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MOBBING

Mobbing: Habt ihr Angst in die Schule zu gehen?

Mobbing in Schulen
Mobbing findet tagtäglich in fast jeder Klasse statt. (FOTO: iStock)

Ursachen von Mobbing

Max Lalouschek, Rat auf Draht
Max Lalouschek, Rat auf Draht (FOTO: KOSMO)

„Die Beweggründe und Ursachen für Mobbing in der Schule sind vielschichtig. Beispiele hierfür sind: das Ausleben von Machtgefühlen, Statuserhöhung innerhalb der Gruppe, empfundene Provokation des Täters / der Täterin durch das Opfer, Langeweile, Spaß, Rache oder mitunter auch Frustration und eigene Mobbingerfahrungen. Darüber hinaus kann Mobbing in Schulen auch aus einem diskriminierenden ideologischen Hintergrund rühren. Minderheiten werden diskriminiert, vor allem lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, transsexuelle sowie intersexuelle (LGBTI) Jugendliche an den Schulen bekommen das zu spüren. SchülerInnen mit Migrationshintergrund werden häufig wegen ihrer Sprache, ihres Aussehens oder ihrer Herkunft gemobbt. Nicht selten hat Mobbing auch eine Gender-Dimension. In diesem Fall beziehen sich Kommentare und Abwertungen auf das Geschlecht der Person und ihr Verhalten und es werden dabei unterschiedliche Maßstäbe (Stichwort Rollenstereotype) angelegt (z. B. „Schlampe“, „Weichei“…)“, erklärt uns Herr Mag. Jürgen Bell aus der Abteilung Schulpsychologie-Bildungsberatung des Stadschulrates für Wien. „Auch die, die mobben sind mitunter Opfer. Sie erleben in dem Fall selbst Gewalt und geben sie in einer anderen Form wieder. Oft passiert es, dass die TäterInnen Gewalt z. B. in der Familie erleben und gehen damit so um, dass sie dann jemanden anderen klein machen. Ganz generell stellt sich die Frage: woher kommt das Bedürfniss, sich mächtiger fühlen zu wollen?“, so Herr Max Lalouschek, Lebens- und Sozialberater bei der bekanntesten Notstelle für Kinder & Jugendliche „147 Rat auf Draht“. „Mobbing ist ein regelmäßiges, alltägliches Thema in Österreich. Es melden sich immer wieder SchülerInnen und suchen oft Hilfe, weil  sie nicht gerade wissen, an wen sie sich wenden sollen. Es gibt Studien die zeigen, dass es so gut wie in jeder Klasse vorkommt. Es ist auch zu erwarten. Es sind mitunter 20-30 Kinder unterschiedlicher Altersgruppen in diesen Klassen. Da passiert  viel Kommunikation und es ist selbstverständlich, dass somit auch negative Dinge dort passieren. Es ist nicht ungewöhnlich, dass solche Situationen eine Normalität darstellen, aber es ist wichtig, dass die Schulen diese Normalität anerkennen, sich dessen bewusst sind und entsprechend darauf reagieren.“ Ein besonderes Phänomen in Bezug auf Mobbing stellt das sgn. Cybermobbing dar. Darunter versteht man eine Art von Mobbing, die über die sozialen Medien vertreten ist. „Mobbing war immer schon das Thema, aber wir merken, dass es immer mehr in die sozialen Medien miteingreift. Man muss bedenken, früher war WhatsApp kein wichtiger Faktor im Vergleich zur heutigen Zeit. Jede Klasse hat heutzutage WhatsApp-Gruppen und, wenn jemand gemobbt wird, dann endet das Mobbing nicht, wenn ich aus der Schule rausgehe, sondern geht in dieser WhatsApp-Gruppe weiter, auch über das Wochenende“, warnt Herr Lalouschek.

Mag. Jürgen Bell, Stadtschulrat für Wien Abteilung Schulpsychologie-Bildungsberatung
Mag. Jürgen Bell, Stadtschulrat für Wien Abteilung Schulpsychologie-Bildungsberatung (FOTO: zVg.)

Maßnahmen: Schule und Eltern

Da die Kinder die meisten Zeit in der Schule verbringen, ist sie genau jener Ort, an welchem Mobbing vorwiegend stattfindet. Aus diesem Grund sind die Schulen in erster Linie dafür verantwortlich, auf das Mobbing entsprechend zu regieren. „Die Schule trägt die Verantwortung für den Schutz ihrer Schüler! Schulen brauchen klare Regeln, die das Zusammenleben und das gemeinsame Arbeiten betreffen. Diese Regeln müssen allen Mitgliedern der Schulgemeinschaft (Eltern, Schülern, Lehrenden, Ausbildnern, Erziehern,…) bekannt sein und von allen unterstützt werden können, wenn gegen eine Regel verstoßen wird und diese müssen dann zeitnah und ohne Ausnahme umgesetzt werden. Die Reaktionen der Lehrer auf Aggressionen zwischen Schülern oder Übergriffe gegen Schüler ist entscheidend für den weiteren Verlauf: Lehrer sind Rollenvorbilder und müssen klare Signale setzen, wenn Verhaltensweisen nicht in Ordnung sind. Lehrer müssen auch sehr vorsichtig sein, welche Bemerkungen sie selber den Schülern gegenüber machen – gerade wenn es um Konfliktsituationen geht. Ein unbedachter Witz auf Kosten eines Schülers kann seine Situation in der Klasse massiv verschlechtern. Andersherum kann sich eine klare Positionierung für die Betroffenen positiv auswirken, da sich die Mobber nicht nur gegen ihr Opfer sondern auch gegen den Lehrer stellen. Studien (Salmivalli, 1999; Schäfer et al., 2004) zeigen die Stabilität von Opfer- und TäterInnenrollen. Auch wenn z. B. ein gemobbtes Kind oder ein gemobbter Jugendlicher in eine andere Klasse versetzt wird oder wenn ein/e TäterIn die Schule wechselt, bleiben sie meist in ihrer Rolle. Daher sind lösungsorientierte Auseinandersetzungen mit Mobbingvorfällen, die zur Auflösung des Mobbinggeschehens führen, unbedingt notwendig. Diese erfordern eine klare Positionierung der Lehrkräfte und gemeinsames Vorgehen“, so Mag. Bell. Neben den Lehrern sollen sich auch Eltern Gehör für ihr Kind verschaffen und versuchen, die Situation so gut wie möglich abzuschätzen. Wenn sich ein Kind wegen Mobbing zurückzieht,  glaubenEltern häufig, dass es aus Faulheit nicht in die Schule will, während es in Wirklichkeit große Angst hat. „Eltern sollten ein guter Zuhörer sein. Ruihig und sachlich. Sie sollten den Kindern Verständnis für die Situation vermitteln. Nicht nachbohren sondern möglichst frei erzählen lassen. Hilfreich ist es wenn die Kinder die Aktionen protokollieren. Die Eltern sollten sich dann sobald wie möglich mit der Schule in Verbindung setzen und nicht mit den Eltern des Mobbers. Zudem können sich Eltern selbstverständlich auch an die Schulpsychologie wenden“, so Mag. Bell.

„Studien  zeigen die Stabilität von Opfer- und TäterInnenrollen. Auch wenn z. B. ein gemobbtes Kind oder ein gemobbter Jugendlicher in eine andere Klasse versetzt wird oder wenn ein/e TäterIn die Schule wechselt, bleiben sie meist in ihrer Rolle“, so Mag. Bell.

Mobbing vs. Streit

Oft stellt sich die Frage, ob die Opfer des Mobbings Schuld daran haben, dass sie gemobbt werden? Vielleicht provozieren sie die Täter absichtlich aber unauffällig oder sind einfach zu empfindlich für Beleidigungen, die jedes Kind in irgendwelcher Form erlebt. „Grundsätzlich haben die Betroffenen keine Schuld an ihrer Rolle und prinzipiell kann jede Person zum Betroffenen werden. In der Beschreibung der Betroffenen ergeben sich verschieden Typen: passive Betroffene (körperlich schwächer als andere Schüler, ängstlich, unsicher und sensibel) und provozierende Betroffene, die durch auffälliges Verhalten Angriffsfläche bieten. Sie sind häufig anggressiv, wirken hyperaktiv sind leicht reizbar und oder spielen sich gerne in den Vordergrund. Lehrer können durch ironische Bemerkungen oder unsachliche Kritik Schüler schwächen und sie damit als möglicherweise geeignetes Opfer erscheinen lassen. Mitschüler nutzen dann gerne die so entstandene Angreifbarkeit und probieren aus was geschieht wenn man den betreffenden Schüler ärgert. Reagiert dieser „interessant“ baut sich schnell ein systematisches Mobbing auf“, erklärt Mag. Bell weiter. „Um Mobbing von Streit zu unterscheiden müssen wir wieder zur ursprünglichen Bedeutung vom Begriff Mobbing zurück. Mobbing bedeutet, dass es über einen gewissen Zeitraum passiert, also kontinuierlich und systematisch. Wenn das so ist, dann ist das Mobbing. Es ist grundsätzlich gefährlich, weil es viele verschiedene Folgen haben kann wie z. B., dass ein Schüler nicht mehr in die Schule gehen will, weil er Angst vor Mobbing hat. Es kann extreme Probleme mit dem Selbstwert bringen und viele Ängste und Konsequenzen, die man vorher nicht abschätzen kann, können auftreten. Es kann durchaus schwierig für SchülerInnen sein, wenn sie z. B. zu Hause Probleme haben und dazu noch das Mobbing kommt. Dann hat man keinen sicheren Ort mehr und fühlt sich allein gelassen. Wenn wir sagen „Mobbing ist gefährlich“, denken wir nicht nur daran, dass man einer direkten körperlichen Gefahr ausgesetzt sein kann, sondern, dass sich viele Konsequenzen hinter dem Mobbing verstecken, die unvorhersehbar sind“, warnt Herr Lalouschek.

Cybermobbing:

Cyber Mobbing
Jede Klasse hat heutzutage WhatsApp-Gruppen und, wenn jemand gemobbt wird, dann endet das Mobbing nicht, wenn ich aus der Schule rausgehe, sondern geht in dieser WhatsApp-Gruppe weiter, auch über das Wochenende“, warnt Herr Lalouschek. (FOTO: iStock)

Darunter versteht man jedes Verhalten, das von Individuen oder Gruppen mittels digitaler Medien ausgeführt wird und wiederholt über einen längeren Zeitraum hinweg feindselige oder aggressive Botschaften übermittelt, um Schaden zuzufügen. Cybermobbing stellt somit eine Verschiebung von gewalt¬tätigen Handlungen in einen virtuellen Kontext dar und ist gekennzeichnet durch: die Allgegenwart der Wirkung (räumlich und zeitlich), die Möglichkeit, ein großes Pu¬blikum zu erreichen, die potentielle Anonymität des Täters / der Täterin, vermutete Sicherheit von Sanktionen, Mangel an emotionalem Feedback und wenig Kontroll¬mechanismen im Internet bzw. bei Mobiltelefonen (vgl. Slonje & Smith , 2008; Dooley, Pyzalski & Cross, 2009; Katzer, 2013). Nahezu alle Jugendlichen, die Gewalt mit digitalen Medien als TäterIn ausführen oder Opfer eines solchen

Folgen

Folgen von Mobbing können sehr weitreichend sein. „In schwierigeren Fällen  können Jugendliche  anfangen sich zu ritzen bzw. ein selbstverletzendes Verhalten aufweisen. Es kann auch eine Vereinsamung stattfinden und das Gefühl, dass man keine Freunde hat. Schlimmstenfalls kann es  Suizidgedanken verursachen. Man hat das Gefühl, dass man nichts wert ist und, dass man keinen Grund zum Leben hat, weil man dauernd einer Angst/Bedrohung ausgesetzt ist“, so Herr Lalouschek. Außerdem kann Mobbing sehr negative Konsequenzen auf die Lernleistungen und auf das Sozialverhalten aller Schüllern haben. „Mobbing beschädigt die Wertehaltungen in der Klasse und zerstört die Klassengemeinschaft. Daher ist es wichtig, die Präventions- und Interventionsarbeit auf alle Beteiligten zu richten und nicht nur auf ´Opfer´ und ´Täter´“, betont Mag. Bell.

„Es ist äußerst wichtig, dass die gemobbten Kinder & Jugendlichen verstehen, dass Mobbing sehr oft in den Schulen stattfindet und, dass sie daran nicht schuld sind. Sie müssen die Situation nicht in sich hineinfressen, sondern können immer versuchen etwas dagegen zu unternehmen“, resümiert Herr Lalouschek.

Maßnahmen: Opfer

Das gefährlichste Gefühl, das bei den Opfern entstehen konnte ist das Gefühl der Einsamkeit und, dass man nirgendwo Hilfe finden kann. In solchen Momenten ist es ratsam, dass man sich an VertrauenslehrerInnen, SchulpsychologInnen oder auch Beratungsstellen, wie z. B. an „147 Rat auf Draht“ wendet. Wir haben uns erkundigt, was passiert, wenn man dort anruft. „Wir schauen immer gemeinsam die genaue Situation an. Es ist ein Unterschied, ob es Einzelne sind, die gemobbt werden, oder ob es eine größere Gruppe ist. Aber auch ob diejenigen, die mobben in einer Gruppe oder alleine sind. Dann überprüfen wir, welche Vertrauensperson es in der Nähe gibt. Wir haben schon das Gefühl, dass die Jugendlichen, die sich hier melden, im Gespräch wieder eine Perspektive finden. Manche melden sich mehr als nur einmal, sodass wir auch über die Fortschritte informiert sind, was sehr schön ist. Wenn die erste Bereitschaft da ist Hilfe in Anspruch zu nehmen bzw. wenn sich jemand meldet, kann das für die/den Betroffenen schon sehr entlastend wirken. Man findet einen Ort bei uns, wo man seine Ängste und Gefühle deponieren kann. Wir versuchen immer viel Sicherheit zu vermitteln und Stärke mitzugeben, dass AnruferInnen für sich erkennen, dass sie ernst genommen werden und, dass wir ein Ohr für ihre Probleme haben. Sich Hilfe zu holen ist oftmals ein sehr motivierender Schritt, der dann zum zweiten Schritt führen kann, falls notwendig wie z. B. weiter mit SchulpsychologInnen oder mit Eltern zu reden und konkret Hilfe holen. Wir motivieren Jugendliche mögliche Lösungsstrategien in Betracht zu ziehen und in Anspruch zu nehmen. Wir können auf Wunsch gemeinsam mit SchülerInnen Beratungsstellen anrufen, wo sie sich persönlich hinwenden können. Davor besprechen wir, welche weitere Schritte möglich wären und ob sie überhaupt notwendig sind. Auf jeden Fall ist es äußerst wichtig, dass die gemobbten Kinder & Jugendlichen verstehen, dass Mobbing sehr oft in den Schulen stattfindet und, dass sie daran nicht schuld sind. Sie müssen die Situation nicht in sich hineinfressen, sondern können immer versuchen etwas dagegen zu unternehmen“, resümiert Herr Lalouschek.

ERSCHEINUNGSFORMEN VON MOBBING:
Physisches Mobbing: Diese Handlungen zielen darauf ab, eine Person körperlich zu verletzen, wie z. B. schlagen, treten, schubsen, eine Falle stellen.

Verbales Mobbing: Darunter fallen sämtliche verbale Attacken, wie z. B. Be¬schimpfungen, verbale Drohungen, gemeine Kommentare, sich über jemanden lustig machen.

Relationales (soziales / indirektes) Mobbing: Dabei steht das Zerstören sozialer Beziehungen und der sozialen Zugehörigkeit im Mittelpunkt der negativen Hand¬lungen, z. B. das bewusste Hinausekeln aus der Gruppe, Gerüchte verbreiten, jemanden ignorieren.

Geschlechtsbezogenes / sexistisches Mobbing: Dazu gehören Belästigungen, Vorurteile, Anspielungen sowie abwertende Kommentare, die auf das Geschlecht bezogen sind und unterschiedliche Rollennormen verfestigen und damit im Gegen¬satz zum Unterrichtsprinzip „Erziehung zur Gleichstellung“ stehen (Grundsatz¬erlass GZ 15.510/60-Präs.3/95)