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Jugend-Staatssekretärin in Tirana: „Die EU ohne Westbalkanländer ist wie ein Schnitzel ohne Preiselbeeren“

Jugend-Staatssekretärin in Tirana: "Die EU ist ohne Westbalkanländer wie ein Schnitzel ohne Preiselbeeren" (FOTO: Arno Melicharek)

Am 10. und 11. Februar besuchte die österreichische Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) Tirana – die Europäische Jugendhauptstadt 2020. Neben dem Europäischen Jahr der Jugend stand die Perspektive junger Menschen auf den Beitritt zur Europäischen Union im Fokus.

Tirana ist die 14. Stadt, welche diesen prestigeträchtigen Preis gewonnen hat. Die Hauptstadt von Albanien wird ein Jahr lang die Europäische Jugendhauptstadt sein, was viele Projekte, Aktivitäten und eine außergewöhnliche Gelegenheit für die Stärkung der Perspektive junger Menschen in diesem Land bedeutet.

Zu diesem Anlass besuchte die Jugendstaatssekretärin Tirana und traf sich dort mit den wichtigsten Jugendorganisationen und jungen UnternehmerInnen, um das Potenzial der albanischen Jugend zu unterstützen. Außerdem führte sie Gespräche mit dem Bürgermeister von Tirana, Erion Veliaj und mit der albanischen Jugendministerin Bora Muzhaqi.

Staatssekretärin für Jugend, Claudia Plakolm und Bürgermeister von Tirana, Erion Veliaj (FOTO: Arno Melicharek)

Tirana – Europäische Jugendhauptstadt 2022
In 2022 wird die Stadt zu einem internationalen Treffpunkt, der die jungen Menschen und ihre InteressensvertreterInnen aus ganz Europa zusammenbringt und vernetzt. Durch unterschiedliche Aktivitäten wird es viele Möglichkeiten geben, europäische Identität und Freiwilligenarbeit zu fördern, sich für Vielfalt und Integration einzusetzen, Jugendorganisationen zu unterstützen und positive Veränderungen herbeizuführen.

Der Titel „Jugendbeteiligung fördern“ trägt dazu bei, das Engagement junger Menschen in Entscheidungsprozessen durch weiter verbesserte oder neu entwickelte Mitentscheidungs- und Beteiligungsstrukturen zu erhöhen und so junge Menschen mit lokalen Behörden besser zu verbinden.

Die VertreterInnen des Organisationskomitees für die Europäische Jugendhauptstadt Klajdi Priska und Shila Parllaku betonten, dass Albanien den höchsten Prozentsatz an jungen Menschen, die den EU-Beitritt ersehnen, in der ganzen Westbalkan-Region hat.

Braingain statt Braindrain
Im Zuge der Gespräche mit der Jugendministerin und mit den VretreterInnen der Western Balkans Youth Co-operation Platform kam das Thema „Braindrain“ als eines der größten Probleme in Albanien zum Vordergrund. Auch wenn die Hauptstadt Albaniens eine der jüngsten Städten Europas ist, wenn es um das Bevölkerungsalter geht, verlassen viele junge Menschen ihre Heimatstadt. Studien zufolge wollen ca. ein Drittel der hoch ausgebildeten AlbanerInnen ins Ausland ziehen und rund 44 Prozent der Bevölkerung sind zwischen 2008 und 2018 ausgewandert. Laut der Cooperation and Develpoment Institute sei großes Misstrauen in staatliche Institutionen der Grund dafür. Die Jugendministerin Muzhaqi sieht die Lösung für das Problem darin, junge Menschen dabei zu unterstützen, im Ausland zu studieren oder zu arbeiten, aber gleichzeitig den Raum für sie zu schaffen, zurückzukommen und ihre im Ausland erworbenen Erfahrungen und ihre Potenziale in das Land zurückzubringen.

Claudia Plakolm und Albaniens Jugendministerin, Bora Muzhaqi mit jungen UnternehmerInnen (FOTO: Arno Melicharek)

OSZE-Präsenz in Albanien unterstützt die albanische Jugend
Seit 2018 hat die OSZE-Präsenz in Albanien eine Reihe von Jugendgesprächen organisiert, um das kritische Denken unter Jugendlichen zu fördern und gleichzeitig die Jugendberatungsgruppe (Youth Advisory Group) der Präsenz zu befähigen, positive Maßnahmen zur Förderung der dringlichen Themen, die die Jugend in Albanien betreffen, einzuführen. Einige dieser Themen sind z. B. Menschenrechte, Geschlechtergleichstellung, politische Teilhabe der Jugendlichen und öffentliche Sicherheit. Dieses Jahr wird die Jugendgesprächsreihe im Rahmen des Projekts „Jugend im Fokus II: Förderung der Rolle der Jugend in Frieden und Sicherheit in Albanien“ organisiert – ein Projekt, welches von der Austrian Development Agency (ADA), der griechischen Botschaft und der Ständigen Vertretung Italiens bei der OSZE finanziert wird. Dieses Jugendgespräch findet im Zusammenhang mit dem Besuch der Staatssekretärin der Republik Österreich, Claudia Plakolm, in Tirana statt. Das Ziel ist es, die Perspektiven der albanischen Jugend auf die Region, Frieden, Sicherheit und Zukunft in den öffentlichen Diskurs zu bringen. An der Diskussionsrunde, die am 11. Februar stattfand, nahmen Botschafter Vicenzo del Monaco, Leiter der OSZE-Präsenz in Albanien, Anuela Ristani, Stellvertretende Bürgermeisterin für nachhaltige Entwicklung und internationale Beziehungen der Gemeinde Tirana and Arlinda Topciu, Leiterin des Kabinetts der Staatsministerin der Republik Albanien für Jugend und Kinder.

Jugendgespräch mit Staatssekretärin Plakolm und VertreterInnen der OSZE-Präsenz in Albanien (FOTO: Arno Melicharek)

Die EU ohne Westbalkan nicht vorstellbar
Am zweiten Tag ihrer Reise nach Tirana sprach die Jugendstaatssekretärin mit jungen EU-BotschafterInnen im Europahaus sowie mit VertreterInnen der Organisation RYCO (Regional Youth Cooperation Office). Dabei betonte sie, dass man nicht auf den EU-Beitritt warten solle, wenn es um die Jugendarbeit geht. Die bestehenden EU-Programme könnten auch durch bilaterale Projekte und Aktivitäten ergänzt werden. Dafür brauche es mehr direkten Austausch zwischen den Jugendlichen aus Österreich und Albanien.  

„Ich will dieses Jahr der Jugend zum Jahr des Austausches machen. Nach den schwierigen zwei Jahren müssen wir jetzt diese Möglichkeit ergreifen, um die Jugend in beiden unseren Ländern beizubringen, dass sie ein aktiver Teil der Gesellschaft in allen Bereichen des öffentlichen Lebens sein können. Es ist wichtig, die Politik nicht nur über sie, sondern mit ihnen zu machen. Der beste Weg dafür ist, bekannt zu machen, dass sie ein enormes Potenzial haben. Wir müssen diese Botschaft verbreiten, wir sollen hier die Superspreader sein“, betonte Plakolm.

Der Besuch im Europe House in Tirana (FOTO: Arno Melicharek)

„Aus meiner Sicht spricht absolut nichts dagegen, beispielsweise Albanien vollkommen in Erasmus und Interrail zu integrieren. Es ist ein wesentlicher Teil der Europäischen Union und des Erwachsenwerdens, sich frei bewegen zu können und andere Länder zu erkunden. Genau das müssen wir jungen Menschen des Westbalkans ermöglichen und natürlich jungen Österreichern umgekehrt genauso“, betonte Staatssekretärin Claudia Plakolm und fügte hinzu, dass die EU ohne die Staaten des Westbalkans wie ein Schnitzel ohne Preiselbeeren sei.

Treffen der Staatssekretärin mit dem Generalsekretär des Regional Youth Cooperation Office, Albert Hani (FOTO: Arno Melicharek)

Österreich hat im vergangenen Jahr im Verbund Slavkov 3 gemeinsam mit Tschechien und der Slowakei ein Schreiben an den Hohen Außenbeauftragten der EU, Josep Borrell, verfasst, in welchem Schritte der Integration von sechs Westbalkanländern (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien) bereits während des Weges in die Europäische Union gefordert wurden.

„Wir müssen dringend Tempo machen. Was hilft es uns, wenn den Westbalkanstaaten bereits im Startraum der Beitrittsverhandlungen die Luft ausgeht. Wir müssen endlich die Laufstrecke freigeben und motivierend zur Seite stehen“, so Plakolm.