode gequält

Staatsanwältin Anna Weißenböck fasst das schreckliche Verbrechen zusammen: „Die beiden Frauen quälten 2022 ein 12-jähriges Kind beinahe zu Tode. Sie haben Gerhard (Name geändert) zerstört, zumindest seelisch.“

Eine Schlüsselrolle im Prozess spielt der Gerichtspsychiater Peter Hofmann. Er erklärt, dass das psychisch auffällige Kind eine „riesige Herausforderung“ für die Mutter gewesen sei. Nach dem Tod ihrer eigenen Mutter im Jahr 2019 sei sie in eine „tiefe Abhängigkeit“ zur Mitangeklagten geraten. „Meine Mandantin war ihr hörig“, so Verteidigerin Astrid Wagner. Hofmann spricht von „Machtgelüsten mit tiefen sadistischen Elementen“, sollten die Anweisungen zu den grausamen Taten tatsächlich von der Mitangeklagten ausgegangen sein.

Sascha Flatz, der Verteidiger der vierfachen Mutter, hat eine andere Theorie: „Ich glaube, die Erstangeklagte war in meine Mandantin verliebt und gab Gerhard die Schuld dafür, dass es nicht funktioniert hat. Deshalb hat sie das Kind gehasst.“

Mutter besuchte Sohn nie im Krankenhaus

Am Tag der Urteilsverkündung zeigt sich die Mutter des Opfers reumütig: „Es tut mir leid, was passiert ist.“ Doch die Staatsanwältin entgegnet scharf: „Es ist nichts passiert. Sie haben ganz bewusst etwas getan!“ Die Vorsitzende brachte auch zur Sprache, dass die Frau nicht versucht hatte, ihr Kind im Krankenhaus zu besuchen. Stattdessen unternahm sie verschiedene Versuche, ihr Handy zu beseitigen. Sie zerschmetterte es, tauchte es in Wasser und warf es schließlich in einen Mülleimer entlang eines Spazierwegs. Das Gerät wurde später gefunden, und einige der Chatverläufe konnten teilweise wiederhergestellt werden.

Der Prozess und seine Auswirkungen könnten weitreichende Folgen für das Verständnis und die Bekämpfung von Kindesmisshandlung in Österreich haben. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht heute entscheiden wird und welche Konsequenzen dies für die beiden Angeklagten und die Gesellschaft als Ganzes haben wird.