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Justiz-Hammer in Wien: 26-Jährige nach IS-Unterstützung auf freiem Fuß

Frau mit Kopftuch
FOTO: iStock/Motortion

Beim IS-Braut Terrorprozess in Wien bekannte sich die 26-jährige Evelyn T. schuldig. Die junge Mutter schilderte vor Gericht eindringlich ihre acht Jahre in syrischen Lagern nach ihrer Flucht aus dem IS-Gebiet und wurde zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt.

Im Wiener Landesgericht wurde am Mittwoch unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen ein bemerkenswerter Terrorprozess geführt. Die 26-jährige Evelyn T., eine sogenannte „IS-Braut“ (Frau, die in das vom Islamischen Staat kontrollierte Gebiet ausgereist ist), musste sich wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und des Verbrechens der kriminellen Organisation verantworten. Der Gerichtssaal wurde von vier vermummten Justizwachebeamten zusätzlich gesichert. Die Staatsanwaltschaft betonte zu Prozessbeginn: „Die Beweislage ist völlig klar, der Sachverhalt ist geprüft.“ Die Angeklagte bekannte sich schuldig.

In ihrer Aussage beschrieb Evelyn T. ihren Weg in den Islamismus. Sie sei durch ihre Cousine zum Islam gekommen. „Ich wurde streng gläubig. Meine Freunde haben auf alle Fragen eine Antwort gehabt“, sagte die 26-Jährige aus. Und weiter: „Man darf als Frau nicht raus, muss sich bedecken. Man darf nicht arbeiten und muss schnell heiraten. Das war komisch am Anfang, aber ich war so drin in der Sache, dass ich das geglaubt habe.“ „Es war ein Kampf mit meiner Familie. Ich habe auf meine Freunde gehört, die waren damals wie meine Familie.“

Auf die Frage des Richters nach ihrer Haltung zu den Gräueltaten des IS erklärte die Angeklagte: „Uns wurde alles schöngeredet, sie haben gesagt, wir sollen nicht auf die Zeitung hören, weil die den Islam schlecht darstellen wollen.“ Die Wienerin berichtete über ihren damaligen Ehemann, der in islamistischen Kreisen einen bedeutenden Status innehatte. „Wir haben uns durch eine Freundin kennengelernt. Er nahm mir die Angst vor der Zukunft, er versprach mir das perfekte Leben. Ich habe ihm sehr vertraut“, schildert die junge Mutter. Seine Familie genoss in der Szene hohes Ansehen. „Die waren die gelehrtesten Leute über den Islam in ganz Wien“, so die 26-Jährige. „Seine ganze Familie war dann beim IS“, stellte Evelyn T. klar.

Die Angeklagte schilderte, wie ihr Ehemann sie mit einer Täuschung in den Irak lockte. Er habe behauptet, er wolle das Gebiet verlassen und benötige ihre Unterstützung. „Ich war verliebt in ihn.“ Für die Ausreise entwendete sie den Pass ihrer älteren Schwester. „Weil ich erst 16 Jahre alt war, nahm ich den Pass von meiner Schwester, die gerade 18 geworden war.“ Mit dem Dokument buchte sie die Reise in die Türkei, wurde jedoch in Istanbul aufgegriffen. Der dritte Fluchtversuch gelang schließlich: Sie reiste per Bahn nach Griechenland und mit dem Bus zur Grenze. „Schlepper brachten mich in die Türkei. Ich war damals 17 Jahre alt. Einer meiner Schlepper sagte mir, er habe noch nie so ein junges Mädchen gesehen, dass zum IS will und es tue ihm weh zu sehen, wie ich mein Leben wegschmeiße. Ich wollte dann nicht mehr nach Syrien, aber der Boss von den Schleppern zwang mich zu gehen.“

Leben im IS-Gebiet

„In Istanbul nahm mich der Cousin von meinem Mann in Empfang, sagte mir, ich solle jetzt standhaft bleiben.“ Die junge Frau geriet unter Druck: „Entweder ich gehe zum IS oder werde in ein Frauenhaus gesteckt“, erklärte Evelyn T. Also setzte sie ihren Weg nach Syrien fort: „Von Idlib sind wir dann bis nach Raka gekommen, es war ganz einfach. Nach zwei Stunden in Raka holte mich mein Mann ab.“ Während alle anderen Freude zeigten, blieb sie emotional distanziert – „nur ich nicht“. Ihr Ehemann versuchte, sie ideologisch zu indoktrinieren. „Ich sollte meine Familie hassen, weil sie Ungläubige sind. Ich widersprach und er war darüber schockiert.“ „Ich dachte, ich kann in einem islamischen Staat sagen, was ich will“, so die 26-Jährige. Auf ihren Widerspruch reagierte er mit Drohungen, sie bei der Sittenpolizei anzuzeigen. „Da platzte diese Blase für mich.“

Vor Gericht beschrieb Evelyn T. ihre bedrückende Lebenssituation im IS-Gebiet. „Ich stand sehr spät auf und war 24 Stunden alleine in der Wohnung eingesperrt. Ich durfte nicht mal aus dem Fenster schauen. Kochen konnte ich nicht. Ich habe daher Wäsche gewaschen. Mein Mann kam spät nach Hause. Internet war verboten, manchmal spielte ich mit dem Handy.“ Und weiter: „Es fühlte sich schlimmer an, als ein Gefängnis in Österreich. Mein Mann war ein komplett anderer Mensch, hatte keine Gefühle mehr.“ Während ihrer Schilderung brach die Angeklagte in Tränen aus. „Ich wurde schwanger. Das war wie ein Weckruf für mich. Ich fragte mich, will ich das für mein Kind?“

Die Mutterschaft markierte einen Wendepunkt in ihrem Leben. „Wenn man Mutter wird, ändert sich alles. Ich wollte nicht, dass mein Kind so aufwächst. Das war für mich sofort klar. Nicht hier, nicht mit dem IS und nicht mit diesem Vater. Er war plötzlich mein Feind.“ In ihrer Aussage beschrieb sie die ständige Bedrohung durch Luftangriffe: „Irgendwann sagte ich: ‚Was würdest du tun, wenn eine Bombe dein Kind trifft?‘ Ich wollte mein Leben in Österreich zurück.“ Die Geburt ihres Kindes im Mai 2017 empfand sie als „Rettung“. „Ich sagte, ich werde es nicht zulassen, dass mein Kind so aufwächst.“ Der Ehemann entwickelte daraufhin eine „krankhafte Eifersucht“.

Flucht und Internierung

Nach intensiven Überzeugungsversuchen entschloss sich das Paar zur Flucht. „Nach viel Überredungskunst beschlossen wir, uns über einen Schlepper gemeinsam bei den Kurden zu stellen. Wir waren ein Monat lang unterwegs, weil wir nicht direkt über den Fluss konnten wegen der Bombardements. Vor der Abreise war es wichtig, nicht aufzufallen, weil beim IS für Verräter die Todesstrafe droht.“ Nach ihrer Festnahme wurden sie in ein Lager gebracht. „Monate wurden zu Jahren. Ich war am Anfang wie ein Trottel und wusste nicht mal, wie man Feuer macht. Mit der Zeit kamen immer mehr Menschen ins Lager.“ Im Internierungslager distanzierte sie sich vom IS, was zu Konflikten führte, „weil viele der Häftlinge noch daran glaubten. Diese blinden Leute, die noch immer radikal und gewalttätig waren, kamen ins sogenannte schwarze Camp.“

Die Lebensbedingungen im Lager schilderte sie als menschenunwürdig. „Das Camp war ein Überlebenskampf. Wir heizten mit Kerosin. Regelmäßig brannten Zelte ab und es gab Brände.“ „Man konnte nicht tief schlafen. Auch Polizisten kamen jede Nacht ins Zelt und schlugen zu, stahlen Sachen oder zerstörten sie. Diese acht Jahre waren wirklich eine Herausforderung und sehr schlimm“, erklärte Evelyn T. vor Gericht. Ihr Kind litt unter gesundheitlichen Problemen. „Ich hätte meine Mutter gebraucht. Es gab aber nur ein Telefon für 500 Frauen“, schluchzte Evelyn T. „Wird man mit einem Handy erwischt, muss man in Isolationshaft. Ich habe immer gehofft, Österreich kommt mich holen und habe mir dann eines besorgt.“

Ihre Mutter wagte schließlich den gefährlichen Besuch im Lager. „Meine Mutter besuchte mich dann sogar einmal im Camp, sie begab sich dafür in Gefahr. Sie gab mir Halt und hat alles gemacht, dass Österreich mich zurückholt. Im Gefängniscamp mit einem Kind zu sein, ist etwas, dass ich niemanden wünsche“, so die 26-Jährige. Nach achtjähriger Internierung erfolgte Anfang März 2025 die Rückführung nach Österreich – gemeinsam mit einer weiteren IS-Anhängerin, Marie G., und ihren Kindern.

Vor Gericht äußerte Evelyn T. ihre Zukunftspläne: „Ich war schon acht Jahre in Haft. Wenn ich rauskomme, will ich etwas mit meinem Leben machen. Ich will mein Kind wieder haben und mit dem Jugendamt zusammenarbeiten. Ich will mir eine Arbeit suchen, Tierpflegerin wäre ein großer Wunsch“, so die 26-Jährige. Und: „Ich bin zu 100 Prozent distanziert vom IS und will gerne anderen dabei helfen, sich vom IS loszusagen. Nicht viele haben das erlebt, was ich erlebt habe.“ Zu ihrem Ehemann, der im Irak inhaftiert ist, bestehe längst kein Kontakt mehr.

Nach dem Ende ihrer Aussage herrschte vollkommene Stille im Gerichtssaal. Ihre Verteidigerin Anna Mair nickte der Angeklagten ermutigend zu. Es wurden keine weiteren Fragen gestellt. Am Mittwochmittag erfolgte die Urteilsverkündung: Das Gericht befand Evelyn T. für schuldig und verhängte eine bedingte Haftstrafe von zwei Jahren. Dies bedeutet, dass die 26-jährige noch am selben Tag auf freien Fuß gesetzt wurde.