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INTERVIEW

Johannes Kopf: „Schulungen verbessern Arbeitsmarktchancen”

AMS-Vorstand Johannes Kopf. (Foto: AMS/Pungovschi)
AMS-Vorstand Johannes Kopf. (Foto: AMS/Pungovschi)

Über die Arbeitskräftemangel, Arbeitslosenrate und soziale Leistungen hat KOSMO mit Johannes Kopf, Vorstand des AMS Österreich gesprochen.

KOSMO: Gibt es in Zukunft Pläne die AMS-Leistungen für Langzeitarbeitslose unattraktiver zu gestalten, um dem Arbeitskräftemangel entgegen zu wirken?


Johannes Kopf:
Langzeitarbeitslose Personen erhalten Notstandshilfe und ich nehme aus der Politik keinerlei Hinweise wahr, hier etwas ändern zu wollen. Im Gegenteil, es wird arbeitsmarktpolitisch sehr viel für die Reintegration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt getan und die Zahlen zeigen, dass es bisher auch gut funktioniert hat: Von März 2022 bis heute hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit um 35,4 % verringert! Dass die Langzeitarbeitslosigkeit so rasch und so stark sinken kann, hat niemand erwartet, ich auch nicht.

,,Die Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit ist eines der wichtigsten Ziele.“

Der aktuelle Fachkräftemangel hat den erfreulichen Effekt, dass zahlreiche Betriebe, die auf Personalsuche sind, auch in langzeitarbeitslosen Personen ein Arbeitskräftepotenzial entdecken. Ich plädiere dafür, dass möglichst alle Betriebe und Personalverantwortliche ihre Perspektive erweitern und ganz generell auch Personen eine Chance geben, die vielleicht nicht zu hundert Prozent ihren Vorstellungen entsprechen. Auch in benachteiligten Gruppen wie MigrantInnen, Älteren, Wiedereinsteigerinnen, Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder eben auch Personen, die schon lange keine Arbeit gefunden haben, finden sich zahlreich wertvolle MitarbeiterInnen von morgen.

Planen sie eine Erhöhung des AMS-Geldes?


Die Ausgestaltung der Geldleistungen des AMS ist Sache des Gesetzgebers, also eine Frage der parlamentarischen Mehrheiten. Bundesminister Kocher hatte das ambitionierte Ziel einer grundlegenden Reform der Arbeitslosenversicherung, die viele sinnvolle und arbeitsmarktpolitisch richtige Elemente enthalten hätte. Vorgesehen war, dass das Arbeitslosengeld anfangs höher ausfällt und nach etwa drei Monaten auf das jetzige Niveau sinkt. Diese Schwelle wäre wichtig gewesen, um den plötzlichen Einkommensverlust zu mildern und um zu signalisieren, dass mit Fortdauer der Arbeitslosigkeit Arbeitssuchende flexibler werden müssen.

„Bei langer Arbeitslosigkeit sind die Chancen, wieder einen Job zu finden, einfach viel niedriger.”

Eines der wichtigsten Ziele in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist nämlich die Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit. Lässt man sich zu lange Zeit für die Suche nach dem perfekten Job, kann es passieren, dass man zu lange arbeitslos wird und Betriebe bei der Einstellung skeptisch werden. Es ist nicht fair, aber bei langer Arbeitslosigkeit sind die Chancen, wieder einen Job zu finden, einfach viel niedriger. Dass es trotz Bemühen aller Seiten zu keiner Einigung in Sachen Arbeitslosenversicherungsreform gekommen ist, bedaure ich.

Die Arbeitslosenrate sinkt, ihrer Aussage nach, stätig. Liegt das daran, dass man so viele Stellen erfolgreich besetzen kann, oder daran, dass so viele Menschen nun AMS-Kurse besuchen?


Im Jahr 2022 wurden insgesamt fast 500.000 Stellen besetzt, daher sanken unter anderem auch die Arbeitslosenzahlen. Schulungen hingegen sind eines der wichtigsten Instrumente, um die Arbeitsmarktchancen von Menschen, die mit ihren Qualifikationen keinen Job finden, zu erhöhen. Sie werden in unseren monatlichen Veröffentlichungen immer separat angeführt. Beim AMS gilt der Grundsatz „Vermittlung geht vor Schulung“: Das bedeutet, dass wir erst eine Schulungsmaßnahme vorschlagen, wenn eine Person Schwierigkeiten hat, mit ihren vorhandenen Qualifikationen Arbeit zu finden.

„Wir schlagen erst eine Schulungsmaßnahme vor, wenn eine Person Schwierigkeiten hat, Arbeit zu finden.”

Das WIFO hat übrigens erst letzten Sommer eine Studie zur Effektivität und Effizienz von AMS-Schulungen vorgestellt. Die Ergebnisse sind eindeutig: Qualifizierungsmaßnahmen des AMS erhöhen die Arbeitsmarktchancen von geförderten Personen und das betrifft insbesondere stärker benachteiligte Gruppen wie etwa ältere Menschen, gesundheitlich eingeschränkte Personen oder Geringqualifizierte. Wo es also nötig ist, setzen wir auf Schulungen und Qualifizierung. Mit dem Rückgang der Arbeitslosenzahlen hat dies nichts zu tun.

Wissensvermittlung und Ausbildung von Fachkräften sind zentrale Aufgaben von Unternehmen. Denken Sie, dass die Unternehmen in Österreich hier genug tun und hier Verbesserungen nötig sind?


Die wesentliche Institution zur Ausbildung von Fachkräften ist in Österreich die Lehre. Sie ist eine Erfolgsgeschichte, die auch international große Beachtung findet. Dennoch haben wir aktuell das Problem des Lehrstellenüberhangs: im März 2023 kamen auf 9.292 offene Lehrstellen nur 5.259 Lehrstellensuchende.

Die Ursachen dafür sind einerseits die demographische Entwicklung und andererseits auch, dass viele Lehrstellensuchende nicht dort wohnen, wo es auch offene Lehrstellen gibt. Hier ist auch die Kreativität der Betriebe gefragt: Sie müssen sich als attraktive Lehrbetriebe erweisen, um ihre Lehrlinge zu finden.

Das AMS unterstützt und berät gerne. Was die Wissensvermittlung betrifft, so kann ich jedem Betrieb nur empfehlen, auf die Weiterqualifizierung ihrer MitarbeiterInnen großen Wert zu legen. Insbesondere ältere MitarbeiterInnen werden tendenziell seltener weiterqualifiziert, was in Anbetracht des Fachkräftemangels widersinnig ist.

Betriebe werden sich ihrer Verantwortung für die Aus- und Weiterbildung ihrer MitarbeiterInnen immer bewusster. Dies liegt auch am Fachkräftemangel, der dazu führt, dass man eher bereits bestehende MitarbeiterInnen weiterqualifiziert als mit neuen MitarbeiteInnen zu rechnen, die man unter den derzeitigen Bedingungen auch nur schwer bekommt.