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AB JULI

Jeder kann ab jetzt sehen, wenn du Schulden hast

(FOTO: iStockphoto)

Ab 1. Juni gibt es für Schuldner neue Regeln. Arbeitgeber und Hausverwaltungen können dann jederzeit prüfen, welche Personen zahlungsunfähig sind und das noch bevor das Verfahren begonnen hat.

Kurzarbeit, Jobverlust oder Unternehmen, die in Konkurs gegangen sind – Die Corona-Krise hat viele Menschen wirtschaftlich sehr hart getroffen. Durch eine neue Regelung sollen die Schuldner jetzt auch noch vor den Internetpranger gestellt werden. Denn mit der Reform können Arbeitgeber und Hausverwaltungen künftig auf eigene Faust die Namen von Betroffenen in einem öffentlichen Register einsehen und überprüfen, wer zahlungsfähig ist und wer nicht, noch bevor das Verfahren begonnen hat.

Schulden: Oft ein Tabu-Thema
Arbeitslosigkeit und Krankheit sind statistisch gesehen die Hauptgründe dafür, dass Menschen gezwungen sind, Schulden aufzunehmen, erzählt Klaus Schwertner, der Geschäftsführer der Caritas Wien gegenüber dem ORF. Doch viele Menschen schämen sich, plötzlich verschuldet zu sein, versuchen ihre finanzielle Situation vor verheimlichen. Das wird jedoch in Zukunft wesentlich schwieriger…

Schulden online einsehbar
Ab 1. Juli tritt in Österreich ein neues Exekutionsrecht in Kraft. Dadurch können Gläubiger künftig gegen ihre Schuldner ein Gesamtvollstreckungsverfahren beantragen. Das hat zur Folge, dass die betroffenen Personen in der sogenannten „Ediktskartei“ vermerkt werden. Dabei handelt es sich um ein öffentliches Register, in das gerichtliche Bekanntmachungen eingetragen werden und das auch online abrufbar ist. Heißt konkret: Die Namen von Betroffenen können künftig bereits veröffentlicht werden, bevor überhaupt ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (dies war bisher nicht möglich).

Fatale Folgen
Diese Offenlegung hat zur Folge, dass Hausverwaltungen, Arbeitgeber, Mobilfunkanbieter oder Versicherungen sehen können, wer potentiell zahlungsunfähig ist, noch bevor das überhaupt spruchreif ist, erklärt Bernhard Sell, Jurist bei der Schuldnerberatung Wien, gegenüber ORF. Die fatale Folge: Banale Verträge wie Internet- oder Mobilfunkverträge, bis hin zu Haushaltsversicherungen oder wichtigen Verträgen, wie Miet- oder Dienstverträgen, würden zahlungsunfähigen Personen meist verweigert werden, so Sell.

Vonseiten des Justizministeriums wird die Reform damit argumentiert, dass sie mithelfe, die Zahl der vielen und langwierigen Verfahren zu reduzieren. Betroffene würden außerdem schneller im Insolvenzverfahren seien, wodurch die Schulden nicht mehr anwachsen können und sich die persönliche Situation nicht weiter verschlimmert.

Ab Juli: Entschuldung nach drei Jahren
Wer verschuldet ist, kann unter bestimmten Voraussetzungen Privatkonkurs beantragen. In vielen Fällen wird ein Zahlungsplan mit den Gläubigern vereinbart, um die Schulden zurückzuzahlen. Ist das nicht möglich, wird ein Abschöpfungsverfahren eingeleitet, bei dem ein gewisser Teil des Gehalts an den Gläubiger abgeführt werden muss. Bisher war die Verfahrensdauer für ein solches Abschöpfungsverfahren auf fünf Jahre festgelegt. Mit der neuen Reform ab Juli soll dieses auf drei Jahre verkürzt werden.

Menschen, die von einer Gehaltspfändung betroffen sind, können künftig also schon nach drei Jahren schuldenfrei sein. Dafür ist es jedoch notwendig schnell zu handeln, sobald man erfahren hat, dass man in der Ediktsdatei als zahlungsunfähig gelistet wurde, erklärt Bernhard Sell von der Schuldnerberatung. Betroffene sollten spätestens nach 30 Tagen zur Schuldnerberatung gehen, um sich die Möglichkeit der dreijährigen Entschuldung offenzuhalten, so Sell. Man müsse also relativ rasch reagieren, da sonst weiterhin das alte Recht angewendet werde.



Quellen und Links: