Start Blog
KOMMENTAR

„Kätzchen, Fo**e, Kleine & Schlampe“: Sexismus in der Balkan-Community

(FOTOS: iStockphotos)

Normalerweise schreibe ich lieber über fröhlichere Themen oder Dinge, um Leute, die meiner Arbeit folgen, über aktuelle Geschichten zu informieren, die mich ebenfalls interessieren. Aber diesmal schreibe ich über etwas, das in der Balkan-Community ein Tabuthema ist und worüber selten gesprochen wird – Sexismus. Ich entschuldige mich im Voraus für die verwendeten Begriffe, aber dies sind bewusst Zitate, um das Problem zu veranschaulichen.

Ich arbeite schon eine Weile in der Gastronomie und betrachte die Dinge aus der Perspektive von jemandem, der kein Trinker-Typ ist. Ich gehe nicht oft fort und es ist auch nicht meine Welt. Nach der Ausgangssperre bemerkte ich unter den überwiegend männlichen Gästen eine unglaubliche Portion Sexismus gegenüber meinen Kolleginnen. Anscheinend geht ihnen ihre Frau auf die Nerven, obwohl ich für die meisten überrascht bin, dass sie überhaupt jemanden an ihrer Seite haben. Ich notiere mir regelmäßig Aussagen und Anekdoten der Gäste, die mir hinter der Bar passieren. Leider sind die meisten davon sexistisch.

In meiner ersten Schicht schaute ein Stammgast nach ein paar Gläsern Bier nachdenklich auf die von Straßenlaternen beleuchtete Straße und sagte aus tiefstem Herzen: „Es gibt nichts Besseres für mich, als wenn ich betrunken nach Hause komme und meine Frau so richtig schlage“. Es war meine erste Schicht – ich war verloren, nervös, ich brauchte das Geld, ich musste schweigen, aber ich konnte es nicht ignorieren. Er fügte hinzu, dass er die Zeit bedauere, in der er „müde von der Arbeit nach Hause kommen würde, während sie mit einem Becken warmen Wasser auf ihn wartet und ihm die Füße wäscht“ – „verdammt, diese Zeit ist vergangen“. Glücklicherweise.

Und dann habe ich angefangen das Verhalten der Gäste am Fenster und an der Bar zu beobachten, wie sie absolut jede Frau kommentieren, die zufällig an unserem Lokal vorbeigeht. Man würde ihr Aussehen und ihre Kleidung kommentieren, wie dick, dünn, hässlich oder gutaussehend sie ist. Nicht zu vergessen Attribute wie „Katze“ („Mačka“), „Fotze“ („Pička“, „Pizda“), „Fisch“ („Riba“), „Kuh“ („Krava“), „Schlampe“ („Drolja“) oder „Kleine“ („Mala“). Alle, absolut alle Kellnerinnen, die mit mir gearbeitet haben, werden von den Gästen in 99 Prozent der Fälle nicht beim Namen oder Spitznamen genannt. Nein, sie nennen sie „Kleine“ („mala“), „Süße“ („mila“) oder „Mädchen“ („Djevojčica“). Natürlich wird jede Kellnerin von Kopf bis Fuß ‚gescannt‘ und nach den Maßen wird auch im Kopf berechnet, wie viel Trinkgeld sie bekommen soll. Das Trinkgeld wird proportional zu ihren Kurven berechnet. Und wenn ich ein gutes Verhältnis mit einer meiner Kolleginnen habe oder mit ihr nach der Schicht Kaffee trinke, dann gibt es Kommentare wie „Jebeš li to?“ („Fickst du das?“). Unglaublich…

Ich habe immer weniger Trinkgeld bekommen als meine Kolleginnen – weil, Mann. Ich musste mich besonders um die Bestellungen bemühen, schneller sein, kommunikativer, lustiger und irgendwie spezieller als die ‚klassischen‘ KellnerInnen. Andere Kellnerinnen, wie beispielweise eine Kollegin, nutzen bewusst diesen Sexismus aus, was ebenfalls ein Problem darstellt. Diese Kollegin hatte nie Münzen in ihrem Portemonnaie. Als ich sie fragte, warum sie keine hat, sagte sie, dass sie „nur ihre Titten rauswirft“ und dann bekommt sie mehr Trinkgeld. Das hasse ich, aber ich weiß, dass ein Lokal automatisch mehr Umsatz hat, wenn eine solche Frau hinter der Bar steht.

Kürzlich kam ein Gast zu mir, der von der Baustelle schmutzig kam, stand vor der Bar, sah mich mit etwas enttäuschendem Blick an und sagte: „Scheiße, habe ich so lange ein Parkplatz gesucht, damit ich einen Mann schauen muss? (…) Ich dachte, eine Muschi würde arbeiten.“ Lassen Sie mich den Begriff „Muschi“ („Pičkica“) erklären: Wenn eine Kellnerin älter ist als 25, ist sie eine „Fotze“ („Pička“), aber wenn sie jünger ist oder möglicherweise das gleiche alter wie ihre Kinder hat, dann ist sie eine „Muschi“.

Mehrmals gab es eine Situation, in der eine Kollegin aus den benachbarten Lokalen zu mir kam, die einen speziellen Kleidungsstil hat. Sie wurde wie folgt kommentiert: „Willst du, dass ich einen Herzinfarkt bekomme?“ oder „Komm, Kleine, setz dich auf meinen Schoß“. Die Kleidung ist keine Eintrittskarte für solche Kommentare und Verhalten. Solche Idioten würden sich dann rechtfertigen wie: „Nun, sie hat das mit ihrem Outfit ja auch herausgefordert!“.

Ich verabscheue Alpha-Männer, die offen darüber sprechen, wie sie ihre Frau schlagen, wie sie die ‚Babos‘ zuhause sind, denen es nicht unangenehm ist, mit ihren Händen entlang der Körper meiner Kollegin zu gehen, die dann schüchtern und verängstigt sich in dieser Situation verlieren und nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Es gibt einige Lokalbesitzer, die ebenso wie die Gäste, wenn es um Trinkgelder geht, gemäß der Kurven der Mädels neue Kellnerinnen einstellen. All dies ist eine harte Wahrheit, die nicht von gestern ist, sondern seit Jahrzehnten andauert.

Die meisten dieser Gäste sind keine Jungs, die noch relativ jung sind, so dass ich bis zu einem gewissen Grad verstehen könnte, warum sie solche Wörter verwenden und sich sexistisch gegenüber Frauen verhalten. Nein, das sind Menschen, die auch Enkelkinder haben. Wie würden die sich verhalten, wenn jemand so über ihre Frau, Tochter, Schwester sprechen würde? Die würden sie verprügeln, aber wenn sie diejenigen sind, dann machen sie „nur Spaß“. In den letzten Monaten kämpfen europäische Studentinnen gegen das sg. „Catcalling“. Catcalling ist ein sexistisches Verhalten gegenüber Frauen durch Wörter oder Nachahmung von Tieren. „Miau“ sagen zum Beispiel viele meiner Gäste.

Als junger Teenager habe ich leider über solche sexistischen Kommentare gelacht und leider auch ähnliche Dinge von mir gegeben. Damals war ich jung, dumm und nicht reif genug. Hiermit möchte ich mich bei jeder Frau entschuldigen, die solche Kommentare von mir gehört oder ein ähnliches Verhalten bei mir bemerkt hat. Frauen in der Gastronomie verdienen mehr Respekt und jeder kann seinen Teil zu einer Verbesserung der Situation beitragen. Die FußballschiedsrichterInnen tragen auf ihren Ärmeln die Aufschrift „Respekt“ und zeigen immer darauf, wenn sich ein Spieler respektlos gegenüber ihnen verhält. Das sollten auch KellnerInnen tragen, denn Trinkgeld allein ist nicht genug, um Respekt zu zeigen. Man soll sich auch so verhalten. Ich hoffe, dass diese Geschichte über Sexismus, welche leider nie aufhören wird, vielen LeserInnen hier, aber auch meinen Gästen, eine Lehre sein wird.  

AUTOR: Antonio Šećerović